In der Schweiz dürften um die 10'000 Autos aus dem VW-Konzern mehr CO2 ausstossen als angegeben - möglicherweise mehr. Morten Hannesbo, Chef des VW-Importeurs Amag, schätzt die Zahl auf diese Grössenordnung, wie er im Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagt.
Dabei handelt es sich allerdings nur um jene Autos aus dem Modelljahr 2016. Inwieweit Modelle der Vorjahre betroffen sind, werde weiter untersucht, sagt Hannesbo. Nächste Woche werde man aber Klarheit für das Modelljahr 2016 haben.
Dass VW ausgerechnet bei Autos mit niedrigen Verbrauchswerten die CO2-Angaben zu tief veranschlagt habe, bezeichnet Hannesbo als «unglücklich». Viele Kunden hätten aufgrund von tiefen CO2-Werten einen bestimmten Wagen gekauft.
Der Amag-Chef gab im Interview mit der «NZZ am Sonntag» und einem weiteren mit der «SonntagsZeitung» zu verstehen, dass man sich den betroffenen Autobesitzern gegenüber kulant zeigen werde. VW hatte bereits zugesichert, dass man mögliche höhere Motorfahrzeugsteuern übernehmen werde. Solche könnten anfallen, weil in der Schweiz sparsame Autos von Steuerrabatten profitieren.
Amag werde das Problem direkt mit den Kantonsbehörden lösen, welche die Motorfahrzeugsteuern erheben, sagt Hannesbo. Danach werde man die Rechnung nach Deutschland schicken. VW übernehme die Kosten vollumfänglich, sowohl rückwirkend für die zu Unrecht erhaltenen Steuerrabatte der vergangenen Jahre, als auch in die Zukunft gerichtet.
Benzinkosten kompensieren
Die zu tief angegebenen Verbrauchswerte haben aber nicht nur Folgen bei den Steuern, sondern auch direkt an der Tankstelle: Der Autobesitzer gibt nämlich mehr für Benzin aus als er beim Kauf erwarten konnte. «Auch diese Mehrkosten werden wir kompensieren», sagt Hannesbo.
Das werde zwar kompliziert, da der höhere Verbrauch auch von den gefahrenen Kilometern abhängt. «Aber es ist unsere Aufgabe, eine Lösung anzubieten», so der Amag-Chef.
Wenn ein Kunde statt des Geldes lieber sein Auto eintauschen wolle, da das Verbrauchsversprechen nicht stimme, «werden wir in der Lage sein, dies zu ermöglichen», sagt Hannesbo. In diesem Fall werde man eine Eintauschofferte unterbreiten.
Das Thema sei hochkomplex, sagt er. «Wenn wir mit 10'000 betroffenen Fahrzeugen in einem Jahr rechnen, werden wir sicher 8000 verschiedenen Lösungen ausarbeiten müssen - je nach Kanton, Alter, Kilometerleistung.»
Zweites Kapitel im Skandal
Die zu tief veranschlagten CO2-Werte sind das zweite Kapitel im VW-Abgas-Skandal. Sie flogen erst später auf. Angefangen hatte der Skandal mit dem Bekanntwerden der Software, die den Stickoxidausstoss manipuliert hat.
Deswegen müssen die betroffenen Fahrzeuge nun nachgerüstet werden. Betroffen sind Autos mit dem Dieselmotor EA 189. Diesen Motor gibt es mit 1,2, 1.6 oder 2 Litern Hubraum. Bei jenen Autos mit 1.2- oder 2-Liter-Motoren genüge es, die Software zu erneuern, sagt Hannesbo. Das dauere voraussichtlich ein bis zwei Stunden. Bei den 1.6-Liter-Motoren brauche es höchstwahrscheinlich eine komplexere Nachrüstung.
Das Auffliegen dieser Manipulation habe ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, sagt Hannesbo. Er sei seit gut 30 Jahren in der Autobranche tätig. Was man kenne, seien Rückrufe bei Problemen mit Fensterhebern, Gaspedalen oder Airbags. Das könne passieren. «Aber ich habe nicht erwartet, dass der Konzern manipuliert», sagt er. «Da steckt kriminelle Energie dahinter.»
Dass auch andere Automarken einräumen müssen, dass ihre Angaben zu tief angesetzt worden sind, glaubt er nicht - zumindest «nicht in diesem Ausmass.» VW habe beim Testverfahren manipuliert. «Das sehe ich nicht bei anderen Herstellern.» Dass die Verbräuche im Testmodus jedoch tiefer seien als im Alltagsgebrauch, sei allen bewusst. Das sei auch bei anderen Herstellern der Fall. (sda)