Auf Druck der Banken verzichtet die Schweizer Börsenaufsicht auf strengere Transparenzregeln für börsenkotierte Unternehmen. Diese müssen Honorare, die sie an Stimmrechtsberater zahlen, auch künftig nicht offenlegen.
Mit dem Entscheid, auf eine Teilrevision der Richtlinie betreffend Informationen zur Corporate Governance zu verzichten und das Projekt zu sistieren, kommt der Ausschuss für Emittentenregulierung den Banken entgegen.
Zwar war die Mehrzahl der Vernehmlassungsteilnehmer einig darin, dass grundsätzlich Regelungsbedarf im Hinblick auf Interessenskonflikte von Stimmrechtsberatern besteht. Die Frage der Unabhängigkeit und Offenlegung soll aber an der Stelle gelöst werden, wo sie entstehe, also bei den Stimmrechtsberatern selbst, argumentierte etwa die Bankiervereinigung. Ähnlich äusserten sich der Versicherungskonzern Zurich und der Reisedetailhändler Dufry.
Ruf nach Politik
Die Stimmrechtsberater kann die SIX aber nicht zur Transparenz verpflichten - der Gesetzgeber hingegen schon. Die Börsenaufsicht (SIX Exchange Regulation) ruft deshalb die Politik auf den Plan. Es erscheine als opportun, dass diese Thematik - im Einklang mit der entsprechenden Rechtsentwicklung in der EU - auf Gesetzesstufe geregelt werde, schreibt sie in einer Mitteilung am Montag. Die SIX behält sich aber vor, doch noch aktiv zu werden, falls die Transparenz auf diesem Weg nicht verbessert werden kann.
Insgesamt waren 18 Vernehmlassungsantworten bei der Börsenaufsicht (SIX Exchange Regulation) eingetroffen, wobei sich auch einige Unternehmen für die Revision der Richtlinie aussprachen, darunter etwa die Industrieunternehmen Georg Fischer und Gurit sowie die Beratungsunternehmen HKP Group und zRating.
Heikle Doppelrolle
Hintergrund der Diskussion um strengere Transparenzregeln ist die Doppelrolle, die einige Stimmrechtsberater bei Unternehmen ausüben. Denn bei vielen Firmen beraten die Stimmrechtsvertreter nicht nur die Aktionäre bei der Ausübung ihrer Stimmrechte an der Generalversammlung (GV), sondern sie sind bei denselben Firmen zugleich als Berater in Fragen der Corporate Governance tätig.
Wegen dieser Doppelrolle waren die Stimmrechtsberater, allen voran die internationale ISS, in der vergangenen GV-Saison unter Beschuss geraten. So gab es Vorwürfe, dass ISS GV-Anträge ablehnte und Unternehmen dann die eigene Beratung anpries - respektive, dass ihre Stimmrechtsempfehlungen käuflich wären. Die Vorwürfe wies ISS vehement zurück.
Folge der «Abzocker-Initiative»
Die Teilrevision hatte die SIX im Dezember eröffnet, um die Offenlegungspflicht bezüglich Beratungsverhältnissen zwischen Emittenten und Stimmrechtsberatern einzuführen. Denn mit den neuen Vorschriften gegen übermässige Vergütungen im Rahmen der Umsetzung der «Abzocker-Initiative» haben die Stimmrechtsberater ihren Einfluss stark ausgebaut.
Rund jede dritte Stimme an Generalversammlungen von Publikumsgesellschaften wird heute durch einen Stimmrechtsberater beeinflusst. Führend ist hierzulande ISS mit 20 Prozent der Stimmen, gefolgt von Glass Lewis (10 Prozent), Ethos (4 Prozent), zRating (2 Prozent) und Swipra (2 Prozent). (sda)