Die Senatoren der Grand Old Party (GOP) müssen immer häufiger ein für sie peinliches Ritual durchlaufen: Vor laufenden Kameras werden sie zu Aktionen oder Tweets ihres Präsidenten befragt. Meist murmeln sie dabei etwas Unverständliches in ihren Corona-Mundschutz, über den sie für einmal froh sind.
Jüngstes Beispiel ist der präsidiale Tweet zu einer Polizei-Aktion der Polizei von Buffalo. Stämmige Ordnungshüter hatten den 75-jährigen Martin Gugino brutal zu Boden gestossen. Der stadtbekannte Friedensaktivist erlitt dabei einen Schädelbruch und liegt immer noch in kritischem Zustand im Spital.
Obwohl die Aktion gefilmt wurde und die Fakten eindeutig sind, versucht Trump, den harmlosen Friedensaktivisten als Antifa-Terroristen darzustellen. Das geht selbst eingefleischten Konservativen zu weit. Ari Fleischer, der ehemalige Pressesprecher von George W. Bush, der Trump immer wieder auf Fox News verteidigt, erklärt nun:
Nach der desaströsen Bibel-Hochhalten-Aktion ist dieser Tweet der zweite Mega-Flop des Präsidenten in den letzten Tagen. Trump setzt nun sein gesamtes politisches Kapital auf eine «Recht-und-Ordnung»-Strategie, wie es einst Richard Nixon nach den Unruhen im Jahr 1968 getan hat. Doch diese «Southern Strategy» funktioniert offensichtlich nicht mehr. Zu sehr haben sich Demographie und gesellschaftliche Umstände in den Vereinigten Staaten verändert.
«Black Lives Matter» (BLM) ist inzwischen keine extreme Randgruppe mehr. «Es ist etwas, bei dem selbst Mitt Romney mitmachen kann», sagt Justin Hansford, ein BLM-Aktivist in der «Washington Post». Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner ist bei der BLM-Demonstration in Washington in einer Gruppe christlicher Demonstranten mitmarschiert.
BLM wurde 2012 gegründet. Auslöser war ein Zwischenfall, bei dem der schwarze Teenager Trayvon Martin von einem weissen Nachbarschaftswachmann umgebracht wurde. Sie erreichte einen ersten Höhepunkt, nachdem im August 2014 in der Stadt Ferguson ein weisser Polizist einen unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen hatte.
Obwohl dieser Vorfall landesweit Empörung auslöste, unterstützten damals bloss 25 Prozent der Amerikaner die BLM-Bewegung. Inzwischen ist daraus eine deutliche Mehrheit geworden. Das zeigen verschiedene Umfragen der letzten Tage.
«Vor sieben Jahren waren die Menschen überzeugt, BLM sei eine radikale Idee», sagt denn auch Alicia Garza, eine der Gründerinnen der Bewegung in der TV-Sendung «Meet the Press». «Heute wird BLM an Esstischen auf der ganzen Welt diskutiert.»
Auf diese Entwicklung findet der Präsident keine Antwort. Jennifer Senior, Kolumnistin bei der «New York Times», drückt es wie folgt aus:
Das «Wall Street Journal» berichtet derweil, dass Trump seinen Verteidigungsminister Mark Esper feuern wollte. Es wäre bereits die vierte Entlassung eines Verteidigungsministers gewesen.
Esper hatte an einer Pressekonferenz erklärt, dass er keine aktiven Soldaten gegen die Demonstranten aufbieten wolle und es auch ablehne, ein aus dem Jahr 1807 stammendes Notrecht-Gesetz anzurufen. Genau damit hatte der Präsident zuvor gedroht.
Gemäss «Wall Street Journal» konnten Trumps Berater ihn nur mit Mühe von der Entlassung abhalten. Das hätte das Verhältnis des Präsidenten zu seinen Militärs noch weiter getrübt. Mehrere Ex-Generäle, darunter der ehemalige Verteidigungsminister Jim Mattis, hatten sich bereits öffentlich gegen Trump gewandt.
Auch die GOP wirkt in diesen Tagen rat- und hilflos. Während die Demokraten bereits ein Gesetz vorlegen, wie die Polizeigewalt eingedämmt werden kann, haben die Republikaner fürs Erste ihren einzigen schwarzen Senator, Tim Scott aus South Carolina, mit der Ausarbeitung eines Vorschlages beauftragt.
Trump ist mittlerweile derart verzweifelt, dass er ankündigt, er wolle schon nächste Woche wieder eine seiner beliebten Wahlkampf-Rallys durchführen. Bei einer solchen Veranstaltung werden Zehntausende von Menschen in ein Stadion gepackt, in dem sie, eng aneinander stehend, stundenlang ausharren – der ideale Superspreading Event.
Dabei steigt mittlerweile die Zahl der Corona-Infizierten in den USA wieder leicht an. Wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat Trump jedoch beschlossen, Corona fortan einfach zu ignorieren.
Der demokratische Herausforderer Joe Biden hat inzwischen im Durchschnitt einen Vorsprung von 8 Prozentpunkten auf Trump. Eine CNN-Umfrage sieht ihn gar mit 14 Prozentpunkten in Front. Trumps Zustimmungswerte sind auf 38 Prozent gesunken. Vor seiner Niederlage 1980 gegen den Herausforderer Ronald Reagan lagen die Werte von Präsident Jimmy Carter auf diesem Niveau.
Für Trump-Fans bleibt ein Trost: Auch im Sommer 2016 sahen die Zahlen nicht besser aus. Doch damals war Trump der Herausforderer – und BLM eine unbedeutende Splittergruppe.