Besonders gross war das Interesse am Montagabend nicht, als in Bern die Monsterdebatte über die SVP-Selbstbestimmungsinitiative zum dritten und letzten Mal in dieser Session auf dem Programm stand.
Als der Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri die Debatte um 20 Uhr eröffnete, waren nur etwas mehr als ein Dutzend Volksvertreter im Saal anwesend.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ergriff in der Folge das Mikrofon und verlangte eine Prüfung des Quorums. Für eine gültige Debatte müssen 101 Ratsmitglieder anwesend sein. Dies besagt das Ratsreglement.
Für viele Anwesende war Aeschis Forderung nach einem Quorum ein Novum. Normalerweise wird dies nicht gefordert. SVP-Politikerin Yvette Estermann, seit elf Jahren Ratsmitglied, erlebte dies zum ersten Mal.
Der blaue Knopf drücken um die Anwesenheit den Nationalräten festzustellen... Für mich, das erste Mal nach 11 Jahren. pic.twitter.com/adWiF1WcSc
— Yvette Estermann (@Yvette67Yvette) 11. Juni 2018
Doch Aeschis Worte blieben nicht ungehört, plötzlich strömten die Parlamentarier aus der Wandelhalle herbei, bis sich 125 Personen im Saal befanden.
Ein Blick auf die Anwesenheitsliste zeigte schnell: Ausgerechnet Aeschis Partei, die SVP, war von den grossen Parteien am schlechtesten vertreten.
Und von der SVP: Lediglich 30 von 67 Mitgliedern anwesend.
Als «lächerlich» bezeichnete FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen das Manöver von Aeschi.
Ein Wort: Lächerlich! #SVP #Aeschi verlangt Präsenzabstimmung im Nationalrat und die eigene Fraktion fehlt am meisten. Debatte zur #SBI entgleist. pic.twitter.com/zA9ukPGGz1
— Christian Wasserfallen (@cwasi) 11. Juni 2018
Das «SVP-Kasperli-Theater» geht weiter, kommentierte der Grüne Bastien Girod.
SVP-Kasperli-Theater geht weiter: Aeschi verlangt Quorum und SVP ist selber am schlechtesten anwesend.. pic.twitter.com/Eir62FAltb
— Bastien Girod (@bastiengirod) 11. Juni 2018
Ein misslungener «Spitzbubentrick» war es für SP-Fraktionschef Roger Nordmann.
Die SVP verlangt Prüfung des Quorum und ist zum grossen Teil selber nicht im Saal. Für die eigene Volksinitiative. #spitzbubentrickmisslungen. #sbinein pic.twitter.com/QdTjKNU3rz
— Roger Nordmann (@NordmannRoger) 11. Juni 2018
Derweil konnte Grüne-Nationalrätin Sibel Arslan ob des Eigentors der SVP ihre Freude nicht ganz verbergen.
Für die SVP ist jedes Mittel recht! Quorum verlangen und dann selber nicht da sein? 🤨😂 👏🏻👏🏻👏🏻@ParlCH #Selbstbestimmungsinitiative Nein! pic.twitter.com/t3Mqcwl7mo
— Sibel Arslan (@SibelArslanBS) 11. Juni 2018
Um 23.37 Uhr war Debatte um die Selbstbestimmungsinitiative zu Ende. Der Nationalrat lehnte das Begehren mit 127 zu 67 Stimmen ab.
Ihre politischen Gegner hatten der SVP vorgeworfen, die Partei wolle die Diskussion künstlich in die Länge ziehen, damit die Schlussabstimmung zu diesem Geschäft erst in der Herbstsession hätte stattfinden können. Damit hätte sich auch der Termin für eine Volksabstimmung nach hinten verschoben.
Die SVP hoffte auf einen Urnengang zur Selbstbestimmungsinitiative möglichst kurz vor eidgenössischen Wahlen 2019. Die erhöhte Aufmerksamkeit für ihr Kernthema sollte ihr zusätzliche Wählerstimmen verschaffen, so das Kalkül.
38 Abgeordnete standen für Montag auf der Rednerliste. Jeder darf maximal fünf Minuten sprechen. Das ergab nochmals über drei Stunden Debatte, nachdem das Geschäft bereits vorletzte Woche zwei Stunden und vergangenen Mittwoch dreieinhalb Stunden in Anspruch nahm.
Zitat:
"vermuten, dass die SVP die Diskussion künstlich in die Länge ziehen möchte, damit die Abstimmung erst in der Herbstsession stattfinden kann. "
Das geht im Nationalrat?