Diese dicke Post ist eine unzulässige Rückwirkung, meinen die einen. Falsch, meinen die anderen: Aus Gründen der Rechtsgleichheit ist für alle die Ersatzabgabe gleich lang geschuldet. Das zugrunde liegende Gesetz übt sich in vornehmen Schweigen, weswegen sich nun das Bundesgericht mit der umstrittenen Angelegenheit befassen muss.
Unumstritten ist, dass gemäss unserer Bundesverfassung jeder Schweizer Militär- oder zivilen Ersatzdienst leisten muss. Wer das nicht tut, schuldet grundsätzlich eine Ersatzabgabe. Diese beträgt 3 % des taxpflichtigen Einkommens, mindestens aber 400 Franken. Die Dauer der Ersatzpflicht orientiert sich an jener der Militärdienstpflicht.
Etwas komplizierter kann es werden, wenn du nicht schon immer Schweizer warst. Erhältst du den roten Pass vor deinem 24. Geburtstag, ist alles noch recht einfach: Der Kanton bietet dich für die Rekrutierung auf. Falls dich der Arzt im Rekrutierungszentrum für diensttauglich erklärt und du den Militärdienst mit deinem Gewissen vereinbaren kannst, stehen die RS und in der Regel einige WK an.
Bei einer Einbürgerung nach deinem 24. Geburtstag kannst du grundsätzlich, sofern diensttauglich, freiwillig Militärdienst leisten. Leistest du keinen oder nur teilweisen Militär- oder zivilen Ersatzdienst, zahlst du die Ersatzabgabe.
Soweit, so kompliziert. Nun entwickelt sich aber auch die Armee weiter, weswegen alles noch etwas komplizierter wird: Ein Schweizer kann seit dem 1. Januar 2018 den Militärdienst zwischen dem 19. und dem 37. Altersjahr absolvieren, statt wie bisher zwischen dem 20. und dem 34. Altersjahr. Entsprechend hat das Parlament auch die Ersatzpflicht vom vollendeten 19. bis zum vollendeten 37. Altersjahr verlängert. Maximal erhältst du 11 Rechnungen über die Wehrpflichtersatzabgabe vom Kanton.
Nicht schlecht staunten nun einige Neuschweizer, die vor dem 1. Januar 2018 30 wurden, aber ihren 37. Geburtstag noch nicht gefeiert sowie keinen Militär- oder zivilen Ersatzdienst und weniger als 11 Ersatzabgaben geleistet hatten: Ihre abgelaufen geglaubte Ersatzpflicht lebte plötzlich wieder auf und der Kanton bat sie im Auftrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung ab 2018 erneut zur Kasse.
Das stiess einigen sauer auf, da die erneute Rechnung gegen das Rückwirkungsverbot verstosse. Der Bundesrat ist anderer Ansicht und argumentiert mit drohenden Ungleichheiten insbesondere gegenüber Eingebürgerten, welche sich für den Militärdienst entschieden haben. Zudem lehnt der Bundesrat eine rückwirkende Aufhebung der Rückwirkung ab, weil eine Anpassung der Gesetzesgrundlagen 3 bis 4 Jahre dauere und deswegen insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit problematisch sei.
Ob Letzteres das Bundesgericht überzeugt, ist etwas zweifelhaft. Denn nur belastende Rückwirkungen sind rechtsstaatlich überhaupt problematisch, wie das höchste Gericht seit langem weiss. Überzeugender dürfte das Argument der grundsätzlich zulässigen so genannt «unechten Rückwirkung» sein. Denn die Rechnungen betreffen nur die Ersatzpflichtjahre ab dem 1. Januar 2018. Für die vorherigen Jahre veranlagen die Kantone nicht, selbst wenn der Eingebürgerte da noch unter 37 war.
Gleichwohl darf die Steuerverwaltung noch nicht siegesgewiss sein. Denn das Bundesgericht kann eine unechte Rückwirkung ohne angemessene Übergangsregelung ablehnen. Letztere soll den Betroffenen eine «angemessene Frist» einräumen, um «sich an die neue Regelung anzupassen.» Für die Militärdienstleistenden, die neu bei fehlenden Diensttagen eine Abschluss-Ersatzabgabe bezahlen müssen, hat der Gesetzgeber bewusst eine Übergangsregelung erlassen: Diese sollten nämlich die Möglichkeit haben, fehlende Diensttage noch zu leisten. Für Neubürger, die keinen Militärdienst leisten, gibt es keine Übergangsregelung. Ob die Bundeskasse oder die Neubürger für diese Lücke bezahlen müssen, wird das Bundesgericht entscheiden.
Entweder für alle abschaffen oder für alle obligatorisch erklären.
Alternativ könnten ja eingebürgerte gegen Erwerbsersatz, einfach einen paar monatigen Sozialdienst in einer Schule/Altersheim leisten, dann hätten sogar alles was davon.