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Aargauer Fall deckt Vorgänge im Anabolika-Milieu auf

Tränen, Erpressung und Todesangst: Aargauer Fall deckt Vorgänge im Anabolika-Milieu auf

Ein Fall vor dem Aargauer Obergericht gibt Einblick in die Machenschaften des Milieus, in dem mit Anabolika gedealt wird.
14.08.2020, 21:2415.08.2020, 14:51
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Ihren Ursprung nahm die Geschichte 2012, als die Polizei in einem Fitnessstudio in Villmergen Unmengen an illegalen Anabolika fand. Mehrere Männer wurden verhaftet. Unter ihnen war auch der heute 55-jährige Anton (alle Namen geändert). Er soll Anabolika verkauft und so Gewinne in Millionenhöhe erzielt haben. Zwei Jahre sass er im Gefängnis, ehe er 2015 wegen gewerbsmässiger Widerhandlung gegen das Heilmittelgesetz verurteilt wurde.

Einer, der bei Anton regelmässig illegale Substanzen gekauft hatte, war Felix. Nach Antons Verhaftung hatte Felix ihn mit seinen Aussagen schwer belastet. Wenige Tage vor dem Prozess zog Felix aber alle seine belastenden Aussagen gegen Anton unerwartet zurück.

Zwielichter Besuch von der Zürcher Langstrasse

Anton, so die Anklage, soll nach seiner Haftentlassung Druck auf seinen ehemaligen Kunden Felix aufgebaut haben, damit dieser seine Aussagen zurückzieht. Er soll dazu einen Kollegen – den Betreiber einer Bar an der Zürcher Langstrasse – um Hilfe gebeten haben. Dieser wiederum soll Mehmet und Romeo – zwei zwielichtige Gestalten aus dem Milieu – angeheuert haben, um Felix im Aargau einen Besuch abzustatten und diesen einzuschüchtern. Mit Erfolg. Felix, so die Anklage, habe um sein Leben und um das Leben seiner Partnerin und seines damals 7-jährigen Sohnes gefürchtet und daraufhin die Aussagen gegen Anton zurückgezogen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Telefone der Beteiligten überwacht und so Beweise gesammelt.

Der Verkauf von Anabolika kann finanziell einschenken.
Der Verkauf von Anabolika kann finanziell einschenken.symbolbild: shutterstock

Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte den Anabolikahändler Anton vergangenen Herbst deswegen wegen Erpressung, Nötigung und Widerhandlung gegen das Sportförderungsgesetz zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Mehmet, der Felix im Aargau die Botschaft überbracht hatte, wurde wegen Gehilfenschaft zur Erpressung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Der Zürcher Barbetreiber hingegen wurde freigesprochen. Da ihm nicht von Anfang an eine amtliche Verteidigung gewährt wurde, kam das Gericht zum Schluss, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt wurde. Romeo, der zweite Überbringer der Drohungen, war inzwischen gestorben.

Vor Obergericht kam es nun zum Zusammentreffen aller Beteiligten. Anton, der die Erpressung von Felix initiiert haben soll, kam in Handschellen. Der verurteilte Anabolikahändler sitzt erneut wegen illegalem Handel in Haft. Er akzeptierte sein Urteil wegen Erpressung, Nötigung und Widerhandlung gegen das Sportförderungsgesetz nicht und verlangte vor Obergericht einen Freispruch.

Ebenfalls anwesend war der mutmasslich angeheuerte Überbringer der Drohungen Mehmet. Auch er forderte vor Obergericht einen Freispruch vom Vorwurf der Gehilfenschaft zur Erpressung. Mehmet, so sein Verteidiger, sei an jenem Tag lediglich gemeinsam mit Romeo zum Erpressten gefahren. Die Drohungen – waren sich alle Beteiligten einig – soll der verstorbene Romeo in Eigenregie überbracht haben.

Der freigesprochene Barbetreiber hingegen war vor Obergericht, weil die Staatsanwaltschaft auch für ihn einen Schuldspruch forderte. Er soll die «Schlägertypen» für Anton organisiert haben.

Zögerlicher Zeuge macht Richter wütend

Vorgeladen war auch der wichtigste Zeuge in der ganzen Geschichte: Felix. Der Gerichtspräsident begann den Prozess mit der Befragung des Erpressten. Doch Felix, der mit dem Rücken zu seinen mutmasslichen Erpressern sass, windete sich. Immer wieder betonte er, sich nicht genau zu erinnern. Die damaligen Besucher von der Langstrasse – Mehmet und Romeo – hätten nicht klar gesagt, was sie von ihm wollten. «Sie sagten, ich müsse Busse tun. Sie sagte, ich müsse mich gefasst machen.» Ob Anton sie geschickt habe, wisse er nicht. Immer wieder belastete Felix allein den mittlerweile verstorbenen Romeo. Er habe nur vor ihm Angst gehabt. Romeo sei ein bekannter, gewaltbereiter «Psychopath» gewesen.

«Sie sind offensichtlich sehr darum bemüht, mit ihren Aussagen möglichst niemanden zu belasten», entgegnete ihm der Gerichtspräsident, ehe ihm der Geduldsfaden riss. Der Richter erinnerte Felix daran, dass er die Aussage nicht verweigern dürfe. Er sei davon ausgegangen, dass der Besuch etwas mit seinen belastenden Aussagen gegen Anton zu tun gehabt hatte, gab Felix schliesslich zwar zu. Er habe sich aber nie von Anton bedroht gefühlt, relativierte er.

Alle geben einem Toten die Schuld

Auch Anton wollte vor Obergericht von Drohungen gegen Felix nichts wissen und nannte mehrmals den verstorbenen Romeo. «Er war im Milieu bekannt, weil er so gestört war.» Dass Felix von den zwei Herren bedroht worden war, habe er auf der Gasse erfahren. «Von mir kam nie ein Auftrag», so Anton. Und Felix habe seine Aussagen von sich aus zurückgezogen.

Das Problem an dieser Behauptung: In einem aufgezeichneten Telefongespräch brüstete sich Anton mit der Einschüchterungsaktion. Felix habe gegenüber Mehmet und Romeo gewinselt und gebettelt, seinem Kind nichts anzutun, prahlte Anton im Gespräch. Doch diese Aussagen, argumentierte Antons Verteidiger, dürften nicht verwertet werden. Die Abhöraktion sei nicht legal gewesen.

Für Staatsanwaltschaft ist Beweislage «erdrückend»

«Es geht um Rache und Vergeltung innerhalb eines speziellen Milieus», so die Staatsanwaltschaft. Es sei klar, dass die Bedrohungen koordiniert waren. «Die Beweislage ist erdrückend.» Und die Drohungen zeigten noch immer Wirkung. Die Telefongespräche zeigten ein klares Bild. Nebst Anton und Mehmet müsse auch der Barbetreiber für die Erpressung bestraft werden. Für ihn forderte die Staatsanwaltschaft eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten.

Die Urteile für Anton, Mehmet und den Barbetreiber stehen noch aus. (Chmedia)

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wellenrit
14.08.2020 18:59registriert Juni 2020
Nun ja was zieht doch die Sache konsumieren. Den letzten Typen mit dem ich was hatte der gedopt hat hatte zwar nur Gramm fett war komplett trainiert alles wunderbar nur seine Hoden waren quasi nicht mehr vorhanden das war komplett leer 🤔 wenn Männer nicht kapieren dass die Männlichkeit nichts mit Muskeln zu tun hat sondern auch mit ihren Geschlechtsorganen dann sollen sie sich doch diese wegspritzen
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