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Brexit-Deal steht ++ Börsen reagieren ++ grosses Fragezeichen bleibt

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Bild: keystone/epa/watson
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Brexit-Deal steht ++ Börsen reagieren ++ grosses Fragezeichen bleibt

17.10.2019, 12:5917.10.2019, 14:15
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Was ist passiert?

  • Die EU und Grossbritannien haben sich nach zähem Ringen auf einen Deal für den Brexit geeinigt. Damit soll der Austritt Grossbritanniens aus der EU geregelt werden.
  • Bis frühestens Ende 2020 soll der Prozess abgeschlossen sein.
  • Noch ist der Deal aber alles andere als durch: Das britische Unterhaus muss noch zustimmen. Dies gilt als wenig wahrscheinlich.
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EU billigt neues Brexit-Abkommen
Die 27 bleibenden EU-Staaten billigten den neuen Deal am Donnerstag beim EU-Gipfel. Von Seiten der EU-Staaten gibt es keine entscheidenden Vorbehalte gegen den ausgehandelten Deal. Sie versprachen, sich für ein pünktliches Inkrafttreten am 1. November einzusetzen.
Merkel: «Das ist eine gute Nachricht»
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich zufrieden mit dem Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen Grossbritannien und der Europäischen Union über ein Brexit-Abkommen gezeigt. «Das ist eine gute Nachricht», sagte sie am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel.

Das ausgehandelte Abkommen eröffne die Möglichkeit, die Integrität des EU-Binnenmarkts und das Karfreitags-Abkommen zur Beendigung des Nordirland-Konflikts zu erhalten. Dass der irische Ministerpräsident Leo Varadkar sich zufrieden gezeigt habe, sei für sie «ein ganz wichtiges Zeichen», sagte Merkel weiter.
German Chancellor Angela Merkel, center, speaks with Italian Prime Minister Giuseppe Conte, center left, during a round table meeting at an EU summit in Brussels, Thursday, Oct. 17, 2019. Britain and  ...
Bild: AP
Britisches Parlament stimmt am Samstag ab
Das britische Parlament wird am Samstag über das zwischen London und Brüssel vereinbarte Brexit-Abkommen abstimmen. Das haben die Abgeordneten am Donnerstag in London entschieden. Es ist die erste Sitzung des Unterhauses an einem Samstag seit 37 Jahren.

Das neue Brexit-Abkommen steht wegen des Widerstands der nordirischen Partei DUP allerdings schon wieder vor dem Scheitern. Auch Labour und andere Parteien wollen gegen den umstrittenen Deal stimmen.

Der britische Premierminister Boris Johnson will sein Land am 31. Oktober aus der Staatengemeinschaft führen. Wiederholt hatte er Brüssel mit einem ungeregelten Brexit gedroht. Das könnte aber zu Chaos in der Wirtschaft und vielen anderen Lebensbereichen führen.

Um diese Drohung wahr zu machen, müsste Johnson allerdings das Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit brechen, das vom Parlament im vergangenen September verabschiedet wurde. Es schreibt vor, dass der Regierungschef einen Antrag auf Verlängerung der Brexit-Frist stellen muss, wenn bis Samstag kein Abkommen vom Unterhaus abgesegnet wurde. (sda/dpa)
ARCHIV - ZUM STICHTAG DES AUSTRITTS GROSSBRITANNIENS AUS DER EU AM DONNERSTAG, 31. OKTOBER 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - In this handout photo provided by the House o ...
Bild: AP House of Commons
Johnson lobt den Deal
«Jetzt ist der Zeitpunkt für uns gekommen, um den Brexit zu schaffen» – Premier Boris Johnson zeigt sich an der Pressekonferenz mit Jean-Claude Juncker zufrieden mit dem erreichten Deal.

Viel mehr kam bei der PK allerdings nicht heraus, die beiden verliessen nach einem Shake-Hands wieder die Bühne.

Chef der Brexit-Partei Farage: «Das ist einfach kein Brexit»
Der Chef der britischen Brexit-Partei, Nigel Farage, hält nichts von dem zwischen London und Brüssel vereinbarten neuen EU-Austrittsabkommen. «Ich denke einfach, es sollte abgelehnt werden», sagte Farage am Donnerstag in einem BBC-Interview.

Grossbritannien werde durch den Vertrag verpflichtet, sich in einer ganzen Reihe von Politikfeldern an der EU zu orientieren. Er warb stattdessen für einen Austritt ohne Deal.

London und Brüssel hatten am Vormittag eine Einigung im Ringen um einen Deal verkündet. Der britische Premierminister Boris Johnson hofft nun auf eine Zustimmung des Unterhauses bei einer geplanten Sondersitzung am Samstag.

Die Brexit-Partei von Farage ist nicht im Parlament vertreten, doch die Konkurrenz von rechts könnte Johnson bei einer Neuwahl die Mehrheit kosten. Mit einer Wahl in Grossbritannien wird bereits in den kommenden Monaten gerechnet. (sda/dpa)
Die vier Eckpunkte im Bezug auf Nordirland
Der Backstop wurde durch einen neuen Ansatz ersetzt. Laut EU-Chefunterhändler Michel Barnier besteht der aus vier Hauptelementen:

* Eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sei ausgeschlossen. Nordirland werde dazu begrenzt weiter EU-Regeln unterliegen und bilde das Eingangstor in den EU-Binnenmarkt. Waren werden bei der Einreise auf die Insel und nicht über eine Grenze auf der Insel kontrolliert.
* Nordirland wird im Zollgebiet des Vereinigten Königreichs verbleiben und von der künftigen Handelspolitik des Vereinigten Königreichs profitieren, aber es wird auch ein Einstiegspunkt in den Binnenmarkt bleiben.
* EU-Chefunterhändler Michel Barnier ging nicht im Detail auf die Entscheidung über die Mehrwertsteuer ein – ein wichtiger Streitpunkt für die DUP – ein, aber er sagt: «Auch in diesem Punkt haben wir die Integrität des Binnenmarkts gewahrt, aber auch die legitimen Wünsche des Vereinigten Königreichs erfüllt.»
* Vier Jahre nach der Vollstreckung der Vereinbarung können die gewählten Vertreter Nordirlands darüber abstimmen, ob die Regelung beibehalten werden soll oder nicht.
Labour-Chef Corbyn not amused
Der Parteichef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, ist nicht zufrieden mit dem Abkommen. Johnsons Deal sei noch schlechter als derjenige, den Ex-Premier May ausgehandelt habe. Er und die Linke wird erwartungsgemäss gegen den Deal stimmen.

Corbyn sprach von einem «Ausverkauf». Das neue Abkommen könne Grossbritannien nicht vereinen. Erneut forderte er daher ein zweites Brexit-Referendum. Die Briten hatten vor etwa drei Jahren mit knapper Mehrheit für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt.
Börsen ziehen nach Brexit-Einigung stark an - Franken schwächer
Die Einigung im Brexit-Streit zwischen Grossbritannien und der Europäischen Union führt an den Aktienbörsen in der Schweiz wie in Europa zu klaren Kursgewinnen. Der in unsicheren Zeiten als «sicherer Hafen» gesuchte Schweizer Franken schwächt sich zum Euro ab.

Der Swiss Market Index (SMI) notiert gegen 12.10 Uhr um 0,51 Prozent im Plus bei 10'084 Punkten, nachdem der Schweizer Leitindex am Morgen noch mit Abschlägen in den Handel gestartet war. Mit Aufschlägen reagieren auch die wichtigen europäischen Börsen. So zieht der deutsche Leitindex Dax um 0,85 Prozent und der französische CAC40 um 0,62 Prozent an. In London notiert der FTSE 100-Index um 0,62 höher.

Der Euro verteuert sich zum Schweizer Franken derweil klar. Nachdem er Mitte des Vormittags noch unter 1,10 Franken notierte, stieg er mit der Einigung bis auf über 1,1050 an, derzeit kostet die Einheitswährung noch 1,1036 Franken. Der Euro hatte zuletzt Ende Juli mehr als 1,1050 Franken gekostet.

Marktkommentatoren mahnten in ersten Reaktionen angesichts der optimistischen Stimmung allerdings auch zur Vorsicht. Ob auch das britische Parlament dem «Deal» zustimmen werde, sei eine «andere Geschichte», meinen etwa die Experten von CMC-Markets. Entsprechend könnte der «Bullen-Run» eine kurze Lebensdauer haben. (awp/sda)
Falls du den Brexit-Deal im Original lesen willst
Hier geht es zu den 64 Seiten, die gegenüber dem von Theresa May ausgehandelten Deal angepasst wurden.

Eine politische Erklärung, die die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien skizziert, wurde auch veröffentlicht. Sie ist rechtlich nicht bindend.

Und hier findest du die Pressemitteilung der EU-Kommission.
Und was heisst das für die Schweiz?
Das Brexit-Abkommen wurde modifiziert. Ob das auch beim Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU möglich ist, das nach EU-Ansicht «fertig verhandelt» ist? Bereits regt sich Hoffnung bei der CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter:




Deal sollte bis Ende 2020 durch sein
Michel Barnier, der Chefunterhändler für den Brexit bei der EU, sagt vor den Medien, der Deal sieht vor, dass der Brexit bis Ende 2020 durchgeführt sein sollte. Allenfalls bestehe die Möglichkeit, die Übergangszeit um ein oder zwei Jahre zu verlängern.

Eine harte Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sei ausgeschlossen. Nordirland werde dazu begrenzt weiter EU-Regeln unterliegen und bilde das Eingangstor in den EU-Binnenmarkt. Zugleich werde die Provinz aber auch der britischen Zollhoheit unterliegen.

Damit sei ein faires Abkommen gefunden, um einen geordneten Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu sichern. Zugleich sei der Weg geebnet für ein Handelsabkommen der EU mit Grossbritannien, in dem es weder Zölle noch Quoten gebe, sagte Barnier.


Farage meldet sich zu Wort
Der Brexit-Turbo will, im Falle eines Scheiterns des Deals im Parlament, eine Allianz mit den Konservativen schmieden, um aus der EU auszuscheiden.


12:09
Das Wetter in Grossbritannien ist heute …
… ziemlich britisch:
Die grosse Frage ist jetzt...
Kommt der Deal durch das britische Unterhaus? Das Fragezeichen dahinter ist immer noch sehr gross.


12:02
Das schreibt Juncker in seinem Brief an Ratspräsident Tusk
«Ich bedauere zwar zutiefst das Ergebnis des Referendums vom 23. Juni 2016, bin aber weiterhin der Meinung, dass die Europäische Union am besten durch einen geordneten und freundschaftlichen Rückzug des Vereinigten Königreichs aus unserer Union unterstützt wird.

Unsere Hand sollte immer ausgestreckt bleiben, denn das Vereinigte Königreich wird auch in Zukunft ein wichtiger Partner der Europäischen Union bleiben.

Allerdings hat sich die Ratifizierung des Rücknahmeabkommens im Vereinigten Königreich als schwierig erwiesen. Um dem britischen Premierminister zu helfen, die erforderliche Mehrheit im Unterhaus zu sichern, wurden die Gespräche mit dem Vereinigten Königreich Anfang September dieses Jahres wieder aufgenommen.

Was das Rücktrittsabkommen selbst betrifft: Die Verhandlungen konzentrierten sich auf das Protokoll über Irland/Nordirland und versuchten, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden, um den besonderen Umständen auf der Insel Irland Rechnung zu tragen.

Die Verhandlungsführer erörterten auch die Erklärung, die den Rahmen für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich festlegt.

Ihr Ziel war es, die politische Erklärung so anzupassen, dass sie dem unterschiedlichen Anspruch der Regierung des Vereinigten Königreichs an die künftigen Beziehungen des Landes zur Europäischen Union entspricht.

Die Verhandlungsführer erzielten am 17. Oktober 2019 eine Einigung über ein überarbeitetes Protokoll über Irland/Nordirland und eine überarbeitete politische Erklärung.

Beide wurden von der Europäischen Kommission übernommen. Der britische Premierminister hat mir heute auch seine Zustimmung zu diesen Dokumenten signalisiert.

Beide Texte sind diesem Brief beigefügt. Ich empfehle dem Europäischen Rat, das überarbeitete Rücktrittsabkommen und die politische Erklärung auf seiner nächsten Tagung zu billigen.

Wie ich Ihnen in der Vergangenheit mitgeteilt habe, halte ich es für höchste Zeit, den Rückzugsprozess abzuschließen und die Verhandlungen über die künftige Partnerschaft der Europäischen Union mit dem Vereinigten Königreich so schnell wie möglich fortzusetzen.»
11:51
Keine Kompromisse bei den Nordiren
Doch wird Boris Johnson den Deal auch durch das Unterhaus bringen? Die nordirische Protestantenpartei DUP, die für eine Billigung des Abkommens wohl gebraucht wird, lehnt Teile der bisherigen Kompromisse ab. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert:



Britisches Pfund steigt sofort
Die Börsen reagieren sofort: Das britische Pfund ist Minuten nach der Bekanntgabe des Brexit-Deals in die Höhe geschnellt (im Vergleich zum Dollar). Es ist jetzt auf einem 5-Monate-Hoch.
Bild
«Grossartiger neuer Deal»: Und das sagt Boris Johnson
Junckers Statement zum Deal
«Wir haben einen grossartigen neuen Deal»
Das lange Ringen um einen Brexit-Deal ist offenbar zu Ende. Es zu einer Einigung zwischen Grossbritannien und der EU gekommen.

Wie die BBC berichtet, hat der britische Premier Boris Johnson die Einigung bestätigt: «Wir haben einen grossartigen neuen Deal.»
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Bild: EPA

(aeg)

EU-Ratspräsident Tusk beweist Galgenhumor

Video: srf
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61 Kommentare
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DK81
17.10.2019 11:56registriert Juli 2018
Einen Deal mit der EU hatte May auch schon mal. Das ratifizieren wird jetzt die eigentliche Aufgabe für Boris Johnson.
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Die verwirrte Dame
17.10.2019 12:00registriert August 2016
"Wir haben einen grossartigen Deal" - Ist es etwa der grossartigste, beste Deal, den die Welt je gesehen hat?
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kaderschaufel
17.10.2019 11:54registriert Juni 2015
Das überrascht mich jetzt. Entweder ist der Deal nicht viel anders als der von May und Johnson verkauft ihn einfach neu (aber dann kommt er doch nicht durchs Parlament), oder die EU ist tatsächlich eingeknickt (und das wäre doch sehr schwach).
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