Die Spekulationen um Kim Jong Un nehmen weiter zu. Laut dem amerikanischen Fernsehsender CNN nahm der nordkoreanische Führer nicht an der jährlichen Zeremonie zur Gründung der kommunistischen Arbeiterpartei in Nordkorea teil. In den Jahren zuvor hat Kim Jong Un in aufwendigen Zeremonien jeweils um Mitternacht die Schreine seines Grossvaters und Vaters besucht, seinen Vorgängern an der Spitze des kommunistischen Staates. Der staatliche Fernsehsender KCNA, der die Feierlichkeiten jeweils übertragen hatte, verlor über das Fernbleiben des Diktators kein Wort.
Kim Jong Un hatte sich zuletzt Anfang September in der Öffentlichkeit gezeigt. Seither fehlt jede Spur des autoritär regierenden Machthabers. Staatliche Medien erklärten, Kim Jong Un fühle sich unwohl. Die Abwesenheit an den Feierlichkeiten befeuern die Spekulationen um den Gesundheitszustand des Diktators. Die Vermutungen reichen von einer Knöchelverletzung bis hin zu Diabetes. Andere Beobachter sprechen von einem möglichen Machtwechsel in dem abgeschotteten Land.
Asien-Experte Felix Patrikeeff von der Universität Adelaide erklärte gestern in einem Spiegel-Artikel, dass die Feierlichkeiten zum 69. Jahrestag der Gründung des nordkoreanischen Arbeiterpartei ein Termin sei, den Kim Jong Un nicht auslassen könne. «Wenn Kim dort nicht auftaucht, könnte wirklich etwas passiert sein in Nordkorea», so Patrikeeff. Insbesondere südkoreanische Analysten halten einen Putsch im Nachbarland für wahrscheinlich.
Dass sich die nordkoreanischen Potentaten aus der Öffentlichkeit zurückziehen, ist allerdings kein neues Phänomen. Bereits Kim Jong Uns Vater Kim Jong Il und Grossvater Kim Il Sung haben sich jeweils über längere Zeit von öffentlichen Auftritten ferngehalten. Laut Spiegel dienten diese Phasen meist der Konsolidierung der Macht.
Verschiedene Stimmen sprechen davon, dass Kims Schwester, Kim Yo Jong, an einem Umsturz beteiligt sein könnte. Bekannt ist, dass Yo Jong, die zusammen mit ihrem Bruder eine Privatschule in Bern besucht haben soll, als persönliche Assistentin Kims eine wichtige Rolle in der nordkoreanischen Politik spielt.
Mit der Abwesenheit Kims einhergegangen sind zaghafte diplomatische Annäherungen. So hatten hochrangige Behördenvertreter in den letzten Tagen erklärt, die auf Eis gelegten Sechs-Parteien-Gespräche über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm wieder aufnehmen zu wollen. Zudem haben Offizielle am vergangenen Samstag dem Nachbarland Südkorea einen Besuch abgestattet. Nur zwei Tage später jedoch sind bei Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Ländern Schüsse gefallen. (wst)