Mit einem neuen Protesttag haben Frankreichs Gewerkschaften im Streit um eine Arbeitsrechtsreform den Druck auf die Regierung erhöht. Aktivisten errichteten neue Strassenblockaden, im ganzen Land demonstrierten Menschen, in AKWs wurde die Stromproduktion gedrosselt.
Mit dem achten landesweiten Aktionstag gegen die geplante Lockerung des Arbeitsrechts ziehen die Gewerkschaften rund zwei Wochen vor Beginn der Fussball-Europameisterschaft die Daumenschrauben noch einmal an. Bereits in den vergangenen Tagen hatte die Blockade von Raffinerien und Treibstoffdepots zu Engpässen bei Benzin und Diesel und zu langen Schlangen an Tankstellen geführt.
Allerdings entspannte sich die Lage am Donnerstag an den Zapfsäulen langsam: Nach Angaben des Erdöl-Industrieverbandes Ufip hatte noch rund ein Fünftel der etwa 11'500 Tankstellen Versorgungsschwierigkeiten; zuvor war es rund ein Drittel.
Nun nahmen die Gewerkschaften auch die Stromversorgung ins Visier: Nach Angaben der Gewerkschaft CGT stimmten die Belegschaften in allen 19 Atomkraftwerken des Landes für Donnerstag für einen Streik.
In einer Reihe von Atomkraftwerken (AKWs) wurde demnach bereits in der Nacht die Stromversorgung gedrosselt. Der Energieversorger EDF sprach von einer Streikbeteiligung von knapp unter zehn Prozent in der Nacht und am Morgen. «Die Produktion für unsere Kunden ist gesichert», sagte eine EDF-Sprecherin.
Valls: «Rahmen bleibt»
Im Streit um die Reform hatte die Regierung von Staatschef François Hollande zuletzt eine harte Linie gefahren: Sie liess Blockaden räumen und bekräftigte ein Festhalten an dem Vorhaben, mit dem der sozialistische Präsident im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit unter anderem die 35-Stunden-Woche lockern und betriebsbedingte Kündigungen erleichtern will.
Angesichts der Proteste stellte Premierminister Manuel Valls den Gewerkschaften ein Entgegenkommen in Aussicht. «Es kann immer Veränderungen und Verbesserungen geben», sagte Valls den Sendern RMC und BFMTV. Er betonte zugleich: «Es ist ausgeschlossen, den Rahmen zu ändern.» Konkrete Angaben zu möglichen Änderungen an der Reform wollte Valls nicht machen.
Der Premierminister attackierte erneut die Gewerkschaft CGT, die die Radikalisierung der Proteste vorantreibt: «Die CGT kann nicht das Land blockieren. Die CGT kann nicht einen Gesetzestext aufzwingen.»
Gewerkschaften gespalten
«Die CGT regiert nicht das Land», sagte Valls - und kann dabei auch mit der Uneinigkeit der Gewerkschaften rechnen. Denn die mit der CGT rivalisierende CFDT hat sich hinter eine inzwischen entschärfte Version des Gesetzes gestellt und verweist auf Vorteile auch für Arbeitnehmer.
Ihr Chef Laurent Berger sprach sich für eine Abkühlung der aufgeheizten Stimmung im Land aus. Das Klima sei etwas hysterisch geworden, sagte er im Radio: «Wir sollten etwas runterkommen.»
Die französische Regierung hatte die umstrittene Arbeitsrechtsreform auf Druck der Gewerkschaften schon in mehreren Punkten abgeschwächt. Vor zwei Wochen drückte die Regierung die Gesetzesvorlage dann auf einem Sonderweg ohne direkte Abstimmung durch die Nationalversammlung.
Der französische Senat wird sich ab Mitte Juni mit der Reform befassen. Am 14. Juni - inmitten der Fussball-EM - ist ein weiterer Aktionstag gegen die Reform geplant. (sda/afp/dpa/reu)