Ausgangslage: WM-Finale! Noch Fragen? Eigentlich nicht. Als sich aber Sami Khedira beim Aufwärmen verletzte, war doch plötzlich alles anders. Der Gladbacher Christoph Kramer erfuhr eine knappe Viertelstunde vor dem Einlaufen von seinem ersten WM-Spiel von Beginn an. Ihm blieb so viel Zeit, wie er bislang insgesamt WM-Atmosphäre geschnuppert hatte: zwölf Minuten.
Ansonsten zügelte Trainer Joachim Löw seine Experimentierlust und schickte außer Kramer genau die Spieler zu den Einlaufkindern, die zuvor Frankreich und Brasilien aus der WM geschmissen hatten. Der argentinische Kollege Alejandro Sabella hätte gerne etwas verändert – doch Ángel Di María blieb mit Oberschenkelverletzung wieder draußen.
Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff sagte noch: «Wir haben versucht, die Euphorie zu bremsen.» Vor einem WM-Finale. Netter Versuch.
Die bedeutendsten Spiele haben oft einen eher unbedeutenden, weil langweiligen Beginn. Nicht so hier. Die deutsche Auswahl suchte früh die Kontrolle über dieses Finale, Abtasten war nicht. Auch weil Argentinien geschickt konterte, gab es hier gleich jede Menge zu sehen. Die Nervosität blieb jedoch immer ein Spielpartner. So missglückten entscheidende Pässe und einfachste Torschüsse – siehe Higuaín nach Kroos-Zuspiel (20.).
Irgendwann gesellte sich dann der körperliche zum mentalen Kampf. Nicht nur die verletzungsbedingte Auswechslung von Kramer (André Schürrle kam, 31.) war Indiz eines schnellen, aber auch sehr harten Duells, in dem vor der Pause noch einmal aufs Gaspedal gedrückt wurde. Erst rettete Jérôme Boateng im eigenen Fünfmeterraum (41.), in der Nachspielzeit glückte den Deutschen der fast perfekte Standard. Doch Benedikt Höwedes köpfte nach Kroos-Ecke den Ball aus kurzer Distanz an den Pfosten. Viel hätte schieflaufen können für die deutsche Mannschaft in diesen 45 Minuten. Doch es stand 0:0. Ein gutes Ergebnis für die zweimal umgebaute deutsche Elf.
Und wieder startete diese Partie im Stile einer Punkrocknummer – gleich auf Vollgas. Diesmal waren die Argentinier dafür verantwortlich, deren Anpfiffswirbel in einer Chance für Messi gipfelte, die der mehrmalige Weltfußballer in neun von zehn Fällen versenkt. In diesem Moment war Nummer 10 an der Reihe (47.). Die DFB-Elf erholte sich verspätet und gab Löw recht, der ein «Duell auf Augenhöhe» erwartet hatte.
Der Favorit Deutschland blieb ängstlich, Argentinien sehr gefährlich. Die DFB-Elf agierte nun nicht voll überzeugend, aber hatte Chancen. Schürrle verstolperte den Ball im Strafraum (70.), dann tauchte wieder Höwedes, ja, Höwedes zentral vor dem Tor auf. Doch vieles kann er besser als Tore mit dem Fuß (79.). Dann Kroos nach starkem Özil-Pass (82.) – Deutschland war dem 1:0 nun näher. Doch es reichte nicht.
Diesmal gab die DFB-Elf die Punkrockband, nach wenigen Sekunden scheiterte Schürrle aus guter Position an Sergio Romero. Doch auch Argentinien spielte mit, Rodrigo Palacio lupfte den Ball am deutschen Tor vorbei (97.). Das Spiel nahm sich keine Auszeit – und kulminierte dann im finalen Donnerknall in Form des goldenen Tores durch Mario Götze (113.).
Wenn kleine Jungs nachts wachliegen, wenn sie sich sehnsüchtig hineindenken in einen großen Moment, dann sehen sie das, was Mario Götze in Minute 113 erlebte. WM-Finale, Verlängerung, schöner Pass von Schürrle, mit der Brust angenommen, dann direkt ins lange Eck gelegt – 1:0. Ja, ein Traumtor. Ein Traumtor von dem Spieler, der unlängst anmerkte, er lebe beim FC Bayern seinen Traum. Damals glaubten ihm wenige. Jetzt würde das jeder.