Digital
Elektroauto

VW baut jetzt seine eigenen Akkus für Elektroautos, aber ...

F.l.t.r.: Thomas Schmall, Dr. Bernd Althusmann, Bernd Osterloh, Dr. Herbert Diess and Frank Blome opened together the pilot line in Salzgitter.
Politiker und VW-Manager posieren während der Eröffnung. Bild: Volkswagen AG

VW baut jetzt seine eigenen Akkus für Elektroautos, aber ...

Aus einer kleinen Pilotanlage soll mittelfristig eine «Gigafactory» werden – der Wandel vom Verbrennungsmotor zur E-Mobilität ist ein Kraftakt für den deutschen Konzern.
23.09.2019, 14:2023.09.2019, 15:08
Mehr «Digital»

Alle reden von der Elektromobilität, beschwören ihren Durchbruch, weisen auf ihre Bedeutung angesichts der Klimaziele hin. Doch was hilft das, wenn Kunden zu wenig E-Autos bestellen und Hersteller verwundbar sind, weil sie Batteriezellen zukaufen müssen?

Der VW-Konzern hat lange überlegt. Manche Kritiker meinen: zu lange. Nun aber hat das Unternehmen in Salzgitter, im Südosten von Niedersachsen, – bisher Sitz des Werks für Verbrennungsmotoren – eine Pilotfertigung für Zellen hochgezogen. Am Montag wurde die Anlage eröffnet.

Zunächst sollen mit der Anlage weitere Erfahrungen gewonnen werden – das Projekt könnte aber auch die Basis für eine Zellherstellung im grossen Rahmen sein.

Bis zum Jahreswechsel 2023/24 werden in Salzgitter mehr als eine Milliarde Euro investiert. Dann soll auch eine mit dem schwedischen Partner Northvolt gebaute Zellenfabrik, eine sogenannte Gigafactory, in Betrieb gehen.

Die Schlüsselkomponente

Nur zusammenbauen oder alles selbst herstellen? Vor dieser Frage stehen die Autokonzerne bei der E-Mobilität. Eine eigene Produktion von Batteriezellen sichert Unabhängigkeit, kostet aber Milliarden.

Ziel sind eine grössere Selbstständigkeit und weniger Einfluss für marktbeherrschende Zulieferer wie Samsung und LG (Südkorea) oder CATL (China). VW-Konzernchef Herbert Diess hatte dem «Handelsblatt» gesagt: «Ich finde es erschreckend, dass wir in diese Abhängigkeit geraten sind.» Vor allem CATL versuchte zuletzt, in Deutschland stärker Fuss zu fassen, in Thüringen entsteht ein riesiges Zellwerk.

Mittelfristig sollen mehr als 1000 Jobs in Salzgitter entstehen – 300 im jetzt eröffneten Entwicklungszentrum, weitere 700 im Gemeinschaftsunternehmen mit Northvolt. Die Zellfabrik wird ab dem kommenden Jahr errichtet, sie ist auf die Grössenordnung von 16 Gigawattstunden (GWh) ausgelegt.

«Durch die Bündelung der Kompetenzen am Standort stellen wir sicher, dass wir die Weiterentwicklung der Batteriezellen als Schlüsselkomponente der Elektrifizierung selbst vorantreiben und schnell in die Serienfertigung überführen können», sagte VW-Beschaffungsvorstand Stefan Sommer.

The dispension of the battery slurry is done manually in gloveboxes.
Gewisse Arbeitsvorgänge bei der Batteriezellen-Produktion müssen von Hand vorgenommen werden.Bild: Volkswagen AG

In der ersten Stufe handele ich sich um eine reine Pilotanlage, deren Zellen für Prototypen bestimmt sind. Die Kapazität liege dabei zunächst unterhalb einer GWh, langfristig peile man konzernweit 150 GWh an.

Eine eigene Zellfertigung war für die deutschen Autohersteller bisher angeblich zu teuer, sie kauften die Komponenten von Zulieferern vor allem aus Asien ein.

In Salzgitter erproben rund 300 Mitarbeiter neue Fertigungsverfahren für Lithium-Ionen-Akkus. Dafür steckt der Konzern zunächst 100 Millionen Euro in den Standort.

Der Grossteil der derzeit 8000 Beschäftigten im Werk ist in der Produktion von Verbrennungsmotoren eingesetzt. Wie viele von ihnen «durch Hochfahren der Batteriezelle transformiert werden können», sei noch nicht klar, erklärte Sommer. «Wir werden uns bemühen.» Ein Drittel der Mitarbeiter in der Pilotfertigung stamme heute bereits aus der eigenen Belegschaft.

Recycling-Anlage am gleichen Standort

In seiner Einheit für konzerninterne Zulieferungen wie Motoren, Getriebe oder Lenkungen hat VW inzwischen ein separates Geschäftsfeld für Batteriezellen aufgebaut. An dem Gemeinschaftsunternehmen für den geplanten Werksbau in Salzgitter halten die Wolfsburger und Northvolt je die Hälfte der Anteile. Volkswagen investiert 900 Millionen Euro in die Gemeinschaftsfirma sowie in Northvolt selbst.

«Ab 2020 soll in Salzgitter eine 16-Gigawattstunden-Batteriezellfabrik entstehen. Der Start der Produktion ist für den Jahreswechsel 2023/2024 geplant. Dazu hat Volkswagen jüngst ein 50/50-Joint-Venture mit Northvolt gegründet. In diesem eigenständigen Unternehmen sollen mittelfristig 700 Arbeitsplätze entstehen.»
Auch eine Forschungsanlage für das Batterie-Recycling ist Teil der Kooperation. Sie soll 2020 die Arbeit aufnehmen.

Nach Angaben von VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ist die eigene Produktion der Zellen schon wettbewerbsfähig. «Die Preise liegen teils unter dem Niveau des Marktes.»

Osterloh wies darauf hin, dass die Pilotfertigung konzernintern allerdings lange umstritten war: «Wir dürfen nicht vergessen, wer den Weg geebnet hat.» Seit 2010 habe die Mitarbeitervertretung eine eigene Zellfabrik gefordert.

Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sagte, der Start der VW-Pilotlinie sei «ein wichtiges Signal für den weltgrössten Automobilhersteller». Er machte jedoch auch klar: Die Mitarbeiter von Volkswagen müssten «mitgenommen werden». Weil für die E-Mobilität insgesamt weniger Arbeitsvolumen nötig ist als für den Bau von Verbrennungsmotoren, dürften viele klassische Jobs in der Branche wegfallen, während in neuen Bereichen Stellen geschaffen werden.

Was macht Daimler?

Wie ist die Lage beim heimischen Konkurrenten Daimler?

Der Stuttgarter Autobauer hatte seinen Ausflug in die Zellproduktion im sächsischen Kamenz schon Ende 2015 eingestellt. Sie war zu teuer und nicht konkurrenzfähig mit den Billigzellen aus Asien. Im vorigen Jahr schloss Daimler Lieferverträge im Wert von 20 Milliarden Euro. Der Autobauer gibt vor, was die Zellen können sollen, und baut sie dann in seine Batterien ein. Zur Automesse IAA gab Daimler eine Kooperation mit dem chinesischen Hersteller Farasis Energy bekannt.

CATL wiederum liefert Zellen für die schweren Lastwagen, die von 2021 an in Serie mit Elektromotor gefertigt werden sollen. Die Batterien baut Daimler aber selbst. Weltweit steckt der Konzern mehr als eine Milliarde Euro in ein Netz aus mehreren Batteriefabriken für Pkw.

Was tut BMW?

Die Münchner bauen die Batterien für ihre Hybrid- und E-Autos selbst, etwa im Werk Dingolfing. Die Zellen werden extern eingekauft. Das dürfte bis auf Weiteres auch so bleiben. «Es gibt keine Pläne, selbst in die Produktion einzusteigen», sagte ein Sprecher. Eine Forschung zu Batteriezellen und Elektrochemie hat jedoch auch BMW aufgebaut, um mit Lieferanten auf Augenhöhe verhandeln zu können. Für das Werk von CATL vergaben die Bayern als erster Kunde einen Milliardenauftrag.

(dsc/sda/awp/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die vielen Väter des Volkswagens
1 / 10
Die vielen Väter des Volkswagens
Béla Barényi (1907-1997) hatte den Käfer bereits 1924/1925 in einer technischen Skizze detailliert gezeichnet, aber nicht ausreichend durch Patente abgesichert. 1955 verklagte er die Volkswagenwerk G.m.b.H. Ein Gericht anerkannte symbolisch die Urheberschaft am VW Typ 1. Barényis machte sich nach dem Krieg vor allem um die passive Sicherheit verdient.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das Elektroauto als Bekenntnis für den Klimaschutz
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
58 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
infomann
23.09.2019 15:28registriert Juni 2015
Vor rund zehn Jahren hatte Tesla angefangen und alle anderen haben alles verschlafen und sogar belächelt.
Wie die ach so fortschrittlichen Grosskonzerne so etwas verpassen können ist mir ein Rätsel.
Jetzt kommen langsam die ersten E-Autos aus Europa und werden uns als Errungenschaft verkauft.
18833
Melden
Zum Kommentar
avatar
DerHans
23.09.2019 15:32registriert Februar 2016
Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann bauen sie selbst endlich eine Gigafactory.
Auch die über alles erhabenen deutschen Autohersteller haben wohl eingesehen, dass sich die Zukunft nicht aufhalten lässt.
12214
Melden
Zum Kommentar
avatar
Inspector Callahan
23.09.2019 15:39registriert Mai 2019
Gut so, VW, inkl Recycling. BMW will nach wie vor auf ihrer “Technologieoffenheit“ rumreiten, sprich lieber Verbrenner herstellen.
Später wird man mal sagen, dass sich an dieser Stelle BMW ins Aus manövriert hat.
12433
Melden
Zum Kommentar
58
Internetadressen mit Domain .swiss frei verfügbar
Personen mit Schweizer Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz in der Schweiz können seit Mittwoch den Domain-Namen .swiss erwerben.

Internetadressen mit der Domain .swiss waren bisher nur öffentlichen oder privaten Unternehmen und Organisationen vorbehalten.

Zur Story