Selbstständigerwerbende konnten heute um 15 Uhr jubeln. Der Bundesrat gab bekannt, dass direkt und indirekt von der Coronakrise Betroffene weiterhin Erwerbsausfallentschädigungen beziehen können. So konnten etwa Eventtechnikerinnen, Grafiker oder Konzertplanerinnen trotz ersten Shutdown-Lockerungen nur schwer wieder Aufträge gewinnen, weil die meisten Veranstaltungen auch über den Sommer hinaus abgesagt wurden.
Damit korrigiert die Landesregierung ihren Entscheid vom 16. Mai, als sie die meisten Erwerbsausfall-Ansprüche der Selbstständigerwerbenden auslaufen liess. Das löste massiven Druck im Parlament aus, der in der Forderung nach einer ausserordentlichen Session eskalierte.
Gefordert wurde sie Anfang Juni von Vertreterinnen und Vertretern der SP und der Grünen – nötig waren für einen solchen Antrag gemäss Parlamentsgesetz 50 Mitglieder des Nationalrates. Der Bundesrat versprach, die Vorstösse zur Verlängerung der Hilfen für Selbstständige und Personen in «arbeitgeberähnlicher Stellung» bis heute zu beantworten. Trotz des Versprechens lehnte das Büro des Nationalrats ab, die ausserordentliche Session noch vor den Sommerferien durchführen zu lassen.
Mit dem Entscheid des Bundesrats für die Selbstständigerwerbenden wird die Forderung zum Erwerbsersatz obsolet. «Für die Selbstständigen ist das ein gutes Zeichen», sagt Schriftstellerin Monica Cantieni, die vor Wochen zusammen mit anderen Kulturschaffenden einen offenen Brief an den Bundesrat schrieb. Sie fordert jedoch, dass man auch weiterhin darauf achten solle, dass «niemand durch die Maschen» fällt.
Der Bundesrat äusserte sich auch zum Vorstoss für Personen in «arbeitgeberähnlichen Stellungen». Bis Ende Mai profitierten Betreiberinnen und Betreiber von Kleinstbetrieben von einer Ausnahmeregelung, durch die sie Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung erhielten.
Heute teilte der Bundesrat mit, dass er diese Kurzarbeitsentschädigung nicht verlängern will – stattdessen gibt es für sie eine andere Lösung, die ab dem 1. Juni rückwirkend gilt: «Diese Personen werden nun gleich behandelt wie die indirekt von den Massnahmen gegen das Coronavirus betroffenen Selbstständigerwerbenden.» Die Regierung schreibt, dass es einige Wochen dauern könne, bis diese Leistung eingerichtet werde.
Während die Selbstständigen jubeln, ist die Euphorie bei den Kleingewerblern zurückhaltend. Markus Schaub, Inhaber eines Zürcher Kreativunternehmens, sagt in einer ersten Einschätzung: «Ich weiss noch nicht, was das für mich bedeutet. Es sieht wie ein kleines Licht der Hoffnung aus.» Er betont jedoch, dass die Politik des Bundesrates der letzten Wochen in dieser Frage ein «Armutszeugnis» sei. «Es ist ein schwaches Signal, dass man sich erst heute auf eine Massnahme einigen konnte», so Schaub zu watson.
Freude hört man bei der SP, die zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Grünen und GLP die wirtschaftlichen Hilfen mit einer Extra-Session durchboxen wollte. «Heute nun hat der Bundesrat diese Blockadepolitik korrigiert und die SP-Forderungen erfüllt», heisst es in einer Mitteilung der Partei. Ihr Fraktionschef Roger Nordmann sagte, dass sich der «Druck» gelohnt habe.
Der Druck mit der Anfrage zur Ausserordentliche Session hat sich gelohnt.
— Roger Nordmann (@NordmannRoger) July 1, 2020
BR:
✅Unterstützt selbständige (EO)
✅Unterstützt Angestellte "Inhaberähnlich" (via EO statt KA, aber OK)
✅ Verlängert Kurzarbeit auf 18 M.
✅ Will Massenaussteuerung Ende August vermeiden.
Gut.
Freude auch bei der Grünen-Ständerätin Maya Graf, die in der kleinen Kammer den Vorstoss für die Selbstständigen eingereicht hatte. «Der Druck hat gewirkt! Ich bin sehr froh, dass es geklappt hat und dass der Bundesrat die Verzweiflung der Branche gehört hat», sagt Graf zu watson.