Santésuisse und die Augenärzte wollen beim Bund noch vor Ende Monat einen Vorschlag für einen neuen Tarif für Augenbehandlungen einreichen. Auch den Augenärzten sei klar gewesen, «dass die heutige Tarifstruktur veraltet ist», sagt Santésuisse-Direktorin Verena Nold.
Das sehe man bei den Augenoperationen: «Beim grauen Star kann man für die Operation heute drei Stunden verrechnen, obwohl im Normalfall lediglich 20 Minuten dafür benötigt werden», führte die Direktorin des Krankenkassenverbandes im am Montag in der «Berner Zeitung» erschienen Interview aus.
Ende Oktober läuft die Nachfrist ab, die der Bund den Tarifpartnern gesetzt hatte, nachdem im Sommer die Ärzteschaft die Revision des Ärzte-Tarifs Tarmed in einer Urabstimmung abgelehnt hatte. Darauf erklärte Gesundheitsminister Alain Berset die Tarmed-Verhandlungen für gescheitert.
Auch Kardiologen verhandeln
Noch vor Ablauf der Frist wollen Santésuisse und der Fachverband der Schweizer Augenärzte den Vorschlag beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) einreichen. Die Verhandlungen seien «sehr weit fortgeschritten». Auch mit den Kardiologen ist gemäss Nold «eine Überarbeitung des Kapitels Herz» geplant.
Berset hatte Ende September angekündigt, dass der Tarmed-Tarif bis Ende 2017 gleich bleiben dürfte. Er will damit auch verhindern, dass im Gesundheitswesen gar keine Tarife mehr gelten. Das seit 2004 gültige Tarifsystem Tarmed hätte ursprünglich ab Januar durch ein neues System ersetzt werden sollen.
Bund auf Streithähne angewiesen
Weil die Akteure des Gesundheitswesen sich nicht einig sind, muss der Bund in Eigenregie ein neues System ausarbeiten. Dabei ist er aber auf die Hilfe der zerstrittenen Parteien - so Krankenkassen, Ärzte, Spitäler - angewiesen.
Ein wichtiger Akteur ist der Berufsverband der über 40'000 Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH, der auch 70 Ärzteorganisationen unter seinem Dach vereint, darunter die Fachverbände der Augenärzte und der Kardiologen.
«Für die FMH ist es enorm schwierig, alle Interessen unter einen Hut zu bringen», sagt Santésuisse-Direktorin Nold.«Es ist vermutlich einfacher, mit einzelnen Ärztegruppen einen gemeinsamen Nenner zu finden, als mit allen Ärzten eine Totalrevision anzustreben.»
Bund soll Ärzte zulassen
In der Diskussion um hohe Prämien und Gesundheitskosten brachte Nold einen neuen Vorschlag ein. Sie möchte bei den Spezialärzten einen Riegel schieben, da mit dem wachsenden medizinischen Angebot auch die Nachfrage steige.
«Basel hat auf 10'000 Einwohner fast 30 Spezialärzte. In Appenzell Innerrhoden sind es hingegen nur 8.» Das sei der Hauptgrund, weshalb Gesundheitskosten und Prämien in Basel deutlich höher seien als in Appenzell Innerrhoden. Und: «Die Appenzeller sind deshalb nicht kränker.»
Santésuisse möchte, den heutigen Ärztestopp durch in ein neues Regime ablösen: Die Kompetenz für die Ärztezulassung solle von den Kantonen an den Bund übergehen. Zudem solle der Bund definieren, «wie viele Ärzte und Spitäler in einem Kanton oder in einer Region minimal und maximal nötig sind».
An diesen Rahmen müssten Ärzte und Krankenversicherer sich halten. «Dort, wo das Angebot zu dicht ist, dürften nur die besten Fachleute zulasten der Grundversicherung abrechnen. Wer trotzdem weiterhin praktizieren will, soll dies über Zusatzversicherungsverträge tun», sagt Nold. Ihr schwebt eine Maximalzahl von 15 Ärzten pro Fachgebiet und 10'000 Einwohner vor.
Wer der beste Facharzt sei, müsse anhand von «Qualitätskriterien, welche die Ärzteschaft und die Krankenversicherer gemeinsam erarbeiten» festgelegt werden, schlägt Nold vor. (sda)