Bundesräte offenbaren in Davos Uneinigkeit über Rahmenabkommen

Bundesräte offenbaren in Davos Uneinigkeit über Rahmenabkommen

26.01.2018, 16:12

Im Streit um das Rahmenabkommen bröckelt die Kollegialität. Während der Bundesrat offiziell um einen Abschluss mit der EU bemüht ist, denkt Finanzminister Ueli Maurer bereits laut über Alternativen nach.

Statt eines Rahmenabkommens sollte die Schweiz im Rahmen der bilateralen Verträge weitere Verbesserungen anstreben, sagte er im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung» vom Freitag. Ein solches Abkommen stosse in der Schweiz zunehmend auf Ablehnung. Nach Ansicht von Maurer ist ein Abschluss in absehbarer Zeit nicht möglich.

Ob diese Aussagen noch von der offiziellen Position der Landesregierung gedeckt sind, ist fraglich. Im Auftrag des Bundesrats feilschen die Schweizer Unterhändler nämlich seit bald vier Jahren über ein Abkommen über institutionelle Fragen.

Der Bundesrat wolle ein Abkommen, das die Rechtssicherheit im Bereich des Marktzugangs garantiere und die Unabhängigkeit und die Rechtsordnung der Schweiz bewahre, heisst es auf der Seite des federführenden Aussendepartements (EDA). In Davos liess Aussenminister Ignazio Cassis keinen Zweifel daran, dass er an diesem Ziel festhält.

Er plädierte jedoch für Realismus. Fremde Richter und die automatische Rechtsübernahme bezeichnete er als «No-Go». Doch auch eine baldige Einigung hält er inzwischen für unrealistisch. «Wir meinen es ernst, aber ein Abschluss der Verhandlungen in den nächsten drei Monaten ist nicht wahrscheinlich.»

Justierung der Europapolitik

Nach Stillstand sieht es unter dem neuen Aussenminister allerdings auch nicht aus. Cassis bestätigte in Davos, dass der Bundesrat am kommenden Mittwoch seine Ziele definieren werde. Vor dem Hintergrund des bereits vor Jahren verabschiedeten Verhandlungsmandats kann das nur bedeuten, dass der Bundesrat über eine Neuausrichtung seiner Europapolitik diskutieren will. Anlass dazu hätte er, denn in den letzten Monaten scheint in den verfahrenen Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel einiges in Bewegung gekommen zu sein.

Zunächst ist bekannt geworden, dass das Rahmenabkommen nur fünf geltende Verträge betreffen soll: das Freizügigkeitsabkommen, das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, das Agrarabkommen sowie die Abkommen zum Luft- und Landverkehr. Die EU-Kommission hat dies zwar nicht bestätigt, doch scheint der enge Geltungsbereich inzwischen Unterstützer auf beiden Seiten des Verhandlungstischs zu haben.

Zudem hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem Bundesrat offenbar einen neuen Vorschlag zur Streitbeilegung gemacht: Ist bilaterales Recht umstritten, soll ein gemeinsam besetztes Schiedsgericht entscheiden. Geht es um EU-Recht, würde der Europäische Gerichtshof um eine verbindliche Auslegung angefragt. Entscheiden würde aber auch in diesen Fällen das Schiedsgericht.

Ungelöster Streit

Innenpolitisch wäre auch diese Lösung umstritten. Die Gewerkschaften beispielsweise befürchten, dass die flankierenden Massnahmen unter Druck kommen könnten. Das Problem der «fremden Richter» würde so aber etwas entschärft.

Bisher wollte der Bundesrat die Streitbeilegung im Gemischten Ausschuss ansiedeln. Ein Schiedsgericht ist in der Zusammenfassung des Verhandlungsmandats zwar ebenfalls erwähnt. Dieses soll aber nur die Verhältnismässigkeit von Ausgleichsmassnahmen prüfen können, die bei Uneinigkeit im Gemischten Ausschuss verhängt würden.

Dass der Bundesrat nächste Woche den Reset-Knopf drückt, ist unwahrscheinlich. Möglich ist aber, dass er sein Verhandlungsmandat im Licht der jüngsten Entwicklungen neu definiert. Aussenminister Cassis hätte damit noch vor Ablauf von 100 Tagen im Amt einen politischen Erfolg eingefahren. (sda)

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