Der neue Literaturnobelpreisträger Kazuo Ishiguro hat im Laufe seiner bisherigen Schriftstellerkarriere nur acht Romane veröffentlicht - wobei der bis dato letzte, «Der begrabene Riese» (2015), ganze zehn Jahre auf sich warten liess. Und doch hat der auf Englisch schreibende Autor weltweit Millionen Fans, was nicht zuletzt auch dem Kino zu verdanken ist.
Bereits sein Romandebüt «A Pale View of Hills» (1982, «Damals in Nagasaki» auf Deutsch 1984) machte ihn schlagartig zu einem Namen auf dem internationalen Literaturmarkt. Es spielt in Ishiguros Heimatstadt Nagasaki, wo der Literaturnobelpreisträger am 8. November 1954 geboren wurde.
Allerdings verliess Ishiguro Japan mit seinen Eltern bereits als kleiner Bub, da der Vater als Ozeanograf eine Stelle in Grossbritannien bekam. So wuchs der spätere Literat südlich von London auf und kehrte erst als Mittdreissiger 1989 für einen Besuch nach Japan zurück.
Eine Karriere als Autor hatte Ishiguro dabei anfänglich gar nicht im Sinn. Vielmehr wollte er nach Abschluss der Schule in Londoner Pubs als Gitarrist, Sänger und Pianist reüssieren. Ishiguro arbeitete ein Jahr lang im Tross der «Queen Mum», der Mutter von Königin Elizabeth II., reiste durch die USA und Kanada und fand schliesslich einen Job als Sozialarbeiter in Schottland.
Erst seit 1983 widmet sich der Schriftsteller voll und ganz dem Schreiben. Und das äusserst erfolgreich: Für «The Remains of the Day», sein wohl berühmtestes Buch über einen alternden Butler, bekam der Schriftsteller 1989 den Booker-Preis. Der breiten Öffentlichkeit wurde der Roman spätestens mit James Ivorys gleichnamiger Verfilmung aus dem Jahr 1993 ein Begriff, für die Emma Thompson und Anthony Hopkins vor der Kamera standen.
Auch die Horrorvision «Never Let Me Go» («Alles, was wir geben mussten», 2005) über als Organspender herangezogene Klone wurde 2011 unter anderem mit Keira Knightley und Sally Hawkins verfilmt. Und schliesslich arbeitete Ishiguro selbst zeitweilig für das Kino und schrieb etwa das Drehbuch für Ivorys Drama «The White Countess» mit Ralph Fiennes.
Wie vielgestaltig sein Oeuvre sein kann, stellte Ishiguro auch mit seinem jüngsten Roman «The Buried Giant» unter Beweis, der an der Nahtstelle zwischen Fantasy und Realismus angesiedelt ist und im England des 6. Jahrhunderts, dem Land der Ritter und Drachentöter, spielt.«Das Grandiose ist, wie Ishiguros Roman alle Gattungsgrenzen sprengt und das, was gerade noch sicher schien, nach und nach fraglich macht», zollte bei Erscheinen Daniel Kehlmann in der «F.A.Z.» dem Kollegen Respekt.
Insgesamt wurden die Werke des frisch gebackenen Literaturnobelpreisträgers in mehr als 40 Sprachen übersetzt und verkauften sich millionenfach. Für ihn persönlich sei es dabei wichtig, den Kontakt zu seinem inneren Kind auf der Reise ins Erwachsenenleben nicht zu verlieren, räsonierte der Autor vor zwei Jahren beim Cheltenham Literature Festival: «Indem man sich davon wegbewegt, verliert man vielleicht etwas.»
In seinen 30ern sei der Gedanke des Abschieds von der Kindheit noch in Ordnung gewesen: «Jetzt mit fast 60 ist er etwas deprimierend.» Vielleicht tröstet da der Nobelpreis über manch dunkle Stunde hinweg. (sda/apa)