SPD ringt sich nach Redeschlacht zu Gesprächen mit Union durch

SPD ringt sich nach Redeschlacht zu Gesprächen mit Union durch

07.12.2017, 19:24

Der SPD-Parteitag hat grünes Licht für die Aufnahme ergebnisoffener Gespräche mit der Union über eine Zusammenarbeit bei der Regierungsbildung gegeben. Der Antrag der Parteiführung wurde am Donnerstag in Berlin mit einigen Änderungen mit grosser Mehrheit gebilligt.

«Ergebnisoffene Gespräche» sollen nächste Woche beginnen. Drei Ergebnisse sind möglich: Neuauflage der grossen Koalition, Tolerierung einer Minderheitsregierung und Neuwahlen. «Es gibt keinen Automatismus für irgendetwas», versprach Parteichef Martin Schulz. Ein Antrag der Jungsozialisten (Jusos) für den Ausschluss einer grossen Koalition wurde von den Delegierten abgeschmettert.

Die CDU begrüsste den Beschluss der SPD und bekräftigte das Ziel, «eine verlässliche und stabile Regierung für unser Land zu bilden». Der CDU-Vorstand werde nun am Sonntag und Montag über das weitere Vorgehen beraten, erklärte Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler.

Schulz hatte vor der Abstimmung eindringlich für Gespräche mit der Union geworben. «Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen», sagte der 61-Jährige in seiner mehr als einstündigen Rede.

In der anschliessenden Debatte schlug ihm aber massiver Widerstand gegen eine grosse Koalition entgegen. Kurz vor der Abstimmung am Abend ergriff Schulz noch einmal das Wort und sagte: «Ich bitte um Euer Vertrauen und sonst überhaupt nichts.»

Jusos warnen vor «Verzwergung»

Vor allem die Jusos machten Front gegen die Linie des Vorstands. Sie halten ein Regierungsbündnis mit der Union für «politischen Selbstmord» und warnen vor einer «Verzwergung» der SPD. «Wir haben ein Interesse daran, dass hier noch was übrig bleibt von diesem Laden, verdammt nochmal», sagte Juso-Chef Kevin Kühnert. «Die Erneuerung der SPD wird ausserhalb der Koalition sein, oder sie wird nicht sein.»

In seiner Rede übernahm Schulz als gescheiterter Kanzlerkandidat die Verantwortung für das mit 20.5 Prozent schlechteste Ergebnis der SPD bei einer Bundestagswahl und entschuldigte sich für seinen Anteil daran.

Er habe privat und politisch schon so manches Auf und Ab hinter sich. «Aber so ein Jahr kann man nicht einfach abschütteln. So ein Jahr steckt in den Knochen.» Er wisse, wie enttäuscht und wütend viele Menschen seien. «Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen, aber ich möchte als Parteivorsitzender meinen Beitrag dazu leisten, dass wir es besser machen.»

Nur mässiger Applaus für Schulz

Schulz hat sich vorgenommen, die Partei umfassend zu reformieren. «Die SPD muss wieder die Partei des Mutes werden», sagte er. Schulz war im März mit 100 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Sigmar Gabriel gewählt worden und wollte sich noch am Donnerstagabend zur Wiederwahl stellen. Für seine Rede erhielt er nur mässigen Applaus.

Auch Fraktionschefin Andrea Nahles rief die Delegierten dazu auf, keine Angst vor der grossen Koalition zu haben. Die SPD müsse mit «inhaltlicher Überzeugung und Selbstbewusstsein» in die Gespräche gehen und diese dann hart führen.

Bereits in der kommenden Woche will Schulz nun mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer sprechen. Am 15. Dezember soll der SPD-Vorstand entscheiden, ob die Partei Sondierungsgespräche mit der Union aufnimmt, die dann Anfang Januar beginnen würden. Über die Aufnahme von formellen Koalitionsverhandlungen würde dann ein Sonderparteitag abstimmen.

Das letzte Wort haben aber die Mitglieder. Ein Koalitionsvertrag würde ihnen zur Abstimmung vorgelegt werden. Schätzungen führender SPD-Funktionäre zufolge lehnen mindestens 30 Prozent der Mitglieder die grosse Koalition grundsätzlich ab. (sda/dpa/afp)

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