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«Das, was Architektur sein sollte» – zum Tod von Stararchitekt I. M. Pei

«Das, was Architektur sein sollte» – zum Tod von Stararchitekt I. M. Pei

17.05.2019, 14:31
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FILE - In this March 29, 1989, file photo, Chinese-American architect I.M. Pei laughs while posing for a portrait in front of the Louvre glass pyramid, which he designed, in the museum's Napoleon ...
I. M. Pei vor seinem berühmtesten Werk.Bild: AP/AP

Klare Kante zeigen die Bauten von Ieoh Ming Pei durchaus. Auf die nackte Geometrie des Internationalen Stils wollte sich der Architekt trotzdem nicht reduzieren lassen. Pei war einer der wichtigsten Vertreter moderner Architektur.

Die Franzosen gelten als stolzes Volk, und einen Auftrag für die Neugestaltung des Louvre in Paris vergibt man nicht an jedermann. Gross war die Überraschung, als I. M. Pei 1983 den Zuschlag bekam und der erste ausländische Architekt wurde, der am Louvre Hand anlegen durfte.

Seine Glaspyramide steht heute für Kunst und Moderne in der französischen Hauptstadt; sie ist der weltbekannte Bau eines Architekten, der geometrische Formen wie Dreiecke, Kreise und Quadrate stilvoll zum Leben erweckte. Mit der Rock and Roll Hall of Fame in Cleveland, Ohio setzte er fast zeitgleich eine zweite, ganz ähnliche Glaspyramide in die Welt.

Vor Kurzem 102. Geburtstag gefeiert

Am Donnerstag vermeldete Peis Architekturbüro, dass der chinesisch-amerikanische Stararchitekt im Alter von 102 gestorben ist. Sein Vater habe vor kurzem noch gemeinsam mit seiner Familie seinen 102. Geburtstag bei einem Abendessen gefeiert, sagte Sohn Li Chung Pei der «New York Times».

A reflecting pool sits in a large plaza on the walk up to Dallas City Hall, a building designed by architect I.M. Pei, in Dallas, Thursday, May 16, 2019. Pei, the globe-trotting architect who revived  ...
Das Rathaus von Dallas, entworfen von Pei.Bild: AP/AP

Als «Meister des Lichts» war Pei bekannt, nicht nur, weil er Sonnenlicht in den Untergrund des Pariser Louvre strömen liess. Seine Bauten stahlen keine Härte, sondern elegante Stabilität aus. Für die Architektur-Website «ArchDaily» war Pei das «wohl grösste lebende Mitglied einer Generation moderner Architekten». Er habe «diesem Jahrhundert einige seiner schönsten Innenräume und äusseren Formen gegeben», urteilte eine achtköpfige Jury, die ihm 1983 den Pritzker-Preis, den Nobelpreis der Architektur, verlieh.

Den 1917 im südchinesischen Guangzhou (Kanton) geborenen Ieoh Ming Pei, der in Hongkong und Schanghai aufwuchs, zog es mit 17 Jahren in die USA. Die Kunst des schönen Bauens lernte der Sohn kunstaffiner Eltern an bester Adresse: 1935 schrieb er sich an der University of Pennsylvania ein, ehe er am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und 1946 an der Harvard Graduate School of Design Abschlüsse in Architektur machte. Unter seinen Dozenten waren unter anderem die Bauhaus-Architekten Marcel Breuer und Walter Gropius.

Amerikanischer Staatsbürger

Als der Zweite Weltkrieg seine Rückkehr nach China verhinderte, waren Boston, New York und Los Angeles bald seine neuen Arbeitsplätze. Mit der amerikanischen Staatsbürgerschaft in der Tasche schuf Pei städtische Projekte wie das Mile High Center in Denver, Colorado (1955), den neu gestalteten Hyde Park in Chicago (1959) und den Place Ville-Marie in Montreal (1965).

Tourists walk around the pyramide of the Louvre museum, in Paris, Friday, May 17, 2019. Paris' Louvre museum is paying tribute to the architect of its giant glass pyramid, I.M. Pei, who has died  ...
Bild: AP/AP

Nach Anfängen beim New Yorker Unternehmen «Webb & Knapp» eröffnete er dort seine eigene Firma «I. M. Pei & Partners». Einen produktiven Schub verdankte er nicht zuletzt dem einflussreichen US-Baunternehmer William Zeckendorf.

Bald reihte sich ein prestigeträchtiger Auftrag an den nächsten: Ostflügel der «National Gallery of Art» in Washington (1978), Bibliothek für den ermordeten Präsidenten John F. Kennedy in Absprache mit dessen Witwe Jacqueline (1979), Westflügel des Museum of Fine Arts in Boston (1980).

Mit dem Ruhm im Gepäck kehrte Pei mit seiner Familie für einige Projekte nach China zurück. Er und seine Frau Eileen Loo, die er schon aus Studienzeiten kannte und mit der er drei Söhne und eine Tochter hatte, reisten häufig zusammen.

Auch in Deutschland ging seinem Ausstellungs-Annex für das Deutsche Historische Museum in Berlin zuerst ein Sturm der Entrüstung voraus. Doch die Kritik verstummte, als 1997 schliesslich der Entwurf für den Anbau mit spiralförmigem Treppenhaus aus Glas und Stahl vorgestellt wurde. Heute spricht das Museum beim 2003 eröffneten Pei-Bau hinter dem barocken Zeughaus von einem «atemberaubenden Gebäude».

Westliche Moderne und östliche Kultur

Auch in Asien wurde Pei gefragt, mit dem «Fragrant Hill Hotel» in Peking (1982), dem «Bank of China»-Gebäude in Hongkong (1989) und dem Miho Museum ausserhalb von Kyoto in Japan (1997). Beim Miho Museum und dem Museum für Islamische Kunst in Doha, Katar (2008), zeigte er seine Bemühungen, den Stil der westlichen Moderne mit anderen Kulturkreisen zu verbinden, schreibt der mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Architekturkritiker Paul Goldberger. Er spricht von «bemerkenswerten Kodas zu einer Karriere, die sich nie auf Erfolg ausruhte, sondern immer nach etwas Neuem zu greifen schien».

Architekt Ieoh Ming Pei steht vor dem Erweiterungsbaus am Deutschen Historischen Museum, am 16. Maerz 2001, in Berlin, Deutschland. Der amerikanisch-chinesische Stararchitekt I. M. Pei ist im Alter vo ...
Bild: DPA

Aktiv war Pei (zumindest als grosser Taktgeber seiner ausführenden Architekten) bis zum Schluss. Century Plaza in Los Angeles, Charles Darwin Centre in Australien, verschiedene Bauten in Indien - Pei überraschte weiter mit Ideen und Projekten. Die Pritzker-Jury erkannte das schon 1983 und schrieb: «Seine Vielseitigkeit und sein Können beim Materialgebrauch nähern sich dem Niveau von Poesie.»

Womöglich zeigt sich Peis Können aber vor allem in dem Bau, der ihm persönlich am meisten bedeutete: das Miho Museum in der Nähe von Kyoto in Japan. Die spektakuläre Anlage mit Tunnel-Eingang und hohen Glasdächern hat er mitten in die japanische Hügellandschaft gesetzt. «ArchDaily»-Gründer und Kritiker David Basulto schrieb: «Durch seine Einfügung in die Umgebung und seine »architektonische Promenade« erzeugt das Museum eine Reihe unverwechselbarer Erfahrungen und Momente, eine Synthese dessen, was Architektur sein sollte.» (aeg/sda/dpa)

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