Bei der Sondersitzung des Parlaments nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei hat Ministerpräsident Binali Yildirim der Opposition und türkischen Bürgern für ihre Unterstützung gedankt. Er erklärte den 15. Juli zum künftigen «Demokratie-Festtag».
Yildirim sagte am Samstag in Ankara: «Ich bedanke mich einmal mehr bei den Führern unserer Parteien, den Fraktionschefs und allen Abgeordneten.» Er betonte zudem: «Ich danke jedem türkischen Bürger, der auf die Strasse gegangen ist, um die Demokratie zu verteidigen. Ich bin so stolz, Teil dieser Nation zu sein.»
Richter abgesetzt
Beim versuchten Umsturz in der Nacht zum Samstag waren 265 Menschen getötet worden. 2839 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte wurden nach Regierungsangaben festgenommen.
Auch zehn Mitglieder des türkischen Staatsrats in der Hauptstadt Ankara wurden festgenommen. Ihnen werde Unterstützung des Putsches vorgeworfen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ob es sich bei den Festgenommenen um Richter oder Staatsanwälte handelte, war zunächst unklar. Der Staatsrat ist eines der obersten Gerichte in der Türkei.
Zudem wurden 2745 Richter im ganzen Land abgesetzt, wie Anadolu berichtete. Fünf Mitglieder des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte in Ankara seien vom Dienst entbunden worden. Gegen sie liefen Ermittlungen, hiess es zur Begründung.
Das türkische Parlament hatte erst kürzlich für eine umstrittene Justizreform gestimmt, die den Staatsrat und den Kassationshof betrifft. Demnach soll die Zahl der Mitglieder der Gerichte gesenkt werden. Kritiker befürchten, dass diese dann durch regierungstreue Richter und Staatsanwälte ausgetauscht werden.
Berichte über Lynchjustiz
In sozialen Medien machten derweil Berichte über Lynchjustiz die Runde. Auf einem Video, das offenbar auf einer der Bosporus-Brücken in Istanbul aufgenommen wurde, ist ein Soldat zu sehen, der blutüberströmt auf dem Boden liegt.
Derjenige, der das Video aufnimmt, sagt auf Türkisch: «Vier haben wir umgebracht, jetzt sind wir beim fünften. Hund!» Schüsse sind zu hören. Andere rufen «Gott ist gross», «Ungläubiger!» und «Krepier!». Mehrere treten auf den leblos wirkenden Körper ein. Das Video wurde via Twitter verbreitet.
Die dem Militär nahestehende Zeitung «Sözcü» berichtete am Samstag, ein aufgebrachter Mob habe einem Soldaten in Istanbul die Kehle durchgeschnitten. Regierungskreise bestätigten den Bericht zunächst nicht.
Auf weiteren Aufnahmen ist zu sehen, wie Putschgegner einen Panzer umzingeln. Ein Demonstrant steigt auf das Dach und tritt auf den Soldaten in der Luke ein. Stimmen sind zu hören, die auf Türkisch rufen: «Schlag ihn! Schlag ihn!» Andere flehen: «Das ist ein Soldat! Hört auf!» Ein Polizist eilt dem Soldaten schliesslich zur Hilfe.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte seine Anhänger in der Nacht zu Samstag dazu aufgerufen, auf die Strasse zu gehen und gegen den Putsch zu protestieren. (sda/dpa/afp/reu)