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Der Armee gehen die Soldaten aus – und Schuld sei der Zivildienst

Der Armee gehen die Soldaten aus – und Schuld sei der Zivildienst

07.06.2019, 12:00
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Der Bundesrat schlägt Alarm: Weil zu wenige Dienstpflichtige Militärdienst leisten, kann die Armee die von ihr geforderte Leistung nicht erbringen. Auch die Ausrüstung der Verbände ist noch nicht komplett.

Um was geht's?

ZUM TEXTILCENTER DER SCHWEIZER ARMEE IN THUN STELLEN WIR IHNEN HEUTE, MITTWOCH, 08. JUNI 2016, FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG --- Camouflage clothing is hung on coathangers before being checked ...
Die Schweizer Armee soll modernisiert werden.Bild: KEYSTONE

Die Weiterentwicklung der Armee, bekannt auch unter dem Kürzel WEA. Die entsprechende Armeereform wird seit 2018 umgesetzt und ist laut Bundesrat grundsätzlich auf Kurs. Die verbesserte Kaderausbildung, die regionale Verankerung und die höhere Bereitschaft eines Teils der Formationen hätten den angestrebten Stand bereits erreicht, schreibt der Bundesrat in einem Bericht zur WEA, den er am Freitag veröffentlicht hat.

Ok, das tönt gut. Gibt's auch ein «aber …»?

Klar. Ein Problem ist der personelle Unterbestand. Der angestrebte Effektivbestand von 140'000 Armeeangehörigen wird zwar aktuell noch leicht übertroffen. Der Bestand werde in den nächsten Jahren jedoch sinken, schreibt der Bundesrat.

Nach Angaben des Bundesrats wurde 2018 die erforderliche Anzahl der Militärdienstpflichtigen, welche die Rekrutenschule abschliessen und in die Formationen eingeteilt werden, erstmals unterschritten. Um den Effektivbestand zu halten, braucht es jährlich 18'000 Armeeangehörige, die den vollen Militärdienst leisten. Ohne Kurskorrektur werde diese Zahl unterschritten, schreibt der Bundesrat.

Wieso sinken denn die Zahlen?

Das grösste Problem ist gemäss dem Bericht der Zivildienst. Auswirkungen auf den Armeebestand haben die hohe Zahl der Zulassungen und der Wechsel nach der Rekrutenschule sowie die Wechsel von Fachspezialisten und Armeekadern zum Zivildienst.

Ein weiterer Grund für den sinkenden Armeebestand ist, dass die Dauer der Ausbildungsdienstpflicht für Mannschaften und Unteroffiziere von zwölf auf zehn Jahre gesenkt wird.

Was tut der Bund dagegen?

Ein Kurskorrektur ist laut Bundesrat bereits eingeleitet. Die Einführung der differenzierten Tauglichkeit hat in den letzten Jahren zu 6.8 Prozent mehr Militärdiensttauglichen geführt. Mit dem Prinzip der progressiven Leistungssteigerung im Verlauf der Rekrutenschule, dem Verzicht auf Leistungsmärsche in den ersten drei Wochen und der Einführung von vier wöchentlichen Sportlektionen wurde die Zahl der medizinischen Entlassungen während der Rekrutenschule reduziert.

Kommt noch mehr?

Ja, im Februar hat der Bundesrat dem Parlament zudem eine Revision des Zivildienstgesetzes vorgeschlagen. Diese zielt darauf ab, die Zahl der Wechsel in den Zivildienst nach absolvierter Rekrutenschule zu reduzieren. Gemäss dem Bericht machten diese Wechsel im Schnitt der letzten Jahre 38 Prozent der Zulassungen aus. Der Nationalrat hätte die Gesetzesänderung in der Sommersession beraten sollen, das Geschäft wurde jedoch von der Tagesordnung gestrichen.

Ein attraktiverer Militärdienst soll dazu beitragen, die Anzahl Gesuche um Zulassung zum Zivildienst senken. Zu den bereits eingeleiteten Massnahmen gehören mehr Zeit zur freien Verfügung, eine bessere Vereinbarkeit von Kaderausbildung und Studium sowie Ausbildungsgutschriften.

ARCHIV --- ZU DEN VORSCHLAEGEN ZUR WEITERENTWICKLUNG DER ARMEE DER SICHERHEITSPOLITISCHEN KOMMISSION DES STAENDERATES STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILD ZUR VERFUEGUNG --- Ein zum Kuechendienst abkomman ...
En Guete.Bild: KEYSTONE

Sind nur die «normalen» Soldaten betroffen?

Nein, Lücken ortet der Bundesrat auch beim Berufsmilitär und beim zivilen Personal, insbesondere bei hochqualifizierten Spezialistinnen und Spezialisten wie Ärzten, Ingenieuren oder Informatikern. Wenn die personelle Alimentierung der Armee nicht gewährleistet werde, wirke sich das unweigerlich negativ auf ihre Bereitschaft und – in einem Einsatzfall – auf ihre Durchhaltefähigkeit und ihr Leistungsvermögen aus, heisst es im Bericht.

Sonst noch was?

Ja, Probleme gibt es auch bei der Ausrüstung. Die Lücken können bis zum Ende der fünfjährigen WEA-Umsetzung reduziert, aber nicht vollständig beseitigt werden, wie der Bundesrat schreibt. Trotzdem werde die Armee in der Lage sein, die wahrscheinlichen Einsätze ohne Leistungsabstriche zu erfüllen. (sda)

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156 Kommentare
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Howard271
07.06.2019 12:25registriert Oktober 2014
Diese Geringachtung des Zivildiensts und die „Schuld“ dort zu suchen nervt mich gewaltig. Ein Zivi leistet fast 400 Diensttage, also 1.5 mal so lange wie jemand im Militär. Wenn sie selbst zu unattraktiv sind, sollen sie nicht die anderen schlecht machen, sondern sich selbst moderner, zeitgerechter und attraktiver.
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YvesM
07.06.2019 12:21registriert Januar 2016
Der Armee fehlt die Attraktivität. Zuviel Leerlauf, schlechtes Material, Stümper in der Führung etc. Die Liste ist endlos. Die Schweiz wird mit einer klassischen Armee auch kaum mehr den heutigen Bedrohungen begegnen können. Der Erstschlag findet heute via Computer statt. Da sind wir Drittweltland. Und ohne mobile Infrastruktur geht bei der Swissarmy gar nichts mehr...
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Ratatvisker
07.06.2019 13:09registriert Januar 2018
Anstatt dem Zivildienst und -schutz die Schuld zu geben sollten sich die Herren und Damen Militärs mal überlegen weshalb offensichtlich das Militär trotz kürzerer Dienstdauer weniger attraktiv ist. Aber dann müsste die Armee ja ihre Strukturen hinterfragen 🙄
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