Mehrere Hundert Hinterbliebene der Germanwings-Katastrophe haben in den französischen Alpen um die Opfer getrauert.
«Wir sind auch hier, um Abschied zu nehmen», sagte der protestantische Pfarrer Olivier Raoul-Duval am Freitag im Bergdorf Le Vernet in der Nähe der Absturzstelle. Auf dem Friedhof des Ortes wurden die sterblichen Überreste beigesetzt, die sich nicht mehr einzelnen Opfern zuordnen liessen.
«Die Stimmung ist sehr gedrückt», sagte Luftfahrtanwalt Christof Wellens, der 34 Opferfamilien vertritt. Für die Familien sei es eine sehr schwierige Situation, zu realisieren, dass die sterblichen Überreste ihrer Angehörigen nicht vollständig in die Heimat überführt werden konnten.
Bischof, Pfarrer, Rabbi und Imam anwesend
Ein katholischer Bischof, ein evangelischer Pfarrer, ein jüdischer Rabbi und ein muslimischer Imam leiteten die Zeremonie an der nach dem Absturz aufgestellten Gedenkstele gemeinsam.
«In diesen Momenten zeigt sich die Zerbrechlichkeit des Lebens», sagte der Imam. Anschliessend besuchten die Angehörigen die Gruft, in der die anonymen Überreste der Opfer beigesetzt worden waren. Das Grab stand offen, so dass die Familien Blumen niederlegen konnten.
Die französische Gendarmerie hatte die sterblichen Überreste vom Absturzort geborgen und dann mit Hilfe von DNA-Analysen alle 150 Toten identifiziert. Allerdings liess sich ein Teil der Fundstücke nicht zuordnen, deshalb entschied man sich für die anonyme Beisetzung in Le Vernet.
Nach Angaben der Germanwings-Mutter Lufthansa kamen mehr als 300 Hinterbliebene zu der Zeremonie, viele davon reisten mit zwei Sonderflügen aus Barcelona und Düsseldorf an. «Das ist ein sehr starker symbolischer Moment», sagte Präfektin Patricia Willaert.
Die Absturzstelle selbst ist derzeit noch gesperrt und kann nicht besucht werden. Sie ist seit dem Absturz mit Öl und Kerosin verschmutzt und muss von der Lufthansa noch gesäubert werden. Die Arbeiten sollen in den kommenden Wochen beginnen und im Herbst abgeschlossen sein.
Lufthansa-Chef nicht anwesend
Lufthansa-Chef Carsten Spohr nahm wegen Streits um das Schmerzensgeld und nach Kritik von Angehörigen an seinem eigenen Verhalten nicht an der Gedenkfeier teil. Er habe sich aufgrund der angespannten Atmosphäre in den vergangenen Tagen so entschieden, sagte ein Lufthansa-Sprecher. «Er möchte durch diese Diskussion die würdevolle Zeremonie nicht belasten.»
Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann und Lufthansa-Finanzvorstand Simone Menne vertraten das Unternehmen, äusserten sich auf der Feier aber nicht. Anwalt Wellens forderte das Unternehmen erneut auf, eine schnelle und grosszügige Lösung zu finden.
Die Lufthansa weist die Vorwürfe der Angehörigen zurück. Während in deren Brief von 45'000 Euro pro Opfer die Rede ist, beteuert die Fluggesellschaft, im Schnitt würden pro Opfer mehr als 100'000 Euro Entschädigung gezahlt. War der Tote Hauptverdiener einer Familie, könnten es sogar mehr als eine Million Euro werden.
Lufthansa-Anwalt Rainer Büsken sagte dem Magazin «Der Spiegel», schon der Vorschuss von 50'000 Euro je Opfer sei «höher als gesetzlich vorgeschrieben». Auch bei der Gewährung von Schmerzensgeld hätten sich Lufthansa und Germanwings grosszügiger gezeigt als im Gesetz vorgesehen.
Der Germanwings-Flug 4U9525 war am 24. März auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf an einem Berg zerschellt. Die Ermittler halten es für erwiesen, dass der Copilot die Maschine absichtlich auf Crashkurs steuerte. Alle 150 Menschen an Bord starben. (sda/dpa/afp)