Meinbild war eines der ersten und einst erfolgreichsten sozialen Netzwerke der Schweiz. «Zu ihren besten Zeiten hatte die Plattform 120'000 registrierte Nutzer und über eine Million Fotos online, noch bevor Facebook und Konsorten überhaupt das Licht der Welt erblickten», schreibt Vice in einem lesenswerten Porträt über Jvo Maurer, Gründer von Meinbild. 1999 hatte der damals erst 19 Jahre alte Programmierer meinbild.ch innerhalb von zwei Tagen entwickelt. Jahre also, bevor ein gewisser Mark Zuckerberg auf die Idee kam, Facebook zu lancieren.
Damals gab es an zahlreichen Schulen private, von Internet-affinen Schülern erstellte Webseiten, die es den Freunden und Kollegen erlaubten, Porträtfotos ins Netz zu stellen (statt sie im Portemonnaie zu sammeln). Die meisten dieser Foto-Galerien verschwanden rasch wieder, Meinbild aber startete durch.
Zwischen 2000 und 2006 war Meinbild «für eine ganze Generation von Halbwüchsigen der erste Kontakt mit Social Media», erzählte Maurer dem Onlineportal Vice. Auf dem Höhepunkt der Popularität wollte die Post die Plattform für «einen hohen sechsstelligen Betrag» kaufen. Der Gründer aber mochte sein Baby nicht verkaufen und rannte aus dem Sitzungszimmer. Doch dann setzte der rasante Abstieg ein, befeuert durch interne Querelen und dem Siegeszug von Facebook und Netlog in der Schweiz.
Und heute? «END OF LIFE - Wir stellen den Betrieb von meinbild.ch per November ein», lautet die knappe Nachricht auf der Website. Facebook machte Zuckerberg zu einem der reichsten Menschen der Welt, Meinbild hat ihren Gründer ans Existenzminimum getrieben.
Das direkte Erbe von Meinbild traten nicht etwa heute bekannte Namen wie Instagram oder Snapchat an. Zuvor kam ab 2007 Netlog auf, von den besonders Coolen Netloq genannt. Das soziale Netzwerk war bei Schülern die klare Nummer eins, während Facebook zu jener Zeit vor allem Studenten anzog.
Die Geschichte von Netlog begann bereits 1999 im belgischen Gent. Dort programmierten Lorenz Bogaert und Toon Coppens die Webseite asl.to (heute offline), die sich an Jugendliche richtete und die später in Facebox umbenannt wurde. Aus der Webseite entstand 2007 Netlog. «Netlog wurde in fünfzehn europäischen Sprachen betrieben und wurde laut eigenen Angaben von über 100 Millionen Mitgliedern genutzt», weiss Wikipedia. Im deutschsprachigen Raum hatte Netlog rund drei Millionen Nutzer.
2014 war Schluss. Gegen Facebook konnte auch Netlog nichts ausrichten. Die verbliebenen Nutzer erhielten eine E-Mail, die den Schlussstrich verkündete: «Nach 7 tollen Jahren müssen wir leider das Ende von Netlog verkünden. Es hat viel Spass gemacht. Vielen Dank, dass du Teil dieses Abenteuer warst!»
Millionen Nutzer-Profile verschwanden im Nirvana. Über Umwege sollten alte, nicht gelöschte Profile noch bis 2018 einsehbar gewesen sein. Im Juli 2018 folgte eine weitere böse Überraschung: Die früheren Netlog-Betreiber informierten, dass ihre Benutzerdatenbank bereits im Dezember 2012 gehackt worden war. Das habe man erst jetzt erfahren. Ehemalige Netlog-Nutzer sollten daher ihr altes Passwort auf keinen Fall auf anderen Webseiten oder Apps weiter nutzen, da es mit grösster Wahrscheinlichkeit in den Händen von Kriminellen ist.
Auf der Webseite haveibeenpwned.com kann man übrigens prüfen, ob man von einem bekannten Datendiebstahl betroffen ist.
Rotten.com war zwischen 1997 und 2012 die wohl ekligste Website im Netz und mit Sicherheit auch eine der skandalträchtigsten. Als Prinzessin Diana 1997 bei einem Autounfall ums Leben kam, publizierte Rotten kurz darauf ein angebliches Foto des Unfalls. Darauf zu sehen ein blutender Körper einer blonden Frau, eingeklemmt im Autowrack. Das Foto entpuppte sich als Fälschung, aber die Medienberichte über die Webseite, die schon vor über 20 Jahren Fake-News verbreitete, machten die makabere Seite über Nacht weltweit bekannt.
Kaum ein Schüler, der damals nicht von Föten in Einmachgläsern und vergewaltigten Fischen das Würgen bekam. Rotten war das selbsternannte «Archiv verstörender Illustrationen». Das Gruselkabinett des frühen WWW zeigte «entstellte Mordopfer, Leichenbilder von Prominenten (von Stalin bis Tupac), Menschen mit körperlichen Missbildungen, Aufnahmen von ungewöhnlichen Genitalen oder verstörende sexuelle Aktivitäten», beschreibt die «Süddeutsche Zeitung» den Inhalt von Rotten.
Hinter Rotten steckte Thomas E. Dell, ein Software-Entwickler, der für bekannte Firmen wie Apple und Netscape arbeitete. Dell nutzte die Webseite zuerst, um seine Sammlung makabrer Bilder, die er gekauft oder ersteigert hatte, zu präsentieren. Später veröffentlichten Dell und seine Mitstreiter von den Nutzern eingeschickte Schock-Fotos.
Ab Mitte der Nullerjahre liefen Reddit und 4chan Rotten den Rang ab.
Status heute: offline.
1999 ging der wohl legendärste Chat der Schweiz online. Nur zwei Jahre später war der Bluewin Chat der beliebteste Chat der Schweiz. Die Chaträume boten die Möglichkeit, Gleichgesinnte im noch jungen WWW zu finden.
Die damalige Bluewin AG setzte bereits 2001 über 100 Chat-Operatoren ein, die bei Bedarf eingriffen, Nutzer verwarnten oder im Extremfall sperren konnten. 2004 brauchte es 350 Operatoren, um die Chats zu überwachen. Das war auch dringend nötig, denn der populäre Chat zog ungebetene Gäste an. Immer wieder wurden Kinder von Pädophilen belästigt.
Damals diskutierten in den Abendstunden bis zu 2000 Menschen gleichzeitig in einem der zahlreichen Chat-Räume. Mitte der Nullerjahre zählte der Bluewin Chat rund 80'000 Nutzer, von denen in Spitzenzeiten 6000 gleichzeitig online waren.
Mit dem Aufkommen von Facebook begann der rasche Abstieg. 2009 war der Chat wieder auf dem Niveau von 2001 angelangt, obwohl nun weit mehr Menschen einen Internetanschluss hatten. Das bedeutete das Aus für den legendären Chat.
Swisscom zog den Stecker aber nicht nur wegen den sinkenden Nutzerzahlen, vielmehr fürchtete sich der Konzern vor einem Imageschaden, da sich die Schlagzeilen über Belästigungen im Chat häuften. «Wir wollen nicht länger mit rufschädigenden Aktivitäten in Verbindung gebracht werden», begründete der damalige Swisscom-Unterhaltungschef Felix Graf in der «Sonntagszeitung» das Ende des beliebtesten Schweizer Chats.
Einige Chat-Moderatoren waren mit dem Aus nicht einverstanden und riefen den Nachfolge-Chat Chatmania ins Leben. Der neue Chat kämpfte mit den gleichen Problemen. Ende August 2018 wurden auch bei Chatmania die Lichter gelöscht.
Ab 1999 war der Gratis-Jass der Swisscom ein beliebter Online-Treffpunkt von Jass-Freunden. Doch spätestens im Jahr 2012 war es mit der Idylle vorbei: «Knatsch, Wyys, Stich: Im Bluewin-Jass tobt der Kleinkrieg», lautete damals die Schlagzeile. Drohungen und Beleidigungen unter Online-Jassern, die sich anonym wähnten, nahmen zu, da der Chat kaum noch überwacht wurde. Mitte 2012 stellte Swisscom den Jass-Chat ab.
Der Bluewin-Jass selbst wurde erst 2018 durch den Jass Fédéral abgelöst, der neu auch auf Smartphones, Tablets und dem TV-Gerät gespielt werden kann.
Youths.ch wurde 2002 von zwei Kantonsschülern gegründet. Die Plattform entwickelte sich schnell zum beliebtesten Internettreffpunkt der Jugendlichen aus den Regionen Zofingen und Aarau.
Mitte der Nullerjahre gehörte Youths hierzulande nebst Meinbild zu den beliebtesten Jugendplattformen. Es ging darum, Leute kennenzulernen oder einfach im Forum über Gott und die Welt zu diskutieren. In die Medien kamen die Vorläufer von MySpace, Facebook und Co. aber auch, weil Pädophile via Chat Schritt für Schritt das Vertrauen von Kindern erschlichen und mit fiesen Tricks erpressten, wen diese ein Treffen ausschlugen.
2009 war es auch um Youths geschehen. Heute steht die Intenet-Adresse zum Verkauf.
Swisstalk gehörte zu den Chat-Pionieren der Schweiz. Bereits 1999 zählte die Plattform 40'000 Nutzer, die oft bis in die Morgenstunden im Chat diskutierten. Mehrere zehntausend Mitglieder war damals eine gewaltige Zahl, wenn man bedenkt, dass Ende der 90er viele Haushalte noch gar nicht online waren. Vor knapp 20 Jahren war Swisstalk laut Eigenaussage der populärste Internet-Dienst der Schweiz mit monatlich 1,2 Millionen Seitenaufrufen.
Wie jeder Chat war auch Swisstalk anfällig für Missbräuche und geriet immer wieder wegen sexuellen Belästigungen von Minderjährigen in Verruf. Wenn sich Polizisten oder Journalisten in den Chats als «Ballerina15» ausgaben, dauerte es meist nur Sekunden, bis zwielichtige Gestalten mit eindeutigen Absichten anbissen.
Microsoft etwa machte seinen um die Jahrtausendwende beliebten MSN-Chat bereits 2004 mit der Begründung dicht, man wolle Kinderpornografie und anderen Missbräuchen entgegenwirken. Grosse Firmen fürchteten um ihr Image, wenn sie mit Missbrauchsfällen in ihren Chats in Verbindung gebracht wurden. Swisstalk hingegen, zeitweise der grösste Chat der Schweiz, hielt bis vor drei Jahren durch. Am 31. März 2015 wurden auch bei Swisstalk die Lichter für immer gelöscht.