Die durch ihr Tagebuch bekannt gewordene Anne Frank und ihre Familie, die sich vor den Nationalsozialisten in einer Wohnung in Amsterdam versteckt hatten, sind laut einer neuen Studie möglicherweise nicht verraten, sondern durch Zufall entdeckt worden.
Wie das Anne-Frank-Museum in Amsterdam in der Nacht zum Samstag mitteilte, hatten die Polizisten, die das Versteck 1944 entdeckten, wegen Betrugs mit Lebensmittelmarken und illegaler Beschäftigung ermittelt.
Die deutsche Familie Frank war vor den Nationalsozialisten in die Niederlande geflohen. Ab Juli 1942 lebten die Franks zusammen mit anderen Untergetauchten in einem Versteck im Hinterhaus einer Amsterdamer Wohnung, bis sie im August 1944 entdeckt und deportiert wurden. Anne Franks Vater veröffentlichte später das Tagebuch seiner Tochter, das sie in dem Versteck an der Prinsengracht schrieb.
«Die Frage war immer: 'Wer verriet Anne Frank und die anderen Untergetauchten?', aber sich auf eine Denunziation zu konzentrieren, beschränkt den Blick auf die Festnahme», erklärte das Museum.
Der Wissenschaftler Gertjan Broek betrachtete für seine Nachforschungen vor allem Tagebucheinträge von März 1944. Er schloss daraus, dass sich «in der Prinsengracht 263 mehr Dinge ereigneten, als dass Menschen im geheimen Anbau versteckt waren».
Angestellte einer Firma im Erdgeschoss des Gebäudes seien einige Monate zuvor wegen Handels mit Lebensmittelmarken festgenommen worden. Das habe eine Durchsuchung zur Folge gehabt, bei der die Untergetauchten möglicherweise «schlicht durch Zufall» entdeckt worden seien, erklärte er.
Die neue Studie schliesse die Möglichkeit eines Verrats nicht aus, sagte der Leiter des Anne-Frank-Museums, Ronald Leopold. Er hoffe aber, dass sie Anlass zu weiteren Nachforschungen gebe.
Anne Frank starb Anfang 1945 im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus. Ihr Vater Otto Frank war der einzige Überlebende der Versteckten aus dem Hinterhaus. Das in 67 Sprachen übersetzte «Tagebuch der Anne Frank» zählt mit 30 Millionen verkauften Exemplaren zu den meistgelesenen Büchern weltweit. (sda/afp)