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Alle vier Wochen wird in der Schweiz eine Frau vom Partner getötet

Alle vier Wochen wird in der Schweiz eine Frau vom Partner getötet

05.10.2020, 11:1305.10.2020, 14:02
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Bild: Shutterstock

Die eigenen vier Wände sind lange nicht immer ein Hort von Friede und Sicherheit: Letztes Jahr wurden knapp 20'000 Fälle von häuslicher Gewalt polizeilich registriert, das sind gut 1000 oder 6.2 Prozent mehr als im Vorjahr. Darunter waren 29 vollendete Tötungsdelikte.

Das entspreche knapp zwei Drittel aller polizeilich registrierten vollendeten Tötungsdelikte in der Schweiz, schreibt das Bundesamt für Statistik (BFS); die Gesamtzahl betrug 46. Von den 29 häuslichen Tötungsdelikten ereigneten sich 15 in einer Partnerschaft, bei welchen 14 Frauen und ein Mann getötet wurden. «Dies bedeutet, dass rund alle 4 Wochen eine Frau innerhalb einer Partnerschaft getötet wird», schreibt das BFS.

Die Anzahl Tötungsdelikte bewegte sich in den letzten Jahren um einen Durchschnittswert von etwa 25 herum. In der 10-Jahres-Aufstellung des BFS fällt eine Zahl aus dem Rahmen: Mit 36 vollendeten Tötungsdelikten war 2015 das schwarze Jahr der Statistik.

Es begann gleich an Neujahr, als eine Mutter in Flaach ZH ihre beiden Kinder erstickte, weil die Behörden sie ihr wegnehmen wollten. Im Februar brachte ein Vater in Niederlenz AG seine vierjährige Tochter um. Im Mai erschoss ein Mann in Schwyz Schwiegereltern, Schwager und einen Nachbarn, im April und Juli brachten Söhne ihre Väter, respektive Eltern um, im Juli, September und November töteten Männer ihre Gattinnen. Dies nur einige Beispiele.

Während tödlich endende Familiendramen nicht unbedingt häufiger werden, hat die Gesamtzahl von häuslichen Gewaltdelikten seit 2009 beinahe kontinuierlich zugenommen. Wurden 2009 noch 16'055 häusliche Gewaltstraftaten polizeilich registriert, waren es 2016 schon 17'685 und 2019 deren 19'669.

Jungs schlagen immer öfter zu

Es sind keineswegs immer nur die Männer, die dreinschlagen oder noch schlimmeres tun. Das Geschlechterverhältnis beträgt etwa drei Viertel Männer zu einem Viertel Frauen. Aber auch Kinder werden innerhalb von Familien gewalttätig.

Statistisch gesehen sind es vor allem die Jungs zwischen 15 und 25 Jahren. Die Belastungsrate - Anzahl Beschuldigter pro 10'000 Einwohner - dieser Bevölkerungsgruppe betrug im Jahr 2009 noch 11,2, zehn Jahre später war sie auf 14.9 gestiegen. Die 15- bis 17-Jährigen waren dabei die «schlagkräftigsten».

Die Wut der Verlassenen

Für das Jahr 2019 wurden 11'058 geschädigte Personen polizeilich registriert. Ihre Anzahl ist im Vergleich zum Vorjahr um 3.7 Prozent gestiegen. Die Verteilung auf die Geschlechter ist seit Jahren konstant und beträgt 72 Prozent Frauen gegenüber 28 Prozent Männer.

Die Hälfte der 2019 polizeilich registrierten Straftaten im häuslichen Bereich betrafen bestehende, 28 Prozent eine ehemalige Partnerschaft. Der Rest verteilt sich auf (Pflege)Eltern-Kind-Beziehungen und Gewalttaten gegenüber anderen Verwandten. (aeg/sda)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Bruno Wüthrich
05.10.2020 17:22registriert August 2014
Also entweder habe ich eine Lese- oder Interpretationsschwäche. Aber in den Statistiken des BFS komme ich nirgends auch die Zahl von 20'000 Gewaltdelikten im häuslichen Bereich. Nach meiner Interpretation sind es gut die Hälfte. Allerdings stimmen die 29 Tötungsdelikte.

Kann mir jemand erklären, wo der Fehler liegt?

Es existiert übrigens auch eine Statistik über den In- und Ausländeranteil an diesen Straftaten. Da ich mir aber sicher bin, dass Watson diese Zahl absichtlich nicht veröffentlichen will, falle ich der Redaktion da nicht in den Rücken. Wer will, findet die Statistik.
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John Henry Eden
05.10.2020 12:45registriert Januar 2014
Bei vielen jungen Menschen gilt Eifersucht als Liebesbeweis.

Wird man etwas älter, kommt eine gescheiterte Beziehung einem Statusverlust gleich. Zu einem «erfolgreichen» Leben gehört eben auch Glück in der Liebe.

Dinge, die geistig einen so hohen Wert haben, sind logischerweise auch gefährlich und potenziell tödlich.
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Atavar
05.10.2020 14:17registriert März 2020
Scheitern eines Projekts (hier: Beziehung) wird mit persönlichem Scheitern gleichgesetzt - damit können viele nicht umgehen.

Auf Männer trifft das (aus der BFS-Statistik hergeleitet) öfter zu, als auf Frauen. Warum bloss?

Meine These: viele Männer haben keinen Umgang mit Scheitern gefunden, sehen es als persönliches Versagen, suchen nicht (oder am falschen Ort) nach Unterstützung. Irgendwann explodiert dieser Dampfkochtopf und ...

Schon noch blöd: da lebt man zu 1/3 seines Tages nach einer Maxime (Leistung, Erfolg, Gewinnen) und plötzlich schlägt dieses Denken auf die anderen Bereiche durch
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