Der ehemalige Minneapolis-Polizist Derek Chauvin wurde für den Mord an George Floyd in allen drei Anklagepunkten schuldig gesprochen:
Mord zweiten Grades wird auch felony murder – Tötung im Rahmen eines anderen Verbrechens – genannt. Um diesen Tatbestand zu beweisen, musste die Staatsanwaltschaft zeigen, wie Chauvin den Tod Floyds herbeiführte, während er ein anderes Verbrechen beging. Dieses andere Verbrechen bestand in diesem Fall in einer Körperverletzung dritten Grades. Sie mussten also nicht beweisen, dass Chauvin Floyd mit Absicht tötete, sondern dass er absichtlich rechtswidrige Gewalt anwandte, welche zu Körperverletzungen führte.
Nur sehr wenige Bundesstaaten teilen die Mordanklage in drei Stufen auf – Minnesota ist einer davon. Für diesen Anklagepunkt musste die Staatsanwaltschaft aufzeigen, dass Chauvin den Tod von Floyd durch eine Handlung verursachte, die «äusserst gefährlich» war. Zudem mussten sie darlegen, dass diese Handlung rücksichtslos und mit einer bewussten Gleichgültigkeit gegenüber dem Verlust von Leben durchgeführt wurde.
Ein Totschlag zweiten Grades besteht, wenn der Tod durch strafbare Fahrlässigkeit verursacht wird. Gemäss der Staatsanwaltschaft ging Chauvin bewusst das Risiko ein, schwere Verletzungen oder gar den Tod bei Floyd zu verursachen.
Richter Peter Cahill wird in den kommenden acht Wochen das Strafmass festlegen. Die Zeit bis zur Urteilsverkündung wird Chauvin im Gefängnis verbringen – vor dem Prozess war er noch auf Kaution frei.
Das sind die Höchststrafen für die Anklagepunkte:
Die Strafzumessungsrichtlinien des Bundesstaates Minnesota empfehlen etwa 12,5 Jahre Gefängnisstrafe pro Mordanklage, sowie 4 Jahre für die Totschlagsanklage. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft eine strengere Bestrafung gefordert, als die Empfehlungen dies vorsehen, berichtet die «Los Angeles Times».
Dies begründen sie mit weiteren Faktoren, welche Richter Cahill berücksichtigen müsse. So beispielsweise die Tatsache, dass der Mord vor den Augen eines Kindes stattgefunden habe. Auch die Machtdynamik zwischen den Polizisten und Zivilisten müsse in sein Urteil mit einfliessen. Chauvin verzichtete auf sein Recht, eine Jury prüfen zu lassen, ob diese Faktoren eine Abweichung des Strafmasses nach oben berechtigten. Er überlässt die Entscheidung dem Richter Cahill.
Cahill gibt beiden Seiten noch eine Woche Zeit, juristische Anträge über erschwerende Faktoren einzureichen.
Zudem ordnete er auch einen «pre-sentence investigation report» an, der in Minnesota erforderlich ist. Dieser enthält beispielsweise Informationen zu den Eigenschaften des Angeklagten, sein Strafregister, sowie seine soziale Geschichte. Des Weiteren führt er auch Details über die Straftat und den Schaden auf, der dadurch bei anderen Menschen entstanden ist.
Sowohl die Anklage als auch die Verteidigung wird auf diesen Bericht reagieren können, bevor Cahill das Urteil in zwei Monaten verkündet. Ein genaues Datum steht allerdings noch nicht fest.
Wie die «Los Angeles Times» schreibt, verbüssen die Angeklagten in Minnesota üblicherweise zwei Drittel ihrer Strafe im Gefängnis, während der Rest auf Bewährung ausgesetzt wird.
Nebst Derek Chauvin sitzen noch drei weitere Polizisten auf der Anklagebank: Tou Thao, J. Alexander Kueng und Thomas Lane. Sie alle waren anwesend, als Chauvin sein Knie während 9 Minuten auf Floyds Nacken drückte. Sie werden wegen Beihilfe zum unbeabsichtigten Mord zweiten Grades und Beihilfe zum Totschlag zweiten Grades angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, Chauvin nicht aufgehalten zu haben, während anwesende Zivilisten ihn anflehten, das Knie von Floyds Nacken zu nehmen. Das Trio wird ab dem 23. August in Hennepin County gemeinsam vor Gericht stehen.
(saw)