Generalstreik in Katalonien - 300'000 an Kundgebung in Barcelona

Generalstreik in Katalonien - 300'000 an Kundgebung in Barcelona

03.10.2017, 17:32

Massenproteste gegen Polizeigewalt und ein Generalstreik haben am Dienstag das Leben in der nordspanischen Region Katalonien weitgehend lahmgelegt. Allein in Barcelona gingen 300'000 Menschen auf die Strasse.

Am Ausstand beteiligten sich unter anderen Hafenarbeiter, Verkehrsbetriebe, Universitäten und Museen. Beim Fussballklub FC Barcelona fiel das Training aus, auch das Personal der Sagrada Familia, der berühmten Basilika in der Regionalhauptstadt, legte die Arbeit nieder. Schulen und etliche Geschäfte hatten geschlossen.

Bereits am Morgen blockierten Demonstranten Strassen und wichtige Verkehrsadern. Auf der Autobahn Richtung Frankreich stellten zwei Jugendliche einen Klapptisch auf und spielten Schach. In der Nähe der Plaça de la Universitat hing ein Schild mit der Aufschrift «Wegen Revolution geschlossen». Zu dem Aktionstag hatten dutzende Gewerkschaften und andere Organisationen aufgerufen.

«Adios España»

Allein in Barcelona demonstrierten am Nachmittag nach Angaben der Stadtpolizei 300'000 Menschen. Sie riefen «Besatzungskräfte raus!», «Die Strassen werden immer unsere sein», «Adios España» und andere Parolen. Ein Polizeihelikopter überflog die Menge. Er wurde mit wütenden Pfiffen und Stinkefingern bedacht.

Die U-Bahn der 1.6 Millionen Einwohner-Stadt verkehrte nur äusserst selten, Passagiere mussten keinen Fahrpreis entrichten. Am Flughafen verlief der Betrieb normal, ebenso beim Autobauer Seat.

In ganz Katalonien häuften sich die Proteste gegen die spanische Polizei. Nicht selten wurden auch Journalisten spanischer Medien ausgebuht und eingeschüchtert. Die Gebäude der in Spanien regierenden Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy waren ebenfalls Ziel von Kundgebungen.

Viele Teilnehmer sagten, sie seien nicht für Kataloniens Unabhängigkeit, wollten aber gegen das brutale Vorgehen der spanischen Polizei und für das Recht auf freie Meinungsäusserung demonstrieren.

Polizisten müssen Hotel verlassen

Im 70 Kilometer nördlich von Barcelona gelegenen Pineda de Mar versammelten sich hunderte Demonstranten vor einem Hotel, in dem 200 spanische Polizisten untergebracht waren.

Ein Hotelangestellter sagte, die Demonstranten seien in der Nacht zum Dienstag so bedrohlich aufgetreten, dass die katalanische Polizei Mossos d'Esquadra zum Schutz ihrer spanischen Kollegen zwei Strassen in der Umgebung des Hotels abgesperrt habe. Die Hoteldirektion forderte die spanischen Polizeikräfte auf, das Hotel zu verlassen.

In Barcelona gab es in der Nacht eine Menschenansammlung vor einer Garnison der Guardia Civil, der paramilitärischen spanischen Polizei. In anderen katalanischen Städten fanden Kundgebungen vor Kommissariaten statt, wie die spanische Polizeigewerkschaft SUP mitteilte.

Madrid kündigt weitere Härte an

Der spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido warf der katalanischen Regierung «Aufstachelung zur Rebellion in den Strassen» vor. Madrid werde «alle Massnahmen» ergreifen, um die «Drangsalierungen» zu stoppen.

Zoido hatte zuvor eine Dringlichkeitssitzung mit den Chefs der Polizei-Einheiten Guardia Civil und Policía Nacional abgehalten. Danach hatte er sich auch mit Ministerpräsident Mariano Rajoy beraten.

Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Saénz de Santamaría kritisierte am Dienstag die Demonstrationen gegen die Polizei in Katalonien und gab den separatistischen Politikern der Region die Schuld. «Wir werden mafiöses Verhalten der Gemeinden in Katalonien nicht tolerieren», sagte sie in Madrid vor Journalisten.

Wegen Polizeieinsätzen, die die von der Regionalregierung ausgerufene und gerichtlich untersagte Abstimmung verhindern sollten, mussten sich am Sonntag nach amtlichen Angaben mehr als 840 Personen medizinisch behandeln lassen.

Bei der Volksabstimmung am Sonntag stimmten der Regionalregierung zufolge 90 Prozent für die Loslösung der Region vom spanischen Königreich. Die Beteiligung lag bei 42 Prozent. Die Abstimmung war vom spanischen Verfassungsgericht als unrechtmässig bezeichnet worden. (sda/afp/dpa)

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