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Was wir an der WM bislang über die Hockey-Nati gelernt haben

Nico Hischier Nr. 13 of Switzerland scores, shoots goal , Tor, Treffer, Torschuss, 4-2 celebrates his goal, happy, laugh, celebration, with Timo Meier Nr. 28 of Switzerland in the match SWITZERLAND -  ...
Die Schweiz überzeugt an der Hockey-WM.Bild: IMAGO/ActionPictures
Analyse

Was wir an der WM bislang über die Hockey-Nati gelernt haben

Die Schweizer Nati ist beinahe perfekt in die Eishockey-WM gestartet. Diese Dinge sind in den ersten vier Spielen aufgefallen.
21.05.2022, 09:1022.05.2022, 06:03
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Vier Spiele, vier Siege. Der Schweizer Nationalmannschaft ist der Einstieg in die Weltmeisterschaft in Finnland bestmöglich geglückt. Doch jetzt folgen die ersten grösseren Aufgaben: Heute Nachmittag (15.20 Uhr) trifft Patrick Fischers Team auf den amtierenden Weltmeister Kanada. Und am Dienstag wartet Erzrivale Deutschland.

Die bisherigen Auftritte der SIHF-Auswahl machen Spass – und Lust auf mehr. Diese Dinge fielen in den ersten vier Spielen besonders auf.

Die Maschine

Die Schweizer Hockey-Maschine läuft bereits auf Hochtouren. Alle vier Linien können Torgefahr kreieren und die Verteidigung spielt solide. Natürlich waren die Gegner in den ersten vier Partien noch nicht die Crème de la Crème des Welteishockeys, doch es ist noch nicht sehr lange her, als die Schweiz solche Spiele noch verloren hatte.

Nun gab es vier Mal praktisch keine Zweifel daran, dass die Nati diese Partien erfolgreich abschliesst – auch wenn es zwei Mal vom Resultat her eher eng war. Die Mannschaft von Patrick Fischer dominierte das Chancenverhältnis (xGF%) in allen vier Spielen praktisch nach Belieben.

Gegen Italien etwa – ein Spiel, das in gewissen Kreisen als «durchzogen» erachtet wird – erspielte sich die Schweiz Chancen für fast neun Tore (8,8 Expected Goals). Das gemäss dem Geschehen auf dem Eis engste Spiel gegen Dänemark (2,7 Expected Goals vs 1,4 Expected Goals) wurde klar mit 6:0 gewonnen.

Der Zusammenhalt und die Stimmung in der Mannschaft passt sowieso. Das merkt man, wenn man den Spielern auf der Bank und auf dem Eis zuschaut – es herrscht stets eine gute Stimmung. Und die Special Teams funktionieren ebenfalls: Die Schweiz hat das viertbeste Powerplay und das zweitbeste Unterzahlspiel der WM.

Der Topskorer

Der bislang beste Schweizer Einzelspieler ist etwas überraschend keiner der NHL-Stürmer, sondern Denis Malgin. Der Zürcher hat seine gute Playoff-Form im Koffer nach Helsinki geschleppt und wirbelt durch die gegnerischen Verteidigungslinien.

epa09953543 Switzerland's Dario Simion (R) and Denis Malgin celebrate their second goal during the Ice Hockey World Championship group A preliminary round match between Switzerland and Kazachstan ...
Denis Malgin (links) ist bislang einer der besten Skorer der WM.Bild: keystone

Im Gegensatz zum Olympiaturnier (3 Spiele, 1 Tor) kann Malgin an der WM (4 Spiele, 4 Tore, 4 Assists) sein Spiel so richtig entfalten. Aktuell ist er hinter Tschechiens Roman Cervenka der zweitbeste Skorer der Weltmeisterschaft. Das Eisfeld in Helsinki ist zwei Meter breiter als jenes mit NHL-Massen in Peking. Dieser zusätzliche Platz spielt Malgin in die Karten.

Der Shorthander von Denis Malgin gegen die Slowakei.Video: streamable

Seine Geschwindigkeit und Wendigkeit sind auch den Gegnern nicht verborgen geblieben. So zieht er immer mindestens einen, manchmal auch mehr Gegenspieler auf sich und verschafft so den anderen Mitspielern mehr Platz. Kein anderer Schweizer Spieler war zum WM-Start derart dominant.

Der Unbesungene

Im Schatten von Nico Hischier, Timo Meier und Pius Suter ist ein anderer Schweizer NHL-Akteur so etwas wie der unbesungene Held. Verteidiger Dean Kukan von den Columbus Blue Jackets ist das Arbeitstier in Patrick Fischers Mannschaft. Der Zürcher kommt sowohl in Überzahl als auch in Unterzahl zum Einsatz und erhält von Fischer extrem viel Verantwortung. Als es gegen die Slowakei in der Schlussphase darum ging, die Führung in Unterzahl zu verwalten, stand Kukan gefühlt immer auf dem Eis.

Dass er nicht auffällt, liegt an seinem Spielstil. Kukan ist abgeklärt und unaufgeregt. Der 28-Jährige kommt in der eigenen Zone praktisch nie in Bedrängnis und macht insbesondere im Spielaufbau viele kleine Sachen richtig. So können die Schweizer nicht nur schnelle Gegenstösse lancieren, sondern auch rasch das Geschehen wieder in die gegnerische Zone verlagern.

Spielauslösung mit Dean Kukan – einige Beispiele. Quelle: IIHFVideo: streamable

Obwohl Kukan am meisten Eiszeit erhält, steht er bei den wenigsten gegnerischen Torschüssen auf dem Eis – ein Beweis, wie gut der Verteidiger die eigene Zone im Griff hat. Gestern wurde bekannt, dass der Zürcher in die Schweiz zurückkehrt. Der Klub (vermutlich die ZSC Lions), der sich Kukan angelt, erhält einen sehr wertvollen Spieler.

Die Disziplin

Obwohl schon vieles gut funktioniert, gibt es bei der Nati an diesem Turnier auch noch Steigerungspotenzial, etwa bei der Disziplin. Die Schweiz hat in den ersten vier Spielen noch deutlich zu viele Strafen kassiert – und oft auch in ungünstigen Momenten. Die bislang 63 Schweizer Strafminuten in vier Spielen sind die drittmeisten des Turniers hinter Norwegen und den USA.

Die Mannschaft von Patrick Fischer spielt bislang vorzüglich in Unterzahl und hat auch schon einmal in Unterzahl getroffen. Doch gerade gegen stärkere Gegner wie Kanada, Deutschland oder dann im Viertelfinal geht das vermutlich nicht mehr gut.

Die Goalies

Auch die Torhüter haben an dieser WM bislang noch nicht so überzeugt, wie wir das von ihnen gewohnt sind. Sowohl Leonardo Genoni (in zwei Spielen) als auch Sandro Aeschlimann und Reto Berra (in je einem Spiel) haben bislang mehr Tore erhalten, als es aufgrund der zugelassenen Chancen zu erwarten gewesen wäre. Dies ist ersichtlich in der Statistik «Goals Saved Above Expected», die Expected Goals der Gegner mit den erhaltenen Toren der Schweizer Goalies vergleicht.

Die ersten vier Partien waren für die Goalies aber insofern auch schwierig, weil sie nur wenige Schüsse parieren mussten. Die Nati kontrollierte das Spiel derart gut, dass Genoni und Co. nur alle paar Minuten wirklich eingreifen mussten. Die Partien, in denen sich die Torhüter so richtig profilieren können, kommen erst noch.

Der Ausblick

Es ist relativ logisch, dass die Resultate der Schweizer Nationalmannschaft gut aussehen, hat sie doch gegen drei der vier schwächsten Gegner aus der Gruppe gespielt. Doch die guten Resultate basieren eben auch darauf, dass das Team schlicht und einfach gut gespielt hat. Jetzt geht es darum, diese guten Leistungen auch gegen Gegner wie Kanada oder Deutschland fortzusetzen. Dabei wird es von enormer Wichtigkeit sein, weniger Strafen zu nehmen.

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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Klingsor
21.05.2022 09:49registriert Dezember 2015
Merci Adrian für die spannenden Einblicke. Bitte mehr davon!
Kukans unauffällige aber effektive Spielweise ist glaubs auch einem Sportchef eines Grossclubs in Zürich aufgefallen - die bruachen noch Spieler für ihr neues Stadion 😂
btt: Interessant wären noch: +- Statistiken der Linien, Schussstatistiken, abgefangene Pässe und Checks, usw. Du darfst also gerne noch weiter graben und nach der Vorrunde detaillierter berichten 👌🏻, danke!
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Liebu
21.05.2022 09:50registriert Oktober 2020
Ich denke auch, zu viele Disziplinlosigkeiten können den Schweizern das Genick brechen, egal gegen wen.
Canada ist der erste und einzige wirkliche Brocken in der Schweizer Gruppe, er wird uns zeigen, was das Schweizer Spiel „Wert“ ist und wo noch Anpassungen nötig sind auf den VF.
Heute gilt es Disziplinlosigkeiten abzustellen, eine Top Torhüterleistung und kaltblütige, effiziente Schweizer die leidenschaftlich kämpfen bis zum Schluss.
Zu verlieren gibt es nicht.
Ich freue mich schon jetzt auf ein hoffentlich sehr attraktives, spannendes und gutes Spiel der Nati.
Hopp Schwitz 🇨🇭
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