Noch selten hat eine Personalie im Trainerstaff eines WM-Teams für so viele Schlagzeilen gesorgt wie in diesem Jahr: Mit Jessica Campbell gehört bei Deutschland zum ersten Mal eine Frau zum Trainerstaff eines Männer-Teams. Die 29-jährige Kanadierin ist beim DEB-Team Assistenztrainerin von Headcoach Toni Söderholm. Weil der Deutsche Eishockey-Bund so viele Medienanfragen kriegte, wurde am Mittwoch allein für Campbell eine Pressekonferenz arrangiert.
Im Trainingsanzug stellte sich die ehemalige kanadische Nationalspielerin und WM-Silbermedaillen-Gewinnerin von 2015 den Fragen, nachdem sie zuvor auf dem Eis noch NHL-Star-Verteidiger Moritz Seider ein paar Tipps gegeben hatte. «Das Interesse an mir ist toll», erklärte sie vor versammelter Journalisten-Schar. Ihr Ziel sei immer gewesen, als Trainerin auf dem höchsten Level zu arbeiten – ob Männer-Sport oder Frauen-Sport, sei nicht so wichtig. «Ich will das Beste aus meinen Fähigkeiten machen und konzentriere mich aufs Coachen. Wenn ich den Weg für andere bereite, ist das toll.»
Campbell, ansonsten in der NHL als eigenständige Lauf- und Techniktrainerin unterwegs, stand in der abgelaufenen DEL-Saison schon als Assistentin von Tom Rowe an der Bande der Nürnberg Ice Tigers und überzeugte offenbar. Ihr dortiger Chef wurde von Söderholm für die WM als Co-Trainer angefragt und empfahl Campbell gleich mit. Sechs Gespräche mit Söderholm später war klar, dass die Kanadierin mit nach Finnland darf.
«Für mich ist die Jessica eine Co-Trainerin – völlig egal, ob das eine Frau oder ein Mann ist. Ich hoffe, dass wir diese Diskussion auch nicht mehr weiter führen müssen», erklärte Söderholm Campbells Berufung. Beim DEB-Team ist die einstige Stürmerin für das Unterzahlspiel und die individuelle Entwicklung der Spieler verantwortlich. «Sie hat eine andere Sicht, wie man einige Spielszenen gestalten kann. Das will ich haben», so der DEB-Headcoach. «Sie sucht nach Lösungen und hat ein sehr gutes Auge für technische Feinheiten. Ausserdem kommuniziert sie sehr gut mit den Spielern. Wenn ich zwei, drei Sätze rede, redet sie vielleicht einen Satz.»
Die Chemie mit dem Team hat dann auch sofort gepasst. «Wenn man als Coach in die Kabine kommt, muss man mit Kompetenz überzeugen», erklärte Captain Moritz Müller und fügte an: «Und sie hat sofort überzeugt. Sie macht einen tollen Job und wird respektiert von den Jungs. Sie hat die Expertise und damit auch von Tag eins den Respekt der Truppe gehabt.» WM-Debütant Alexander Ehl ergänzte: «Alle freuen sich, dass so eine Superfrau wie die Jessica dabei ist, von der können wir viel lernen.»
In der Schweizer Gruppe A sind Campbell und ihre Jungs dank zwei Siegen und einer Niederlage gegen Kanada derzeit auf Kurs. Das erklärte Ziel ist zunächst der Viertelfinal: Um diesen sicher zu erreichen, braucht es in den kommenden drei Spielen aber mindestens noch zwei Siege. Dann könnte man sich im abschliessenden Gruppenspiel gegen die Schweiz wohl sogar eine Niederlage erlauben.