Greenpeace hat bisher geheime Details im TTIP-Verhandlungspoker veröffentlicht. Damit bringt die Organisation Licht ins Dunkel der Geheimverhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Die EU-Kommission weist die Kritik an den Verhandlungen zurück.
«Wir machen das, um eine Debatte zu befeuern», sagte Stefan Krug, Leiter der Politischen Vertretung der Umweltorganisation Greenpeace. Bislang hätten Abgeordnete lediglich unter Aufsicht die TTIP-Dokumente einsehen dürfen, sich dabei aber weder Notizen machen noch Teile kopieren oder mit jemandem darüber reden dürfen.
Dabei seien von den Vereinbarungen Hunderte Millionen Menschen betroffen, die wenig bis nichts über den Inhalt der Gespräche und deren Folgen wüssten.
Furcht vor schwächeren Standards in der EU
Greenpeace wirft den USA vor, mit dem geplanten Handelsabkommen TTIP europäische Umwelt- und Konsumentenschutz-Standards aushöhlen zu wollen. Offenbar droht Washington damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt.
Die Dokumente offenbaren gemäss Greenpeace auch, dass sich die USA dem europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.
«Demokratie braucht Transparenz»
Greenpeace machte die Papiere am Montag in einem Glaskasten am Brandenburger Tor in Berlin für die Öffentlichkeit zugänglich. In dem «TTIP-Leseraum» können die Dokumente gelesen, fotografiert und heruntergeladen werden. Zuvor hatte Greenpeace die Texte samt der Losung «Demokratie braucht Transparenz» in der Nacht auf das Reichstagsgebäude gebeamt.
Die EU-Kommission hat die Kritik an den Verhandlungen zurückgewiesen. «Kein EU-Handelsabkommen wird jemals die Standards bei Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit oder Umweltschutz absenken», schrieb EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström als Reaktion in einem Blog-Eintrag.
Während der Verhandlungen sei es aber normal, dass beide Seiten für sich so viel wie möglich erreichen wollten. Wenn man in manchen Positionen zu weit entfernt voneinander bleibe, werde die EU eben nicht zustimmen. «In dieser Hinsicht sind viele der heutigen Überschriften ein Sturm im Wasserglas», schrieb Malmström.
Grosse Differenzen
Der Chefunterhändler der EU, Ignacio Garcia Bercero, widersprach zudem der Behauptung, die USA drängten auf eine Absenkung der Standards in Europa. Zugleich räumte er aber ein, dass die Gespräche über den Export von Autos und Agrarprodukten schwierig seien und vermutlich erst am Ende der Verhandlungen gelöst werden könnten.
Beim Thema Vorsorgeprinzip erwarte die EU eine «signifikante» Bewegung von den USA. «Wir sind noch sehr sehr weit von einer Einigung in diesem Punkt entfernt», sagte Bercero.
Weisses Haus über Leak «nicht beunruhigt»
Das Weisse Haus kommentierte die Veröffentlichung bisher geheimer Details zu den TTIP-Verhandlungen demonstrativ gelassen. Man sei darüber «nicht beunruhigt», sagte Präsident Barack Obamas Sprecher Josh Earnest am Montag in Washington. Er glaube nicht, dass die Details einen «materiellen Einfluss» auf das Abkommen hätten.
«Wir konzentrieren uns darauf, die Verhandlungen bis zum Jahresende abzuschliessen», sagte Earnest. Zum Wahrheitsgehalt der von Greenpeace veröffentlichten Dokumente wollte sich Earnest nicht äussern. Er sagte, Obama wolle ein Abkommen schliessen, das strenge Standards absichere.
Gemischte Reaktionen auf Leak
Laut Martin Naville, Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, könnten die Enthüllungen Teil der Verhandlungstaktik sein. Er ist der Meinung, «dass da jemand von europäischer Seite Druck auf die Amerikaner ausüben will».
Die Schweiz selbst kann bei TTIP nicht mitreden. Ihre Optionen dürften sich auf ein Ja oder ein Nein zum fertig ausgehandelten Vertragspaket beschränken. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) lässt derzeit die Auswirkungen von TTIP auf die Schweiz untersuchen.
Die Schweizer Bauern - traditionell ein Stolperstein bei Freihandelsabkommen - sind nicht grundsätzlich gegen ein Freihandelsabkommen, wie Francis Egger vom Schweizer Bauernverband (SBV) sagte. Sollten die Einfuhrkontingente und -zölle jedoch komplett wegfallen, dann könnten die hiesigen Bauern preismässig nicht mithalten. In diesem Fall könnte rund ein Drittel der Schweizer Bauernbetriebe verschwinden.
Im Internet zugänglich
Greenpeace hat nach eigenen Angaben von einer Quelle, die der Verband nicht enthüllen wollte, die Dokumente zu 13 Kapiteln der laufenden TTIP-Verhandlung erhalten. Die Abschriften dazu veröffentlichte die Organisation nun in abgeschriebener Form, nicht als Originale, auf 248 Seiten im Internet.
Sie enthalten nach Angaben von Greenpeace zumeist noch keine abgestimmten Texte, sondern die Positionen beider Seiten. Letztlich werde der Verhandlungsstand bis April wiedergegeben, also ohne die 13. Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche. (sda/reu/dpa)