«Schuster bleib bei deinen Leisten»: Eigentlich halte ich von diesem Sprichwort wenig. Gerade Kunst und Musik sollte dazu da sein, um neue Ufer zu entdecken, etwas Unbekanntes wagen und sich ins kalte Wasser zu stürzen. Doch es gibt einige Dinge, die sind so gut, dass sie auf keinen Fall eine Veränderung erfahren dürfen. Dazu zähle ich:
Was war das für eine Offenbarung als ich vor vier Jahren zum ersten Mal Winston Marshall Banjo spielen hörte! Dazu die volle Stimme von Marcus Mumford unterstützt von den weiteren Bandmitgliedern Ben Lovett und Ted Dwane. Mumford & Sons ist für mich seit diesem Moment Gralshüter der Feel-Good-Musik.
Das Debüt-Album eine Wucht: «Sigh No More» habe ich rauf und runter gehört, bis im Herbst 2012 das zweite Studio-Album «Babel» erschien. Meine Erwartungen waren hoch, doch «Babel» erfüllte sie auf Anhieb. Kein «Vielleicht wird es besser, wenn man es sich oft anhört», kein «Aber», das zweite Album fühlte sich sofort ebenso kräftig und vollkommen an wie das erste. Zudem war sich das Quartett auch nicht zu schade, sich selbst etwas auf die Schippe zu nehmen. Wie es zum Beispiel im Videoclip von Hopeless Wanderer zu beobachten ist.
Eines haben die beiden Alben ebenfalls gemeinsam: Ihre Vorabsingle war jeweils phänomenal. Sowohl «Little Lion Man» als auch «I Will Wait» waren Flaggschiffe ihrer Alben und kündeten im grossen Stile an, auf was sich der Fan freuen durfte: Auf eine geballte Ladung Folk Rock und auf stundenlangen Musik-Genuss.
Doch wenn die Vorabsingles jeweils tatsächlich für das stehen, was danach folgen wird, dann bahnt sich für die Fans von Mumford & Sons so etwas wie die Apokalypse an. Nach über drei Jahren Warten ist es am 4. Mai nämlich endlich wieder soweit: Die Briten veröffentlichen ihr drittes Studio Album «Wilder Man». Doch die Vorabsingle «Believe», welche vor gut einer Woche publiziert wurde, ist eine einzige Enttäuschung.
Was ist denn das, bitte? Wo bleibt das Banjo, wo der Schalk, wo die Power? Die erste Hälfte ist ein Gesülze sondergleichen. Man wartet darauf, bis es endlich losgeht. Kurz vor Minute zwei überschlägt sich dann die Stimme des Sängers: So sollte man die Kopfstimme definitiv nicht einsetzen.
Dann folgt der Rhythmuswechsel. Gitarre! Endlich! Aber was ist denn das für ein Übergang? In meinen Ohren Katzenmusik at it's finest. Bis zum Schluss wartet man darauf, dass noch etwas passiert, doch es geschieht nichts. Irgendwie hört sich das Ganze an, als ob Mumford & Sons jetzt einen auf Coldplay machen will und es überhaupt nicht kann. Mir bleibt nur das Kopfschütteln.
«Schuster bleib bei deinen Leisten»; und ich mache als Sportreporter eine Single-Kritik. Eigentlich widerspreche ich mir damit selber. Doch das spielt in diesem Moment gar keine Rolle. Denn ich schreibe diese Zeilen nicht als Sportreporter, sondern einfach nur als grosser Fan. Und als solcher bleibt mir nur zu sagen: Liebe Mumford & Sons, eure neue Single ist eine grosse Katastrophe!