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Facebook: Userin stirbt, Eltern wollen Zugriff auf Konto

Warum die Facebook-Seite eines toten Mädchens die Juristen beschäftigt

Es ist eine tragische Geschichte, die heute von Deutschlands höchsten Richtern behandelt wird. Auf der Suche nach Antworten haben sich die Eltern einer toten Facebook-Nutzerin durch alle Instanzen geklagt.
11.07.2018, 10:2011.07.2018, 10:57
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Wollte ihre Tochter sterben – oder war es ein Unglück? Der Tod einer 15-Jährigen in einem Berliner U-Bahnhof lässt den Eltern auch Jahre später keine Ruhe. Antworten erhoffen sie sich von privaten Inhalten der gesperrten Facebook-Seite des Mädchens.

Die obersten Zivilrichter am deutschen Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe könnten den Konzern an diesem Donnerstag zwingen, den Erben das Konto freizugeben. Experten hoffen, dass das Urteil die Rechtslage zum digitalen Nachlass generell klärt.

Das Mädchen war Ende 2012 vor eine U-Bahn gestürzt, wenig später starb es im Krankenhaus. Die Eltern glauben, dass ihre Tochter über Facebook vielleicht Nachrichten ausgetauscht hat, die Aufschluss über die Tage vor ihrem Tod und mögliche Suizidmotive geben.

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Nach eigener Aussage haben die Eltern das Passwort. Sie können sich aber nicht mehr anmelden, weil Facebook das Profil im «Gedenkzustand» eingefroren hat. Die Seite wird damit zu einer Art virtuellem Kondolenzbuch für die Bekannten der Toten.

Ein Facebook-Nutzer, der mit der Tochter auf Facebook befreundet gewesen war, hatte das Social-Media-Unternehmen auf deren Tod hingewiesen.

Facebook weigert sich nun, den Eltern als Erben die Konto-Inhalte freizugeben. Für den US-Konzern hat Vorrang, «dass der persönliche Austausch zwischen Menschen auf Facebook geschützt ist», wie ein Sprecher nach der Verhandlung des Falles vor dem BGH am 21. Juni erneut betonte. Freunde des Mädchens hätten darauf vertraut, dass private Nachrichten privat bleiben und nicht von den Eltern mitgelesen werden.

Machtlose Erben

Die Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass nirgendwo eindeutig geregelt ist, was mit den vielen digitalen Inhalten passieren soll, die Menschen bei ihrem Tod auf Servern oder Rechnern im Internet («Cloud») hinterlassen.

Dass die Erben Briefe oder Tagebücher des Verstorbenen lesen dürfen, gilt als selbstverständlich. Aber E-Mails, Chat-Protokolle oder Fotos liegen in den seltensten Fällen zu Hause auf einem Datenträger. Hat der Tote nichts dazu hinterlassen, was mit seinen Konten bei den verschiedenen Anbietern passieren soll, sind die Erben unter Umständen machtlos.

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bild: shutterstock

Ein höchstrichterliches Urteil aus Karlsruhe könnte für Klarheit sorgen. In der Verhandlung hatte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann die Position von Facebook kritisch hinterfragt: Mit dem Passwort hätten sich die Eltern schon zu Lebzeiten des Mädchens bei dem Konto anmelden können. Es sei damit fraglich, ob das Vertrauen der anderen Nutzer, dass niemand mitlese, wirklich schutzwürdig sei.

Für die Eltern ist der langwierige Rechtsstreit eine Belastung. «Besonders schmerzlich ist für uns auch das damit verbundene lange Warten auf eine endgültige Gewissheit», liessen sie im Mai 2017 über ihren Anwalt mitteilen.

Damals hatte das Berliner Kammergericht der Mutter, die offiziell als Klägerin auftritt, gerade den Zugriff auf das Facebook-Konto verwehrt – wegen des Fernmeldegeheimnisses. Dieser Punkt zumindest dürfte in Karlsruhe keinen Bestand haben – soweit haben sich die Richter schon in die Karten schauen lassen.

Sollen Eltern Zugriff auf das Facebook-Konto ihres toten Kindes erhalten?

(dsc/sda/dpa)

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2 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El Vals del Obrero
11.07.2018 11:14registriert Mai 2016
Das Facebook-Argument "Freunde des Mädchens hätten darauf vertraut, dass private Nachrichten privat bleiben und nicht von den Eltern mitgelesen werden." passt eigentlich nicht, wenn man es mit normalen Briefen vergleichen würde.

Wenn man jemandem einen Brief schreibt und diese Person später stribt, erben die Erbberechtigten diesen Brief ja auch. Und dass es diese Möglichkeit gibt falls der Empfänger stirbt und der Brief noch existiert, sollte der Absender ja wissen.

Warum soll das bei einem anderen Medium anders sein?
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