Der erste Jahrestag der «Gelbwesten»-Proteste war in Paris wieder überschattet von Krawalle und heftigen Ausschreitungen. Im Süden von Paris randalierten am Samstag grösstenteils Vermummte und lieferten sich einen regelrechten Strassenkampf mit der Polizei.
Ein Grossteil von der Demonstrierenden trug keine gelbe Warnweste, das Erkennungszeichen der «Gelbwesten». Der Pariser Polizeipräsident Didier Lallement sprach von «systematischen Angriffen auf Sicherheitskräfte und Feuerwehrleute».
Am Wochenende des 17. Novembers 2018 hatten die ersten grossen landesweiten Proteste der «Gelbwesten» in Frankreich stattgefunden. Der erste Jahrestag sollte der sozialen Bewegung, die zuletzt an Stärke verloren hatte, wieder neuen Auftrieb verleihen.
Die Zahl der Demonstranten war allerdings deutlich niedriger als beim Auftakt vor einem Jahr. Nach offiziellen Angaben des Innenministeriums gingen in ganz Frankreich 28'000 Menschen auf die Strasse, davon 4700 in Paris.
Zum Vergleich: Am ersten grossen Demonstrationswochenende vor einem Jahr waren mehr als 280'000 «Gelbwesten» auf der Strasse, in den darauffolgenden Wochen mehr als hunderttausend.
Die Polizei wollte Krawalle wie in der Vergangenheit unbedingt verhindern. Zahlreiche Metro-Stationen in Paris waren am Wochenende geschlossen. Auf den Champs-Élysées und an anderen Orten in der Hauptstadt waren Demonstrationen verboten. Im Süden von Paris, an der Place d'Italie, eskalierte die Lage.
«Wir müssen unterscheiden zwischen den anfänglichen Forderungen der »Gelbwesten«, dieser tiefen Wut, (...), die wir hören mussten und gehört haben, und denen, die sehr schnell nur von Hass und Gewalt angetrieben wurden», sagte Innenminister Christophe Castaner am Sonntag im Interview mit Europe 1.
«Gestern sahen wir nur wenige Demonstranten, aber dafür Schläger und Gauner, die gekommen waren, um zu kämpfen, sich mit der Polizei zu schlagen und die Feuerwehr an ihrer Arbeit zu hindern», sagte Castaner.
Vermummte randalierten, schlugen Scheiben ein, warfen Steine und zündeten Fahrzeuge, Mülleimer und Werbetafeln an. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Auch Polizeipräsident Lallement betonte, dass die Gewalt von Personen begangen würde, die nicht gekommen seien, um eine Sache zu verteidigen.
Eigentlich sollte am Nachmittag vom Place d'Italie ein angemeldeter Demonstrationszug starten. Die Polizei verlangte die Absage der Demo. Am späten Nachmittag konnte die Polizei den Platz schliesslich räumen, die Gewalt verlagerte sich in die anliegenden Strassen.
Kurzzeitig blockierten am Samstagmorgen einige hundert «Gelbwesten» die Pariser Ringautobahn im Nordwesten der Stadt. Die Polizei löste die Blockade aber schnell auf. In anderen Regionen gab es ebenfalls Demonstrationen, die ohne grössere Zwischenfälle verliefen. In Städten wie Lyon, Marseille oder Nantes war die Lage aber angespannt.
In der Vergangenheit hatten sich immer wieder Randalierer unter die «Gelbwesten» gemischt. Viele Anhänger der Bewegung besetzten zur Hochzeit der Proteste friedlich Kreisverkehre und Strassen. Die «Gelbwesten» protestierten gegen soziale Ungerechtigkeit und die Politik von Präsident Emmanuel Macron.
Auch in Belgien demonstrierten «Gelbwesten» zum Jahrestag ihrer Bewegung. Am Samstagabend blockierten rund 20 Personen an der französisch-belgischen Grenze bei Hensies einige Lastwagen auf der Autobahn Paris-Brüssel, wie die Nachrichtenagentur Belga meldete.
Die Aktion wurde nach drei Stunden ohne grössere Zwischenfälle beendet. Auch in Namur und vor einem Treibstoffdepot bei Feluy wurde protestiert. Vor einem Jahr hatte sich wie in Frankreich auch eine «Gelbwesten»-Bewegung im Nachbarland Belgien formiert. (sda/dpa)