Schweiz
Gesellschaft & Politik

Asyl: Bund soll Handys von Flüchtlingen auswerten dürfen

Asylsuchende vertreiben sich die Zeit am Handy, vor der als Asylnotunterkunft genutzten Zivilschutzanlage in St. Gallenkappel, am Donnerstag, 12. November 2015. Der Kanton St. Gallen will die im Oktob ...
Asylsuchende vertreiben sich die Zeit am Handy in St.Gallen, November 2015.Bild: KEYSTONE

Bund soll Handys von Flüchtlingen auswerten dürfen – das musst du darüber wissen

Sollen Behörden befugt sein, die Mobiltelefone und Laptops von Asylsuchenden zu durchleuchten, wenn sie keine Ausweispapiere haben? Am Donnerstag befindet die verantwortliche Kommission im Parlament darüber.
15.08.2019, 13:3815.08.2019, 14:00
Mehr «Schweiz»

Das Problem

Laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) können bis zu drei Viertel der Asylsuchenden in der Schweiz ihre Identität nicht mit Ausweispapieren belegen.

Das hat nach Angaben der Flüchtlingshilfe vielfältige Gründe. In manchen Ländern gebe es keine Geburtsurkunden und die Leute hätten keine Identitätspapiere, wie zum Beispiel in Teilen Afghanistans. Oft würden den Flüchtenden die Pässe unterwegs von Schleusern oder anderen kriminellen Gruppen abgenommen. Aus Seenot gerettete Menschen könnten auch ihre Identitätspapiere verloren haben.

Die Behörden müssen dann in aufwendiger Recherche Fluchtgeschichten überprüfen, was oft nicht zu eindeutigen Schlüssen führt.

Der umstrittene Lösungsvorschlag

Das soll sich nun ändern: Im Parlament ist eine Vorlage zur systematischen Datenauswertung hängig. Die Mitwirkungspflicht im Asylverfahren soll um die Pflicht zur Geräteherausgabe ergänzt werden. Im Klartext: Behörden sollen befugt sein, die Mobiltelefone und Computer der Asylsuchenden zu durchleuchten, wenn die Identität nicht auf anderem Wege festgestellt werden kann. Eingereicht hat die Vorlage SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates befindet heute Donnerstag darüber.

Rutz schreibt in seinem Vorstoss:

«Es ist widersinnig, dass die Behörden bei der Feststellung der Identität im Dunkeln tappen, jedoch mitgeführte Geräte, welche eine Vielzahl wichtiger Daten erhalten, im Verfahren nicht berücksichtigen dürfen.»
SVP-Nationalrat Gregor Rutz

In den vorberatenden Kommissionen von National- und Ständerat hat Rutz' parlamentarische Initiative eine deutliche Mehrheit gefunden. In Deutschland können solche Daten bereits systematisch ausgewertet werden.

Pilotprojekt stützt Forderung

Wie die Tamedia-Zeitungen am Samstag berichten, hat das SEM in einem Pilotprojekt bereits Handys und Laptops von Flüchtlingen zur Identitätsüberprüfung ausgewertet. Die Ergebnisse des Pilotprojekts stützen die umstrittene politische Forderung.

Wie die Zeitungen schrieben, hat das SEM von November 2017 bis Mai 2018 in den ehemaligen Empfangs- und Verfahrenszentren Chiasso und Vallorbe 565 freiwillig abgegebene Datenträger zur Identitätsüberprüfung evaluiert. In 15 Prozent der Fälle seien dabei nützliche Hinweise zur Identität oder zum Reiseweg der betroffenen Flüchtlinge gefunden wurden.

Das SEM betont, dass die Auswertungen auf freiwilliger Basis erfolgt sind. Der Schutz der persönlichen Daten sei jederzeit gewährleistet gewesen. Daniel Bach, SEM-Sprecher, sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zudem, ob eine Asyl suchende Person in der Schweiz Schutz erhalte, hänge davon ab, ob sie glaubhaft machen könne, dass ihr bei einer Rückkehr Verfolgung und schwere Menschenrechtsverletzungen drohen oder eine unzumutbare Lebenssituation. Wenn die betroffene Person ihre Angaben mit Handy-Daten unterlegen könne, könne dies durchaus auch im Interesse des Asylsuchenden sein.

Scharfe Kritik der Flüchtlingshilfe

Die Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert das Vorhaben scharf, private Handy- und Computerdaten von Asylsuchenden systematisch auszuwerten. Das ziele auf den «gläsernen Flüchtling» ab, wobei völlig unklar sei, ob die Behörden die Daten nicht auch für andere Zwecke als die Identitätsabklärung nutzten, erklärt Mediensprecherin Eliane Engeler.

Das Vorhaben sei rechtsstaatlich und aus Sicht des Datenschutzes höchst bedenklich und es handle sich um einen drastischen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen, so Engeler.

Das Strafrecht regle die Auswertung von Handydaten sehr restriktiv, betonte die SFH-Sprecherin. Smartphones von mutmasslichen Straftätern dürften nur bei schweren Gesetzesübertretungen und bei begründetem Tatverdacht analysiert werden. Es gebe keine schlüssige Argumentation dafür, dass Schutzsuchende denselben oder gar strengeren Regeln unterworfen sein sollten. (kün/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Flüchtlinge kämpfen gegen Grenzen
1 / 15
Flüchtlinge kämpfen gegen Grenzen
15. September, Istanbul, Esenler Busbahnhof: Die Regierung hält Tickets an die Grenze zurück, Flüchtlinge protestieren.
quelle: getty images europe / ahmet sik
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Donald Trump will keine Migranten
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
125 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Petoman
15.08.2019 14:20registriert Mai 2015
Moderat Links würde ich den Vorstoss unterstützen, sofern die Daten geschützt sind. Verfolgte sollten anonym (gegen Aussen) bleiben.

Vielleicht sehe ich zu kurz und würde gerne erfahren, was denn die konkreten Bedenken von Frau Engeler sind.
27929
Melden
Zum Kommentar
avatar
walsi
15.08.2019 15:14registriert Februar 2016
Wenn die Asylsuchenden nichts zu verschleiern haben sollten sie von sich aus ja alles unternehmen, dass ihr Status möglichst schnell geklärt ist und sie Asyl bekommen. Das Problem ist wohl eher, dass viele Asylsuchenden zu verschleiern suchen aus welchem Land sie kommen, weil ihnen klar, dass sie dein kein Asyl bekommen weil sie aus einem sicheren Land kommen. Das wären dann Wirtschaftsflüchtlinge.
14825
Melden
Zum Kommentar
avatar
we loverov
15.08.2019 14:31registriert November 2017
Mich überrascht dass die Einsicht in Handys und Computer ein Problem darstellt. Ich musste schon 2 mal mein Laptop und Handy entsperren und zeigen. Bangkok,Toronto
13111
Melden
Zum Kommentar
125
In Luzerner Kantonsspital kursiert «Mimimi-Formular» – Belegschaft «verletzt und empört»

«Wir sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Luzerner Kantonsspital (LUKS) und schreiben Ihnen diesen Brief, um Ihnen ein schwerwiegendes Problem in unserem Unternehmen aufzuzeigen» – so beginnt ein anonymes Schreiben, das die watson-Redaktion diese Woche erhalten hat.

Zur Story