Polnische Fahnen, rote Bengalos und antisemitische Parolen. Warschau erlebte am Montag eine der grössten rechtsextremen Kundgebungen der vergangenen Jahre in Europa. Mehrere Zehntausend Menschen zogen anlässlich des polnischen Nationalfeiertags durch die Hauptstadt. Auf Bannern und Fahnen waren Neonazi-Symbole und fremdenfeindliche Slogans zu sehen.
Der «Unabhängigkeitsmarsch» fand in diesem Jahr zum zehnten Mal statt. Lange Zeit zog er in erster Linie patriotische Nationalisten an. Doch seit 2017 wird er zunehmend zum Treffpunkt für Rechtsextremisten und Neofaschisten aus ganz Europa. In diesem Jahr waren unter anderem Mitglieder der «Neuen Kraft» aus Italien und der «Democracia Nacional» aus Spanien dabei.
Pageant of far-right extremism.Almost 50.000 people took to the streets of Warsaw for Polish Independence Day - one that has been marked as a controversial fixture in the country's calendar.See more: https://t.co/Abnuiv72XQVia @Rept_Democracy pic.twitter.com/4vaJF1SZk9— Balkan Insight (@BalkanInsight) November 12, 2019
Neben den dominierenden rot-weissen Flagge Polens waren auch Fahnen mit dem Keltenkreuz zu sehen, einem Symbol der extremen Rechten. Teilnehmer trugen Banner mit der Aufschrift «Die weissen Krieger, die katholischen Nationalisten kommen». Auf anderen war «Nein zur Abtreibung» oder «Tod den Feinden der Heimat» zu lesen.
Die Veranstaltung stand unter der Überschrift des katholischen Nationalismus. Das Logo des Marsches zeigte eine Faust, die einen Rosenkranz hält. Das Motto lautete «Nimm die ganze Nation in Deinen Schutz» – in Anlehnung an einen Marien-Gesang. Robert Bakiewicz, einer der Organisatoren, sagte vor den Teilnehmern: «Wir müssen zu unseren Wurzeln zurückkehren. Unsere Welt hat sich losgesagt von Gott und Christentum.»
In dem Bezug zur Kirche kam vor allem eine scharfe Ablehnung von Rechten für sexuelle Minderheiten zum Ausdruck. Auf Videos war zu sehen, wie Teilnehmer Regenbogen-Fahnen verbrannten. Zahlreiche Banner und Sprechchöre machten daneben den fremdenfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Charakter der Veranstaltung deutlich. Sprechchöre wie «Stoppt die Masseneinwanderung» oder «Hier ist Polen , nicht Israel» waren zu hören. Auf Bannern war auch zu lesen: «Das ist Polen, nicht Polin» – eine Anspielung auf das jiddische Wort für Polen.
Wiederkehrendes Motiv war die Ablehnung eines angeblichen Ausverkaufs polnischen Eigentums an ausländische Juden. Teilnehmer trugen Buttons an ihrer Kleidung mit einer durchgestrichenen «447». Auf einem Banner an der Haupttribüne der Veranstaltung stand «Nein zu jüdischen Ansprüchen».
Antisemitismus, #Rassismus, Homophobie, Nationalismus: Zehntausende nahmen gestern am #Unabhängigkeitsmarsch in #Warschau, einem der grössten rechtsextremen Aufmärsche Europas, teil.#MarszNiepodległości2019 pic.twitter.com/EyXWvSZrBm— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) November 12, 2019
Hintergrund ist ein Gesetz der US-Regierung mit der Ziffer 447, in dem es um Entschädigungsansprüche jüdischer Holocaust-Überlebender geht. Rechtsextremisten behaupten, dass sich aus dem Gesetz konkrete Besitzforderungen ableiten würden und sprechen von einem «Angriff auf Polen». Tatsächlich stellt das Gesetz lediglich eine Anordnung an das amerikanische Aussenministerium dar, den Fortschritt bei der Wiedergutmachung zu dokumentieren.
Der «Unabhängigkeitsmarsch» wird von einer Reihe nationalistischer bis rechtsextremer Gruppen veranstaltet. Er erinnert an den 11. November 1918, an dem Polen nach 123 Jahren der Besetzung durch Russland, Preussen und Österreich-Ungarn seine Unabhängigkeit wiedererlangte. An der diesjährigen Kundgebung nahmen laut Angaben der Veranstalter rund 150'000 Menschen teil. Die Warschauer Behörden sprachen von 47'000.
Als Polen 2018 den 100. Jahrestag seiner Unabhängigkeit beging, nahm eine von der Regierung unterstützte Kundgebung, an der auch Präsident Andrzej Duda teilnahm, dieselbe Demonstrationsroute wie der Marsch der Rechten. Beobachter werteten das als Versuch der regierenden PiS-Partei, die Anhänger der rechten Bewegung für sich zu vereinnahmen.
In diesem Jahr blieben Duda und die Regierung der Veranstaltung fern. Es gab am Montag auch zahlreiche andere Gedenkveranstaltungen – von Militärparaden über Konzerte bis hin zu Kranzniederlegungen. Die Polizei verhinderte mit einem Grossaufgebot, dass es zu Zusammenstössen zwischen Teilnehmern des Marsches und Gegnern kam.
(dru/t-online.de)