Schulz: «Bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie»

Schulz: «Bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie»

24.09.2017, 19:28

Der Wahlsonntag wird zum Debakel für die deutschen Sozialdemokraten. Kanzlerkandidat Schulz will trotzdem Parteichef bleiben. Besorgt ist er vor allem über das starke Abschneiden der Rechtspopulisten.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat die Wahlniederlage seiner Partei bei der deutschen Bundestagswahl eingeräumt. «Heute ist ein schwerer und ein bitterer Tag für die deutsche Sozialdemokratie» sagte Schulz am Sonntagabend in Berlin. Die SPD habe ihr Wahlziel verfehlt.

Er will aber trotz der historischen Wahlniederlage Parteivorsitzender bleiben und die Sozialdemokraten in die Opposition führen.

In die Opposition

Die Parole der SPD «für mehr Gerechtigkeit» verfing nur bei etwa 20 Prozent der Wähler - das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Statt ins Kanzleramt einzuziehen, wollen die Sozialdemokraten nun in die Opposition gehen.

Parteivize Manuela Schwesig hatte bereits zuvor erklärt, dass die SPD in die Opposition gehen werde. «Wir werden den Oppositionsauftrag der Wähler annehmen». «Das ist ein ganz schlimmes Ergebnis für die SPD, eine schwere Niederlage». Als Konsequenz daraus nannte sie: «Für uns endet heute die grosse Koalition».

Darüber bestehe in der Parteiführung Einvernehmen. Es werde für die SPD damit kein Bündnis mit der Union mehr geben. Auch Fraktionschef Thomas Oppermann sagte: «Der Platz der SPD ist in der Opposition.»

Abschneiden der AfD «bedrückend»

Schulz bezeichnete das starke Abschneiden der rechtspopulistischen AfD bei der Bundestagswahl als bedrückend. Mit ihr werde erstmals eine rechtsextreme Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen. «Das ist eine Zäsur, und kein Demokrat kann darüber einfach hinweggehen», sagte Schulz am Sonntagabend.

Zentrale Aufgabe der SPD bleibe es, den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu organisieren. Man werde den Kampf für Demokratie, Toleranz und Respekt weiterführen. «Wir sind das Bollwerk der Demokratie in diesem Land.»

Afd will Bundesregierung «jagen»

Die AfD ihrerseits machte nach dem guten Abschneiden seiner Partei eine Kampfansage an die künftige Bundesregierung gemacht. «Wir werden sie jagen», sagte Spitzenkandidat Alexander Gauland am Sonntag in Berlin. Die Partei wolle sich «unser Land und unser Volk zurückholen».

Die neue Bundesregierung «kann sich warm anziehen», sagte Gauland. «Wir werden die Regierung vor uns hertreiben», fügte er unter dem Jubel der versammelten Parteianhänger hinzu. Gauland nannte den Einzug in den Bundestag einen «grossen Tag» in der Parteiengeschichte der AfD.

«Wir werden dieses Land verändern», sagte der stellvertretende Parteivorsitzende. Die AfD wolle sich dafür einsetzen, «dass das, was die Menschen auf der Strasse denken, im Bundestag wieder eine Rolle spielt».

Union trotz Wahlsieg enttäuscht

Kanzlerin Merkel bezeichnete den Einzug der AfD in den Bundestag als «grosse Aufgabe». Sie wolle die Wähler der AfD zurückgewinnen, sagte Merkel am Sonntagabend in der CDU-Parteizentrale in Berlin.

Die Union habe auf ein besseres Ergebnis gehofft als die erzielten rund 33 Prozent, räumte Merkel ein, betonte aber gleichzeitig: «Wir haben einen Auftrag eine Regierung zu bilden und Und gegen uns kann keine Regierung gebildet werden.»

Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder reagierte enttäuscht auf das Ergebnis der Union. «Wir hätten uns ein besseres Ergebnis gewünscht», sagte Kauder. Doch die Union habe das Wahlziel erreicht, stärkste Partei zu werden, und habe einen Regierungsauftrag. CDU/CSU kommen nach ersten Hochrechnungen auf rund 33 Prozent.

Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer bezeichnete die herben Verluste als «hart». Sie kündigte an, dass die Union mit Grünen und FDP über eine gemeinsame Regierung reden müsse. Sie nannte eine sogenannte Jamaika-Koalition «durchaus machbar».

FDP ziert sich

Für die FDP ist eine solche Koalition aber nicht per se gegeben. Die FDP mache nicht zwangsläufig den «Ausputzer», sagte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki am Sonntagabend in der ARD.

Kubicki kritisierte die Entscheidung der SPD, in die Opposition zu gehen. Seine Partei stehe deshalb aber nicht automatisch für eine Koalition zur Verfügung.

Auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer liess eine Regierungsbeteiligung ihrer Partei offen. «Wir werden jetzt erst einmal abwarten», sagt sie im ZDF. Wenn die Kanzlerin bei der FDP anrufe und zu einer Regierungsbeteiligung einlade, werde man darüber sprechen. «Gedanken muss sich jetzt die Kanzlerin machen.»

Jubel über FDP-Comeback

FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner bejubelte das «Comeback» seiner Partei. «Die vergangene Wahlperiode war die erste in der Geschichte unserer Republik, in der es keine liberale Stimme im Parlament gab - es soll zugleich die letzte gewesen sein», sagte Lindner vor Parteianhängern in Berlin.

«Denn ab jetzt gibt es wieder eine Fraktion der Freiheit im Deutschen Bundestag, denn die Menschen haben uns ein Comeback ermöglicht.» Zugleich sei damit die Botschaft verbunden, dass nach einem Scheitern ein Neuanfang möglich sei, sagte Lindner. (sda/afp/reu)

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