Das Flaggschiff der von Moskau finanzierten Medien in Deutschland ist RT DE, das steht - wenn auch nicht offiziell - für Russia Today Deutschland. Noch gibt es den 2014 gegründeten Medienkanal nur auf einer Webpage. In den News- und Hintergrund-Berichten werden Massnahmen in der Corona-Pandemie angezweifelt, die Krim-Annexion als Wiedereingliederung der Schwarzmeer-Halbinsel in die russische Föderation verklärt oder die Verantwortung Russlands für den Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny zurückgewiesen.
RT DE erreicht ein wachsendes Publikum im deutschsprachigen Raum. In sozialen Medien oder via YouTube werden die Beiträge hunderttausendfach geteilt. RT DE - dessen jährliches Budget von 30 Millionen Euro zu 100 Prozent aus dem russischen Staatshaushalt fliesst - möchte mehr und hat eine Sendelizenz beantragt. Experten und der deutsche Geheimdienst beobachten die Medienoffensive aus Moskau mit Sorge: RT DE verfolge das Ziel, Politik und Gesellschaft durch gezielte Propaganda zu destabilisieren. Wir fragen nach.
«Die russischen Staatsmedien verfahren stets nach dem gleichen Muster», sagt Osteuropa-Historikerin Susanne Spahn. Die 49-Jährige erforscht den Einfluss von RT DE seit sieben Jahren. «Es werden in den Berichterstattungen Fakten geschickt mit Fake-News und Verkürzungen kombiniert». RT DE verfolge das Ziel, «unsere Demokratie anzugreifen und unser System als nicht funktionierend darzustellen». RT DE nutze Krisen wie Corona, die Flüchtlingskrise 2015 oder den Brexit dafür aus, um den Kollaps der westlichen liberalen Gesellschaft und der EU zu prophezeien.
RT DE würde russlandfreundlichen Kräften - vor allem aus AfD und der Linkspartei - breiten Raum einräumen. Systemkritiker seien regelmässige Gäste in Sendungen von RT DE. Parlamentarier-Delegationen der beiden Parteien würden nach Moskau oder auf die Krim eingeladen, worüber RT und andere russische Medien berichten. «Mit Hilfe dieser Berichte kann der Kreml die russische Aussenpolitik gegenüber dem Westen und der eigenen Bevölkerung legitimieren. Die Botschaft: Schaut her, sogar deutsche Abgeordnete bescheinigen, dass die Wahlen auf der Krim frei und fair waren».
Berichte über angeblich vor dem Kollaps stehende westliche Demokratien werden im deutschsprachigen Raum hunderttausendfach geteilt und über Kanäle wie Facebook und Youtube verbreitet, wo sich viele Unzufriedene animiert fühlten, den Kampf gegen das System aufzunehmen. Putin verfolge auch eine innenpolitische Strategie: «Schon zu Sowjet- und Stalin-Zeiten wurde das Feindbild West dafür herangezogen, das Volk hinter der eigenen Führung zusammenzuscharen. Es wird die Festung Russland geschaffen, die angeblich bedroht ist durch die Nato, die EU und die USA».
Im März 2021 kündigte der Journalist Daniel Lange seine Arbeitsstelle bei RT DE nach fünfjähriger Tätigkeit. Als der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny im Sommer 2020 nach dem Giftanschlag mit dem Nowitschok-Nervenkampfstoff in Berlin um sein Leben kämpfte - internationale Experten vermuten den russischen Geheimdienst hinter dem Anschlag - , wurde es dem Journalisten unwohl in seiner Haut. «Ich habe mich gefühlt, als müsse ich für den Kreml Nawalny und dessen Umfeld ausspionieren».
Lange wurde von seinen Moskauer Vorgesetzten gemäss eigenen Angaben über den verschlüsselten Messenger-Dienst «Telegram» Aufträge für Nachforschungen rund um den im Spital liegenden Kreml-Kritiker erteilt. Lange sollte sich unter anderem Zutritt in die Berliner Charité verschaffen. «Finde heraus, wo Nawalny auf der Intensivstation liegt», habe der Auftrag gelautet. Er solle berichten, wie viele Checkpoints er zu überwinden habe. Wenig später sollte Lange herausfinden, wo sich Nawalnys Frau und ein Vertrauter Nawalnys in Berlin aufhalten. «Ich fühlte mich wie ein Agent im Dienste Moskaus. Ich wollte nicht derjenige sein, der Kreml-Kritiker ausliefert. Es wurden schon andere offensichtlich Opfer von Giftanschlägen».
Alexander Korostelev bittet zum Gespräch in ein Bürohaus an der Lennéstrasse in Berlin, nahe des Regierungsviertels. Die Räumlichkeiten werden von der russischen Nachrichtenagentur Ruptly angemietet, die neue RT DE-Redaktion ist noch nicht bezugsbereit. Korostelev will das Russland-Bild korrigieren: «Ich möchte Russland dem deutschsprachigen Raum näher bringen», sagt er in akzentfreiem Deutsch. Geboren in Sibirien, in den 1990er Jahren mit der Familie nach Hamburg gezogen, danach Kaliningrad und nun wieder Deutschland.
Die Kritik an RT DE weist er zurück. «Dass man RT so darstellt, als seien wir eine Gefahr, die Gruppen für perfide Zwecke instrumentalisiert, entspricht absolut nicht der Realität». Seine Journalisten würden den Fokus anders legen als andere deutsche Medien, da liege der Unterschied. Es sei doch legitim, die russische Sicht darzustellen. «Wenn sich Russland zu Wort meldet, heisst es sofort, wir würden Propaganda betreiben und versuchen, einen Keil durch Europa zu treiben».
Obschon RT DE aus dem russischen Staatshaushalt finanziert wird, zeichne sich RT DE durch besondere Unabhängigkeit aus, sagt er. «Wir haben keine Seilschaften in Politik und Wirtschaft». Die weite Verbreitung der RT DE-Berichte via soziale Medien sei Indiz dafür, dass sich viele Menschen eine andere Sicht auf die Dinge wünschten. Russland werde in Europa mit «Argwohn, Skepsis und Aggressivität» begegnet. RT DE wolle helfen, dieses Bild zu verändern. Korostelev will so viele Menschen wie möglich erreichen - auch in der Schweiz. «Ich würde mich über ein Korrespondentenbüro in Bern freuen». (bzbasel.ch)
Leider wird wohl zu vieles von einigen für bare Münze genommen und nicht hinterfragt. Also wohl eher eine schlechte Idee.