Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Bayern stand nicht unmittelbar bevor
Die wegen mutmasslicher Anschlagspläne auf einen Weihnachtsmarkt in Niederbayern festgenommenen Männer hatten wohl noch kein konkretes Ziel ausgesucht. «Pläne für einen Anschlag an einem bestimmten Tag oder an einem bestimmten Weihnachtsmarkt gibt es nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht», sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). «Durch die Festnahmeaktion in Niederbayern konnte eine konkrete Gefahr nach derzeitigem Stand bereits in einem sehr frühen Stadium unterbunden werden.» Nach derzeitigem Stand gehe er nicht davon aus, dass der Anschlag unmittelbar bevorgestanden habe.
Welchen Weihnachtsmarkt sie im Visier gehabt haben sollen, wie konkret die Anschlagspläne waren und wo die Männer festgenommen wurden, gab die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft München zunächst nicht bekannt. Mitgeteilt wurde nur, dass ein islamistisches Motiv angenommen werde, die Verdächtigen es anscheinend auf einen Weihnachtsmarkt im Raum Dingolfing abgesehen hatten und die Tat wohl mit einem Fahrzeug verüben werden sollte.
Einen konkreten Weihnachtsmarkt hatten die Männer womöglich noch nicht im Blick. Aus Sicherheitskreisen hiess es, man habe nach dem ersten Hinweis auf eine mögliche Anschlagsplanung genauer hingeschaut und dann rasch gehandelt, um kein Risiko einzugehen.
Fünf Festnahmen am Freitag
Die fünf Männer waren bereits am Freitag von Spezialeinsatzkräften festgenommen worden. Die Sicherheitsbehörden waren nach eigenen Angaben zwei Tage vorher auf sie aufmerksam geworden. Wie sie ihnen auf die Schliche kamen, ist nicht bekannt.
Am Samstag ergingen Haftbefehle gegen vier der Männer. Einer wurde in Präventivgewahrsam genommen, wie die Generalstaatsanwaltschaft München bestätigte. Ob und falls ja, wie sich die Männer zu den Vorwürfen äusserten, blieb zunächst offen. Ebenso, ob sie im Landkreis Dingolfing-Landau lebten. Als Teil der Ermittlungen sollen laut Herrmann nun technische Geräte wie Handys ausgewertet werden.
In Moschee zu Anschlag aufgerufen
Bei den Männern handelt es sich den Ermittlern zufolge um einen 56-jährigen Ägypter, einen 37-jährigen Syrer und drei Marokkaner im Alter von 22, 28 und 30 Jahren. Der Ägypter, ein islamischer Prediger, soll nach derzeitigem Erkenntnisstand in einer Moschee im Raum Dingolfing-Landau zu einem Anschlag aufgerufen haben, «um möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen», wie die Generalstaatsanwaltschaft erklärte.
Die drei Marokkaner sollen demnach bereit gewesen sein, den Anschlag auszuführen. Ihnen wird vorgeworfen, sich zum Mord bereiterklärt zu haben. Der Syrer soll die Männer in ihrem Entschluss bestärkt haben. Ein Bezug zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wird dem Vernehmen nach nicht angenommen.
Der Ägypter, der mit den anderen Männern in einer Hinterhof-Moschee Gespräche geführt haben soll, lebt nach dpa-Informationen bereits seit rund drei Jahrzehnten in Deutschland und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis. Ganz anders die drei jungen Marokkaner: Sie sollen erst in den vergangenen Monaten als Fachkräfte eingereist sein. Der Syrer soll einen Asylantrag gestellt und etwa vor zwei Jahren subsidiären Schutz erhalten haben. Dieser Schutzstatus ist als vorübergehende Lösung gedacht und dient dem Schutz vor akuten Gefahren im Herkunftsland.
Die Zentralstelle der Generalstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus leitete den Einsatz, an dem auch das Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt war. Ein ausländischer Nachrichtendienst sei nicht involviert gewesen, hiess es. Weitere Informationen waren bis zum Sonntagmorgen nicht zu bekommen.
Keine Änderungen oder zusätzliche Auflagen
«Dank der hervorragenden Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden konnten in kürzester Zeit mehrere Tatverdächtige festgenommen und damit ein potenzieller islamistisch motivierter Anschlag in Bayern verhindert werden», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). «Wir sind in der Lage, unsere Bürgerinnen und Bürger zu schützen!» Nun müssten die Hintergründe gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft München aufgeklärt werden. Es gibt daher keinen Anlass auf die Durchführung oder den Besuch von Weihnachtsmärkten zu verzichten.»
Auch im Landkreis Dingolfing-Landau gehen die Weihnachtsmärkte unterdessen weiter, wie Landrat Werner Bumeder (CSU) laut Mediengruppe Bayern sagte: «Die laufenden und geplanten Christkindlmärkte finden statt, von behördlicher Seite gibt es diesbezüglich keine Änderungen oder zusätzliche Auflagen. Sicherheitskonzepte lagen für alle Märkte bereits vor, diese haben weiterhin Bestand.»
Polizei sieht von Verschärfung von Sicherheitsmassnahmen ab
Auch die Polizeipräsidien in Niederbayern sowie in München und Nürnberg, wo es grosse und bekannte Weihnachtsmärkte gibt, sehen auf dpa-Anfrage keine Notwendigkeit, die Sicherheitsmassnahmen zu verschärfenDie Sicherheit sei schon jetzt hoch, hiess es, an der Lage habe sich durch die aktuellen Ereignisse nichts geändert. Zumal ein möglicher Angriff mit einem Fahrzeug in den Sicherheitskonzepten bereits bedacht sei.
Als weiteres Argument führt unter anderem das Polizeipräsidium Niederbayern an, dass die Verdächtigen ja festgenommen worden seien und von ihnen daher keine Bedrohung ausgehe. Ein Sprecher aus Nürnberg betonte: Dies zeige, dass die Sicherheitsbehörden sehr fokussiert seien.
Besondere Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden
Weihnachtsmärkten gilt seit längerem besondere Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden – auch wegen früherer Anschläge. So steuerte ein radikalisierter Islamist am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in die Menschenmenge auf dem Berliner Breitscheidplatz und tötete damit 13 Menschen, wobei einer erst Jahre später den Folgen starb.
Im vergangenen Jahr raste ein Autofahrer absichtlich über den Magdeburger Weihnachtsmarkt, tötete damit sechs Menschen und verletzte mehr als 300 weitere. Derzeit läuft am Landgericht Magdeburg der Prozess gegen den geständigen Täter aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebt. (sda/dpa)
