Daniela Ryf pulverisierte im letzten Jahr den Streckenrekord des legendären Ironman Hawaii. Auch in dieser Saison dürfte kein Weg an der 29-jährigen Solothurnerin vorbeiführen.
Daniela Ryf, wo erreichen wir Dich gerade?
Daniela Ryf: Ich bin seit ein paar Tagen in St.Moritz und mache den Aufbau für den Ironman in Nelson Mandela Bay (Port Elizabeth) in Südafrika anfangs April. Die letzten zwei Wochen habe ich viel trainiert. Die Höhe hier hilft und die Bedingungen sind gut. Mein Trainer wohnt ja auch hier. Ich bin viel auf den Rollen und auf dem Laufband. Zur Abwechslung betreibe ich Langlauf oder fahre Ski.
Ist Skifahren nicht zu gefährlich für eine Spitzensportlerin?
Natürlich fahre ich nicht volle Kanne. Ein Unfall kann auch auf dem Velo passieren. Ich sehe das nicht mehr so eng. Seit einem Jahr fahre ich wieder Ski. Das ist auch als Training nicht so schlecht, wenn ich von oben bis unten durchfahre geht es schon in die Oberschenkel und hilft für die Kraftausdauer. Es ist ein gutes Ausgleichstraining.
Wir würden Dich also nicht auf der Sonnenterrasse eines Pistenrestaurants treffen?
Doch, natürlich mache ich auch mal Pause und geniesse das Wetter. Aber wenn ich fahre, dann wenn möglich in einem Stück. «Socialisen» und plaudern kann ich dann auf dem Lift wieder.
Du bist ja auch nationale Botschafterin für den «Wings for Life Run» am 7. Mai. Läufst Du auch mit?
Ja, das ist so geplant. Ich war ja auch die letzten drei Jahre mit dabei. Der Event ist cool, die Atmosphäre ganz speziell. Das erlebe ich sonst nicht, dass der Mitmach-Gedanke über allem steht. Die Leute sind so viel entspannter.
Nimmst Du dir trotzdem ein Ziel für den Lauf vor?
Nein, ich habe kein Ziel. Oder wenn, dann würde ich es jetzt noch nicht kennen. Einmal sagte mein Trainer, ich soll so weit rennen, wie ich mit gutem Tempo könne. Das waren dann 45 Kilometer. Die letzten beiden Jahre lief ich einfach rund 20 Kilometer, das war dann in lockerem Tempo.
Was ist dein wichtigster Tipp an Amateure, die da mitmachen wollen?
Die trainierten Amateure brauchen meine Tipps nicht (lacht.). Beim Lauf geht es ja nicht um den Sieg, sondern um den Spass. Wichtig ist einfach: Nicht zu schnell starten. Setz dir ein realistisches Ziel für deine Distanz. Wenn du das dann übertriffst, ist es umso schöner.
Man läuft bei «Wings for Life» ja für Menschen, die eben nicht mehr laufen können. Wie wäre es für dich, wenn die Bewegung plötzlich fehlen würde?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Es nimmt so einen grossen Teil in meinem Leben ein. Bewegung und Laufen bedeuten für mich Freiheit. Für das bin ich auch mega dankbar. Mein Körper ist mein Kapital. Man vergisst manchmal, dass das nicht selbstverständlich ist. Man soll es darum nutzen können, auch wenn es manchmal bequemer wäre, auf dem Sofa zu bleiben, statt ins Training zu gehen.
Diese Momente, dass du lieber auf dem Sofa bleiben würdest, kennst du aber auch?
Es gibt Tage, an denen bin ich müde oder sonst irgendwie nicht fit, klar.
Und was hilft dagegen?
Die letzte Option ist Koffein oder Zucker, um dir einen Kick zu geben. Aber eigentlich ist es eine Grundeinstellung, eine Gewohnheit für mich. Ich bin auch kein Morgenmensch, stehe nicht so leicht auf. Aber Training ist für mich, wie für andere, wenn sie zur Arbeit gehen. Es gibt Tage da läuft es besser, an anderen etwas weniger.
Wer mit Ausdauersport nichts anfangen kann, sagt schnell einmal, dass das alles langweilig ist. Egal ob Schwimmen, Velofahren oder Laufen, man ist immer im gleichen Trott. Was hältst du dagegen?
Ich frage mich manchmal auch, wie jemand die ganze Nacht ein Rennen von mir schauen kann. Ob die da nicht einschlafen? (lacht). Ich habe im Rennen Phasen, die mir lange vorkommen. Aber ich schaue das anders an: Wir haben eigentlich alle die gleiche Vorgabe, wir haben einen Körper zur Verfügung. Du kannst damit auf dem Sofa sitzen, trinken und rauchen. Ich versuche meinen Körper zu einer Maschine zu «tunen» und will schauen, was möglich ist.
Was löst eine Ausdauerleistung auf hohem Niveau bei dir aus?
Du kannst über dich hinauswachsen und Grenzen erfahren. Manchmal kommst du an einen Punkt, an welchem du sehr ehrlich zu dir sein musst. Die mentale Stärke ist wichtig. Du darfst keine negativen Gedanken zulassen. Ich habe anfangs nie gedacht, dass so eine Leistung wie beim letzten Ironman auf Hawaii möglich ist, wo ich fast neun Stunden auf absolutem Topniveau unterwegs war. Zu merken, dass so etwas «funktioniert», das fasziniert mich.
Du sprichst deinen Streckenrekord in Hawaii an. Um fünf Minuten hast du die alte Bestzeit unterboten. Seit zwei Jahren hat man bei dir das Gefühl, es geht immer noch besser. Was ist noch möglich?
Ich will nicht übermotiviert wirken. Die letzten Jahre liefen sehr gut für mich. Da hat halt auch alles gestimmt. Hawaii 2016 hat mich auch selbst etwas umgehauen. Dieses Rennen zu toppen, wird schwierig. Auch die Umstände mit dem Wind und allem passten. Ein Ironman hat auch viel mit Erfahrung zu tun. Knackpunkt war immer, dass ich nach dem Velo keine Kraft mehr fürs Laufen hatte. Daran habe ich gearbeitet. Ich bin überzeugt: Wenn ich auf dem Velo noch besser werde, kann ich auch schneller laufen.
Du hast alles gewonnen, was man in der Langdistanz gewinnen kann. Was reizt Dich noch?
Der Weltrekord ist eine Zeit, die mich fasziniert. In Hawaii ist der nicht möglich. Das muss bei einem Rennen in Europa sein. (Anmerkung der Redaktion: der Weltrekord liegt aktuell bei 8:18.13 Stunden, aufgestellt im deutschen Roth. Ryf absolvierte die Distanz dort schon in 8:22.04 Stunden)
Und Olympia bleibt kein Thema mehr?
Solange das aktuelle Format bei Olympia bestehen bleibt nicht. Ich habe in der Langdistanz meinen «Sandkasten» gefunden. Die Distanz ist zu kurz für mich.
Was gefällt Dir an der Länge der Ironman?
Ich habe noch immer Respekt von der Distanz. Ich würde nie einen Ironman absolvieren, wenn ich nicht trainiert wäre, dann ist er ewig lang und mit unendlich Schmerzen verbunden. Darum denke ich auch bei kleineren Motivationsproblemen oft: Du gehst besser trainieren. (lacht).