Die Frage der Weitergabe von Rüstungsgütern aus Schweizer Produktion treibt die Bundespolitik um. Im Parlament sind letzte Woche zwei Vorstösse zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes gescheitert, welche Drittstaaten die Weitergabe dieser Rüstungsgüter an die Ukraine unter gewissen Bedingungen ermöglichen wollten.
Auch den Bundesrat beschäftigt das Thema. Im Anschluss an seine Sitzung vom Freitag bekräftige die Landesregierung per Medienmitteilung, dass sie an der bisherigen ablehnenden Haltung festhalten wolle. Dazu verpflichte ihn nicht nur das geltende Kriegsmaterialgesetz – sondern auch die «Werte der Schweizer Neutralität».
Über diese Werte war über das Wochenende ein bundesrätlicher Fernstreit zu beobachten. Dieser zeigt, dass die Haltungen zur Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern innerhalb des Siebnergremiums erheblich differieren.
In einer Rede in Brugg AG vor den Delegierten der Schweizerischen Offiziersgesellschaft bezeichnete Verteidigungsministerin Viola Amherd (Mitte) die Haltung der Schweiz zur Wiederausfuhr am Samstag als «nicht hilfreich». Dass die Schweiz den «erheblichen neutralitätspolitischen Handlungsspielraum» nicht nutzt, werde im Ausland nicht verstanden.
«Keine meiner Amtskolleginnen und Amtskollegen hat Verständnis dafür, dass wir andere Länder daran hindern, die Ukraine mit dringend benötigten Waffen und Munition zu versorgen», sagte Amherd.
Ganz anders stellte Bundespräsident Alain Berset (SP) in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» die Lage dar. Seit Anfang Jahr habe er viele Kontakte zu ausländischen Staats- und Regierungschefs gehabt. Diese seien eine gute Gelegenheit gewesen, die Position der Schweiz zum Thema Wiederausfuhr zu erklären: «Diese wird in der Regel gut verstanden.»
Zur Kritik aus Deutschland oder Frankreich sagte Berset, es dünke ihn nicht angemessen, von der Schweiz zu verlangen, «dass wir unser geltendes Recht missachten».
Die Position des Bundesrates sei klar und entspreche auch seiner persönlichen Haltung: «Schweizer Waffen dürfen nicht in Kriegen zum Einsatz kommen», sagte Berset. Die jüngsten Debatten im Parlament zeigten, dass die Haltung der Regierung dort weiterhin gestützt werde.
Im Interview warnte Berset davor, sich von kurzfristigen Überlegungen «zu Entscheidungen hinreissen lassen, deren Konsequenzen wir nicht abschätzen können». Die Schweizer Neutralität sei mehr als eine Phrase. Sie stehe für das Bekenntnis zum humanitären Recht, zu den Menschenrechten, zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Genfer Konventionen: «Es wäre extrem gefährlich, diese fundamentalen Prinzipien nun über Bord zu werfen».
Eine mögliche Erklärung für die unterschiedliche Wahrnehmung innerhalb des Bundesrats lieferte Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) Ende Februar im Interview: Viola Amherd höre das Unverständnis bezüglich Waffenlieferungen vielleicht etwas lauter, weil sie als Verteidigungsministerin viel mit anderen Verteidigungsministern spreche: «Meine Gesprächspartner, die Aussenminister, formulieren das diplomatischer.» (aargauerzeitung.ch)
Die Erklärung würde mich auch interessieren, was kein Kopfschütteln auslösen würde.