Der Pflegeverband SBK wendet sich mit einem dramatischen Appell an Politik und Bevölkerung. «Werden nicht schnell massive und wirksame Massnahmen beschlossen, werden Ärztinnen und Ärzte Triage-Entscheidungen fällen müssen. Das bedeutet: Menschen, die einen Intensivpflegeplatz brauchen, werden diesen nicht erhalten und möglicherweise sterben.»
Einige Intensivstationen sind bereits voll. Die Kantone Schwyz und Schaffhausen meldeten am Mittwoch eine Auslastung von 100 Prozent. Die Kantone Thurgau, St.Gallen und Zürich eine von über 90 Prozent. Am Freitag ging die Auslastung etwas zurück. Belegt sind die Plätze schweizweit zu 28 Prozent mit Coronapatienten.
Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein tiefer Wert. Im Dezember 2020 waren es 43 Prozent. Doch es gibt mehr Nichtcoronapatienten und weniger Kapazitäten auf den Intensivstationen. Vor einem Jahr standen rund 1100 Intensivbetten zur Verfügung. Heute sind es noch 850. Das ist ein Rückgang um rund 20 Prozent, und er liegt noch unter dem Wert der offiziell zertifizierten Intensivbetten. Dieser liegt bei 874.
Die Spitäler kamen auf über 1000 Betten, indem sie Kapazitäten aus anderen Abteilungen abzogen und zusätzliche nichtzertifizierte Betten betrieben. Nun fehlt das Personal, um nur schon die zertifizierten Betten zu betreiben. Im Kanton Bern gibt es theoretisch 103 zertifizierte Betten.
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Am Freitagmorgen konnten wegen fehlenden Personals aber nur 90 Betten betrieben werden, wie ein Sprecher der Gesundheitsdirektion auf Anfrage sagt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Beatmung von Patienten personalintensiv ist. «Es kann sein, dass eine Intensivstation mit sechs Betten, wovon drei mit Beatmeten belegt sind, bereits an der Kapazitätsgrenze ist», sagt ein Sprecher des Kantons Nidwalden.
Der Pflegeverband SBK teilt mit: «Es hat zu wenig spezialisiertes Personal auf den Notfall- und Intensivstationen, viele Kolleginnen und Kollegen haben den Beruf verlassen, ihr Pensum reduziert oder sind selber erkrankt.»
Geschäftsführerin Yvonne Ribi sagt: «Für viele war der Job schon vor Corona mit viel Stress verbunden. Und wenn die Infektionszahlen mal tief waren, musste das Personal aufgestaute Aufgaben abarbeiten. Die Aussicht auf weitere Coronawellen war nun einigen zu viel.»
Im letzten Jahr konnten die Spitäler ihre Kapazität noch durch Freiwillige und Berufsaussteiger erhöhen. Dies scheint nun nicht mehr zu klappen. Stephan Jakob, Chefarzt Intensivmedizin des Inselspital Bern sagte im «SRF-Club»:
Diese Liste sei nun auf null. Auch das Aufbieten von temporären Arbeitskräften ist kaum noch möglich. «Aufgrund der Pandemiesituation funktioniert der Temporärmarkt nicht mehr, da alle Spitäler mehr Personal benötigen», sagt eine Sprecherin des Kantonsspitals Baselland auf Anfrage.
Um die Pflegenden ist ein Wettbewerb entstanden. Aus dem Kanton Uri heisst es, dass auch schon gute Angestellte abgeworben worden seien. Ein Sprecher des Luzerner Kantonsspitals gibt zu bedenken, dass der Arbeitsmarkt für spezialisierte Kräfte schon vor der Pandemie ausgetrocknet gewesen sei.
Da die Ausbildung für Pflegende auf Intensivstationen lange dauert, macht es mehr Sinn, Berufsaussteiger zurückzuholen. Der SBK rechnet mit 10'000 Personen, die in den letzten Jahren über alle Pflegeberufe ausgestiegen sind. Der Kanton Aargau hat ein Aktionsprogramm mit dem Namen «Wiedereinstieg in die Pflege» ins Leben gerufen.
Der SBK schlägt finanzielle Anreize vor und verweist auf die Zürcher Hirslanden-Klinik, die 8000 Franken verspricht für die Vermittlung einer Fachkraft. Allgemein sollte das Personal mit einer Sofortzulage von 1000 Franken motiviert werden. Selbst im rechten Lager gibt es Stimmen, die sich für solche Anreize einsetzen. So forderte «Nebelspalter»-Verleger Markus Somm jüngst eine Verdoppelung der Löhne.
Yvonne Ribi vom SBK sagt, finanzielle Anreize seien ein wichtiger Teil, um Pflegende wieder für den Beruf zu begeistern. Es geht ihr aber noch um etwas anderes. «Wir müssen nun die Fallzahlen runterbringen, um eine Triage auf den Intensivstationen zu verhindern.» Triage sei ein abstraktes Wort, sagt sie. «Es geht aber darum, unnötiges Sterben zu verhindern.» (aargauerzeitung.ch)
die können nicht mehr.
das hat nichts mit 'nicht mehr wollen' zu tun. entweder holen sie sich ein burnout oder sie geben schweren herzens ihren job auf