Staatsanwälte legen Härtefallkriterien bei Ausschaffungen fest

Staatsanwälte legen Härtefallkriterien bei Ausschaffungen fest

14.09.2016, 12:08

Die strengeren Regeln bei der Ausschaffung straffälliger Ausländer, welche das Gesetz zur Ausschaffungsinitiative vorsieht, sollen schweizweit einheitlich umgesetzt werden. Hierfür haben die kantonalen Staatsanwaltschaften entsprechende Empfehlungen ausgearbeitet.

Sie befürworten die konsequente Anwendung der Landesverweisung, wie es in dem am Mittwoch publizierten Papier der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK) heisst. Dies gelte auch bei Anstiftung, Gehilfenschaft und Versuch von schweren Straftaten.

Zudem würden Vorstrafen, die vor der Inkraftsetzung des Gesetzes am 1. Oktober 2016 ausgesprochen worden seien, berücksichtigt - auch solche des Jugendstrafrechts.

Vier Bedingungen für Härtefall

Härtefälle müssten in jedem Fall begründet werden, schreiben die Staatsanwälte in ihren Empfehlungen. Kriterien dafür seien die Integration der Verurteilten, deren familiäre und finanzielle Situation, der Arbeits- oder Ausbildungswille, die Anwesenheitsdauer in der Schweiz, der Gesundheitszustand sowie Wiedereingliederungsaussichten im Ursprungsland.

Konkret seien die privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz gegenüber den öffentlichen Interessen an der Landesverweisung höher zu gewichten, wenn die Person im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung B, C oder Ci sei, sie gleichzeitig eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen zu gewärtigen habe und auch keine Vorstrafe für eine schwere Straftat aufweise. Zudem dürfe der Straftäter in den vergangenen fünf Jahren nie zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sein.

Sind alle vier Bedingungen erfüllt, ist laut SSK kein Pflichtverteidiger zu bestellen, zumal dem Beschuldigten konkret keine Landesverweisung droht und das strafbare Verhalten mittels Strafbefehl geahndet werden kann.

Besondere Vorsicht bei Secondos

Wird Anklage erhoben für eine oder mehrere Taten, die im Deliktskatalog der Ausschaffungsinitiative aufgeführt sind, so ist laut den Staatsanwälten grundsätzlich die obligatorische Landesverweisung zu beantragen.

Ausnahmen gelten «für Ausländer, welche eine enge Bindung mit der Schweiz haben, und für die eine bedingte Strafe von nicht mehr als zwölf Monaten beantragt wird» oder «für in der Schweiz geborene Ausländer, welche den Grossteil ihres Lebens hier gelebt haben und im Urteilszeitpunkt eine gültige Niederlassungsbewilligung besitzen».

In diesen Fällen ist gemäss Empfehlungen der Staatsanwälte eine besonders detaillierte Interessensabwägung durchzuführen.

Nicht verbindliche Empfehlungen

Die Empfehlungen des SSK-Vorstandes sollen noch vor dem 1. Oktober von den Delegierten genehmigt werden. Sie dienen als praktische Starthilfe für die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Verbindlich sind sie allerdings nicht.

Die Ausschaffungsinitiative der SVP war 2010 vom Stimmvolk angenommen worden. Das Gesetz dazu tritt erst sechs Jahre später in Kraft, weil der Bundesrat zunächst die Abstimmung über die SVP-Durchsetzungsinitiative abwarten wollte, die noch strengere Bestimmungen vorsah. Diese scheiterte jedoch am 28. Februar an der Urne. (sda)

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