Die einen sehen darin hauptsächlich Marketing und Geldmacherei mit dem Image erfolgreicher Produkte, für andere ist es eine echte Bereicherung der Spielewelt: Erfolgreiche Brett- und Kartenspiele ziehen oft nicht nur Erweiterungen, sondern auch abgespeckte, umgemodelte oder aufgemotzte Ableger nach sich: Aus Brettspielen werden Kartenspiele. Aus Kartenspielen werden Würfelspiele. Aus Würfelspielen werden Brettspiele. Wir haben uns durch fünf aktuelle Beispiele gespielt.
Das Karten-Stichspiel «Wizard» ist der Topseller im Amigo-Verlagsprogramm. Das Spiel von Ken Fisher erschien 1984 in den USA. Seit 1996 wird die deutsche Version von Amigo verlegt und ist über 1,7 Millionen Mal verkauft worden. Wer seine Stiche am genauesten voraussagt, gewinnt. In der ersten Runde erhalten die Spieler nur eine einzige Karte, in der nächsten Runde zwei Karten und so weiter, bis in der letzten Spielrunde alle Karten im Spiel sind. Mittlerweile umfasst die Wizard-Spielefamilie schon sechs verschiedene Titel.
Magier trainieren ihre Gabe im Voraussagen von Würfelergebnissen.
«Wizard Würfelspiel» ist ein «Roll and Write»-Spiel: Man würfelt und trägt Resultate auf einem Wertungsblatt ein. Die Rolle des aktiven Spielers, der hier «Seher» heisst, wechselt. Er darf mit sieben Würfeln würfeln und bis zu zweimal beliebig viele Würfel nachwerfen. Vorher muss er als Erster aber weissagen, welche Farbe er wie oft würfeln wird. Reihum geben alle anderen Spieler Wetten ab, die sich allerdings von den Vorhersagen der Mitspieler unterscheiden müssen. Ist eine Vorhersage nach irgendeinem der drei Würfe korrekt, darf man sich mit Punkten aus der aktuellen Runde verabschieden. Andernfalls kassiert man Minuspunkte oder kann sich möglicherweise noch mit gewürfelten Narrenkappen in einen neutralen Nuller retten.
Klein und kompakt, sieben Würfel. Eine Variante mit zusätzlichen Zauberkarten für Fortgeschrittene bringt Abwechslung ins Spiel.
Es ist ein kleines, gemeines Zocker-Spiel, das wesentlich mehr taktische und psychologische Raffinesse enthält, als man zunächst vermutet. Nicht nur das Glück beim Würfeln ist entscheidend. Als Seher kann man versuchen, mit der Entscheidung, wie viele und welche Würfel man nachwürfelt, gezielt seine Mitspieler auszubremsen. Das Spielgefühl weckt allerdings überhaupt keine Assoziationen zum Kartenspiel, ausser dem Umstand, dass etwas vorausgesagt werden muss und die Symbole des Kartenspiels auf den Würfeln verwendet werden. Das Würfelspiel hat aber einen eigenständigen Touch, weckt Emotionen und ist unterhaltend, vor allem weil man richtig fies zu den Gegnern sein kann.
Von Daan Kreek für 2 bis 5 Spieler ab 10 Jahren; ca. 20 min; Verlag: Amigo; ca. 15 Franken.
Hier ist das ursprüngliche Spiel nicht auf Anhieb zu erkennen: Es handelt sich um das Brettspiel «Yspahan» des Schweizers Sébastien Pauchon aus dem Jahre 2006. Das ist ein Aufbauspiel mit wirtschaftlichem Grundthema, bei dem die Spieler reihum jeweils eine Gruppe von geworfenen Würfeln auswählen müssen, um damit unterschiedliche Aktionen auszuführen. Mit diesen Aktionen kann man Steine in den Läden der Stadt platzieren, einen Aufseher bewegen, Karten ziehen, Kamele oder Gold erhalten.
Im vierten Jahrhundert vor Christus kommen Kaufleute nach Korinth, um in der sengenden Hitze Teppiche, Olivenöl, Gewürze und anderen Krempel feilzubieten. Die Spieler sollen ein Handelsimperium aufbauen, um als «der beste Kaufmann von Korinth» in die Geschichte einzugehen.
Das Grundprinzip von «Yspahan» wurde vereinfacht und in ein «Roll and Write»-Spiel umgemodelt: Der aktive Spieler wirft Würfel und muss sie gemäss den geworfenen Augenzahlen in verschiedene Gruppen sortieren. Dann darf sich jeder Spieler reihum eine Würfelgruppe auswählen und auf seinem Wertungsblatt in einem zugehörigen Bereich, der einen Stadtbezirk darstellt, Waren abstreichen.
Sehr dicker Wertungsblatt-Block mit 150 Spielerbögen. 12 Würfel. Grafik im Comic-Stil.
«Corinth» ist eines der interessanteren und in meinen Spielgruppen beliebteren «Roll and Write»-Spielen, die neu auf den Markt gekommen sind. Obwohl es ein Würfelspiel mit entsprechend hohem Glücksfaktor ist, hat nur Erfolg, wer clever plant. Einfach aus dem Bauch heraus mal dies und mal das zu versuchen, führt auf die Verliererstrasse. In jedem Stadtbezirk erhält der erste, der gewisse Ziele erreicht, einen wertvollen Bonus. Deshalb muss man den Fortschritt seiner Konkurrenten stets im Auge behalten und versuchen, ihnen zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Würfel vor der Nase wegzuschnappen.
Von Sébastien Pauchon für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren; 20 bis 30 min; Verlag: Days of Wonder/Asmodee; ca. 30 Franken.
«Das verrückte Labyrinth» ist ein moderner Klassiker und Millionenseller. Das Spiel wurde vom Wahrnehmungspsychologen und Spieleautor Max Kobbert erfunden und erschien erstmals 1986 im Ravensburger Verlag. Über 20 Spielvarianten sind daraus bisher entwickelt worden, was die grösste Produktfamilie bei Ravensburger ist. Mit über 20 Millionen weltweit verkauften Exemplaren ist «Das verrückte Labyrinth» zudem das erfolgreichste Brettspiel von Ravensburger.
Magier und Hexen wollen in einem Labyrinth wie eh und je Schätze finden. Nun eilen sie zusätzlich treppauf und treppab und verschieben mehrstöckige Türme.
Die Spieler müssen im Labyrinth mit ihrer Figur Schätze erreichen. Diese sind auf ihren Schatzkarten abgebildet, die für die Mitspieler geheim bleiben. Wer am Zug ist, nimmt einen Turm, schiebt ihn ins Labyrinth, wodurch gegenüber ein anderer Turm herausgeschoben wird. Dadurch verändern sich die Wege, auf denen die Figuren gezogen werden dürfen. Die Labyrinth-Teile haben nun fünf verschiedene Höhen. Beim normalen Ziehen mit den Figuren dürfen nur Höhenunterschiede von maximal einer Stufe von Turm zu Turm überwunden werden. Allerdings kann man mit Zauberkarten diese Regel auch aushebeln.
Das Material wirkt für Ravensburger-Verhältnisse doch ziemlich billig: Viel Plastik und dünner Karton.
Das Spielprinzip ist bekannt: Das Grundspiel ist in seiner aufs Wesentliche reduzierten Eleganz schon ein ganz grosser Wurf. Durch die Dreidimensionalität kommt jetzt zwar ein neuer Aspekt ins Spiel, den man zusätzlich taktisch berücksichtigen muss, eine wahnsinnige neue spielerische Offenbarung und eine zusätzliche Motivation ergibt sich dadurch aber kaum.
Von Michael Feldkötter für 2 bis 4 Spieler ab 7 Jahren; 20 bis 30 min; Verlag: Ravensburger; ca. 45 Franken.
In seiner Urfassung ist «Saboteur» von Frédéric Moyersoen ein kompaktes Kartenspiel, das nur aus 110 Karten besteht. Es wurde 2004 bei Amigo veröffentlicht und ist semikooperativ. Die Spieler bekommen zu Beginn geheim Rollen von Goldsuchern oder Saboteuren zugeteilt, wodurch einzelne oder mehrere Spieler gegen die anderen spielen.
Zwergen-Clans machen sich auf, um in Minen nach wertvollen Schätzen zu graben. Fallen, Trolle, Drachen, ein gegnerischer Clan und illoyale eigene Clanmitspieler erschweren die Mission.
Zu Beginn erhält jeder Spieler geheim eine Rolle zugeteilt. Anders als im Kartenspiel sind zwei gegnerische, gleichwertige Zwergenclans am Werk. Die Zwerge eines Clans teilen ihre Funde untereinander auf. In jedem Clan gibt es aber auch noch selbstsüchtige Zwerge, die alles egoistisch für sich behalten, und Saboteure, die in Wirklichkeit für den gegnerischen Clan arbeiten. Mit der eigenen Figur versucht man, Minen mit Schätzen zu erreichen. Wer an der Reihe ist, legt erstens eine Wegkarte auf das Brett aus, um das Wegnetz zu erweitern, spielt zweitens eine Aktionskarte aus, mit der Hindernisse überwunden, Fallen gestellt oder Wege blockiert werden können, und zieht drittens seine Zwergenfigur.
Im Gegensatz zum Kartenspiel sehr reichhaltiges Material und umfassendes Regelwerk.
Das Spiel muss in grossen Runden gespielt werden, in einer Partie mit nur vier Spielern trägt die Spielidee nicht. Bei acht oder neun Spielern ist dann allerdings auch das Frustpotenzial hoch, weil man nicht oft an die Reihe kommt, das Gefühl hat, nicht wirklich viel beeinflussen zu können und von den anderen gespielt zu werden. Die simple, aber packende Psychologie des Kartenspiels, in dem es fast ausschliesslich darum geht, entweder zu bluffen oder herauszufinden, wer Saboteur ist und darauf zu reagieren, tritt angesichts von reichlich Drumherum-Brimborium in den Hintergrund. Fans des Saboteur-Kartenspiels waren sehr gespannt auf diese Brettspiel-Umsetzung, wurden davon aber nicht derart mitgerissen, dass sie es gegenüber dem Kartenspiel vorziehen würden.
Von Frédéric Moyersoen für 3 bis 9 Spieler ab 10 Jahren; ca. 45 min; Verlag: Amigo; ca. 30 Franken.
Auch «6 nimmt!» ist ursprünglich ein kompaktes Kartenspiel (mit 104 Karten). Es wurde von Wolfgang Kramer entwickelt, erschien 1994 bei Amigo und wurde umgangssprachlich bald einfach «Hornochsen» genannt, weil man durch entsprechende Symbole auf den Karten Minuspunkte erhält. Mittlerweile gibt es zahlreiche Ableger davon, auch schon ein anderes Brettspiel, das «Hornochsen» hiess.
Kein eigentliches Thema. Es bleibt beim abstrakten Spielprinzip. Wer die letzte Karte in eine Reihe legt, muss die ganze Reihe nehmen und kassiert deren Minuspunkte.
Aus den Karten sind kleine Kartonplättchen mit den Zahlenwerten von 1 bis 100 geworden, die in Reihen auf den Spielplan gelegt werden. Alle Spieler wählen verdeckt ein Plättchen aus ihrem Vorrat aus, decken gleichzeitig auf und müssen ihr Plättchen in eine Reihe legen. Bereits beim Legen kann man durch das Ablegen auf Sonderfelder Plus- oder Minuspunkte erhalten. Die Reihen sind unterschiedlich lang. Wer das letzte Plättchen in eine Reihe legt, erhält die aufgedruckten Hornochsen aller Plättchen der Reihe als Minuspunkte.
Spielvarianten in vier Schwierigkeitsstufen. Es gibt noch Glücks- und Aktionskarten, die zusätzliche Glücks- und Taktikfaktoren ins Spiel bringen und den Spielverlauf noch unberechenbarer, chaotischer und turbulenter machen.
Auch hier ist das Kartenspiel bereits derart genial, dass man sich fragen kann, wozu es dieses Brettspiel braucht. Durch die neuen Möglichkeiten und Aktionskarten hat man zwar wesentlich mehr und kompliziertere taktische Möglichkeiten, ist dadurch aber auch länger am Studieren, was man machen soll. Weil die Gegner diese taktischen Möglichkeiten und zusätzliche Eingriffsoptionen auch haben, ist das Resultat einer Runde dann jeweils noch unberechenbarer, zufälliger und willkürlicher als im Kartenspiel.
Von Wolfgang Kramer für 2 bis 6 Spieler ab 8 Jahren; ca. 25 min; Verlag: Amigo; ca. 40 Franken.
Schon seit Kindertagen. 😊
Ich muss mir definitiv diese Neuauflage besorgen. Das wird auf jeden Fall sehr lustig im Freundeskreis.