Rechtspopulisten feiern Autonomie-Referendum - Rom will verhandeln

Rechtspopulisten feiern Autonomie-Referendum - Rom will verhandeln

23.10.2017, 15:12

Zwei norditalienische Regionen wollen mehr Autonomie im Rahmen des Rechtsstaates. Ein Referendum, zu dem am Sonntag über zehn Millionen Wähler in der Lombardei und Venetien aufgerufen waren, endete mit einem klaren Ja für eine Ausweitung der regionalen Kompetenzen.

Die Wahlbeteiligung war höher als erwartet. Die in beiden Regionen regierende Rechtsaussen-Partei Lega Nord feierte dies als Sieg. Sie hatte die Wahlbeteiligung als Gradmesser für einen Erfolg ausgegeben.

In Venetien gingen laut endgültigen Ergebnissen 59.2 der Wahlbeteiligten zur Abstimmung. Damit wurde das 50-Prozent-Quorum klar erreicht. 98 Prozent der abgegebenen Wahlzettel waren Stimmen für mehr Autonomie, teilte die Regionalregierung mit.

In der Lombardei, wo die autonomistischen Bestrebungen geringer sind als in der Nachbarregion Venetien, beteiligten sich 38.5 Prozent der Bürger am Referendum. Davon stimmten 95.2 Prozent für mehr Autonomie.

Die rechtspopulistische Lega Nord, die das Referendum initiiert hatte, feierte das Ergebnis trotzdem als Erfolg. Anders als in Venetien gab es in der Lombardei keine Mindestbeteiligung für die Gültigkeit des Referendums.

Ergebnis nicht bindend

Im Gegensatz zum spanischen Katalonien ging es bei der Befragung in den beiden norditalienischen Regionen explizit nicht um eine Unabhängigkeit, sondern um zusätzliche regionale Kompetenzen im Rahmen der italienischen Verfassung. Das Ergebnis der Volksbefragung ist nicht bindend.

«Venetien kann jetzt von einer Autonomie wie Trentino Südtirol träumen. Alle Regionen können davon träumen, weil das Parlament die Verfassung ändern kann. Wichtig ist, die Stimmen dafür im Parlament zusammenzubringen», erklärte der Präsident Venetiens, Luca Zaia, der wie sein lombardischer Kollege Luca Maroni der Lega Nord angehört. Maroni sagte, man sollte auch süditalienische Regionen bei den Autonomieverhandlungen in Rom einbinden.

Rom signalisiert Dialogbereitschaft

Die italienische Zentralregierung signalisierte nach dem Referendum Dialogbereitschaft. Der Staatssekretär für Regionalfragen, Claudio Bressa, erklärte, er sei zur Aufnahme von Verhandlungen über die Ausweitung der Eigenständigkeit der beiden norditalienischen Regionen bereit.

Der Staatssekretär für Süditalien, Claudio De Vincenti, mahnte jedoch, dass bei den Autonomieverhandlungen verfassungsgemäss Steuerfragen ausgeschlossen bleiben müssen. Kritiker warfen den Regionalregierungen Geldverschwendung vor. Für die Aufnahme von Verhandlungen mit Rom hätte es keiner Volksabstimmung bedurft, so die Kritik der Mitte-Linksparteien.

Ziel der Lega Nord ist es, ein Gesetz zur Ausdehnung der regionalen Kompetenzen noch bis zum Ende der Legislaturperiode unter Dach und Fach zu bringen. Dabei geht es um die Erweiterung des normalen Statuts der beiden Regionen auf 23 zusätzliche Kompetenzen gemäss Artikel 116 der italienischen Verfassung.

Die zusätzlichen Kompetenzen betreffen unter anderem die Bereiche Umwelt, Gesundheit, Bildung, Ziviljustiz, Kulturgüter sowie die Möglichkeit, dass die Regionen unabhängig von Rom Beziehungen zu anderen Staaten aufnehmen könne.

Grosser Sieg für Lega Nord

Die hohe Beteiligung beim Referendum ist ein grosser politischer Sieg für die Lega Nord, die in den 1980er Jahren als separatistische Partei des Nordens entstanden ist. Mittlerweile tritt die Partei, die auf EU-Ebene mit dem französischen Front National und der FPÖ verbündet ist, vor allem nationalistisch und ausländerfeindlich auf und bemüht sich in ganz Italien Stimmen zu gewinnen.

Angesichts des Erfolgs stellt Parteichef Matteo Salvini den Führungsanspruch im gesamten italienischen Mitte-Rechts-Lager, dem auch gemässigte Parteien wie die rechtskonservative Forza Italia von Silvio Berlusconi angehören.

«Wir haben Europa eine Demokratie-Lektion erteilt. 5.5 Millionen Bürger haben sich an der Volksbefragung beteiligt. Das bezeugt, dass Reformen trotz des Einflusses starker Machtgruppen vom Volk in die Wege geleitet werden », erklärte Lega-Chef Salvini am Montag. (sda/apa)

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