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Basel

Coronavirus: Basler Pathologe erklärt, was die Opfer gemeinsam haben

Ein Basler Pathologe erzählt, was alle «seine» Corona-Opfer gemeinsam haben

Weltweit zögern viele Pathologen, Covid-Opfer zu obduzieren. Nicht so Alexandar Tzankov vom Basler Unispital.
03.05.2020, 06:50
Silvana Schreier / ch media
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Alexandar Tzankov vom Unispital Basel.
Alexandar Tzankov vom Unispital Basel.bild: zvg

50 Personen aus dem Kanton Basel-Stadt sind bisher am Coronavirus verstorben. Der Kanton Baselland verzeichnet 32 Todesfälle. Alexandar Tzankov, Leiter des Fachbereichs Autopsie am Universitätsspital Basel, hat gemeinsam mit seinen Kollegen am Kantonsspital Baselland 21 Verstorbene obduziert. «Wir tun hier einfach unseren Job», sagt Tzankov, angesprochen auf Medienberichte aus Deutschland. Dort wird er fast schon als Held beschrieben, da er auch in der aktuellen Situation weiter Autopsien durchführt. Denn in Deutschland hat das Robert-Koch-Institut davon abgeraten, verstorbene Coronapatienten zu untersuchen. Zu gefährlich für die Ärzte. Mittlerweile wurde diese Empfehlung jedoch zurückgezogen.

Tzankov und sein Team hingegen haben nie aufgehört, ihrer Arbeit nachzugehen. Es gebe natürlich strengere Regeln zur Einhaltung der Hygienevorschriften, aber «wir sind bestens ausgerüstet für infektiöse Autopsien», so Tzankov. Er und seine Kollegen aus Basel und Baselland hätten bereits Erfahrung mit HIV- und Hepatitis-C-Patienten. «Wir gehen mit vollem Respekt, aber ohne Angst an die Arbeit», sagt der Pathologe. Die Autopsie sei einerseits die letzte medizinische Handlung an einem Patienten und andererseits die umfassendste Untersuchung, bei der man ohne Druck systematisch arbeiten und neue Zusammenhänge erkennen könne.

Erkenntnisse helfen den Ärzten

Dabei spiele natürlich auch die Motivation mit, mehr über das Coronavirus herauszufinden. Aus diesem Grund reichten Tzankov und seine Baselbieter Kollegen eben erst eine Studie ein, die demnächst in einem Fachjournal veröffentlicht wird.

Sie haben wichtige Erkenntnisse aus der Obduktion der Verstorbenen gewinnen können. «Die Erkrankung spielt sich in den kleinsten Gefässen in der Lunge und in anderen Organen ab. Können diese Gefässe nicht mehr ordentlich funktionieren, entstehen Gerinnsel», erklärt Tzankov. Denn eigentlich sei es deren Aufgabe, das Blut flüssig zu halten. Durch die Verstopfung der Blutbahn stehe das Blut nun aber praktisch still. «Wird der Patient nun beatmet, gelangt der Sauerstoff zwar ins Blut, aber verteilt sich nicht mehr im Körper», so Tzankov. Dies führe schliesslich zum Tod – wie es eben bei den 21 Patienten, welche die Pathologen aus der Region nach ihrem Tod untersucht haben, geschah. Nur wenige hätten hingegen Anzeichen einer Lungenentzündung aufgezeigt.

Tzankov steht in Kontakt mit Pathologen in Deutschland und Spanien. Auch sie gelangten zu ähnlichen Erkenntnissen. Diese wiederum könnten nun den Ärzten in den Spitälern helfen beim Kampf gegen das Virus: «Unsere Erkenntnisse über die Gefässe lassen erste Rückschlüsse auf möglicherweise wirksame Therapien zu», so Tzankov. Weiter bestätigen die Ergebnisse der 21 Obduktionen bisherige Befunde: Die Patienten litten allesamt unter Bluthochdruck, gehörten zur Risikogruppe, waren überwiegend männlich und übergewichtig. Daneben war die Blutgruppe A übervertreten. Tzankov betont: «Es geht nicht darum, mit dem Finger auf eine Bevölkerungsgruppe zu zeigen.» Er wolle vielmehr zeigen, dass die Personen nicht selbst schuld an der Krankheit, sondern besonders schutzbedürftig sind.

Es gelten besondere Schutzmassnahmen

Mittlerweile kehrten Tzankov und sein Team wieder zur gewöhnlichen Arbeit zurück. Seit zehn Tagen habe es keine Todesfälle durch das Coronavirus in Basel mehr gegeben. Auch in der Coronakrise führen sie Autopsien an anderwärtig Verstorbenen durch. «Wir schauen uns die Krankheitsgeschichte vor der Untersuchung genau an.» Sei die Person negativ auf das Coronavirus getestet worden, könne die Autopsie ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden. Tzankov: «Wurde jemand aber positiv getestet oder noch gar nicht, treffen wir besondere Schutzvorkehrungen und setzen teilweise weniger Personal ein.» Mut oder Heldenhaftes gehöre nicht dazu. Schliesslich handle es sich einfach um einen Job. (bzbasel.ch)

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109 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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re-spectre
03.05.2020 06:59registriert Dezember 2019
respekt. erarbeitete erkenntnis. weitermachen.
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rodolofo
03.05.2020 08:12registriert Februar 2016
Das sind sehr wertvolle Informationen!
Es handelt sich hier also weniger um eine Lungenkrankheit, sondern um eine Erkrankung der Blutgefässe, von denen es in der Lunge einfach besonders viele gibt.
Hoher Blutdruck, Fettleibigkeit, beschädigte Blutgefässe erhöhen also das Risiko, an Corona zu sterben.
Blutverdünnungsmittel könnten helfen.
Auf der anderen Seite ist die Immunabwehr, die bei alten Menschen mit alten T-Zellen nur noch zu 10% ihren Dienst zu leisten vermögen, währenddem Kinder noch über eine spezielle Drüse verfügen, die laufend grosse Mengen an T-Zellen produziert.
(Irgendwie so)
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Ruefe
03.05.2020 08:08registriert August 2015
Wenn der Mob der gestern vor dem Bundeshaus war, jetzt auch begreifen würde, dass es eben nicht "nur eine Grippe" ist. Aber die wissen ja alles besser und picken willkürlich Leute aus der wissenschaftlichen Community raus um sie hochzujubeln. Das steht nämlich zum Teil auch hinter den Lobeshymnen auf die Ärzte die Autopsien tätigen.
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