Familien in der Schweiz werden bunter, aber die Zweielternfamilie bleibt der häufigste Fall. Dies zeigt der Familienbericht 2017, den der Bundesrat am Mittwoch verabschiedet hat. Für ihn hat die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf Priorität.
Der gesellschaftliche Wandel der vergangenen Jahrzehnte hat nicht zu einer Auflösung der Familie geführt. Vielmehr vermischen sich traditionelle und moderne Wert- und Strukturelemente auf manchmal «spannungsvolle» Weise, wie es im Familienbericht 2017 heisst.
«Kinder zu haben, gehört auch heute grossmehrheitlich zum Lebensentwurf junger Menschen», heisst es weiter. Verändert hat sich aber der Zeitpunkt der Familiengründung. Mehr als zwei Drittel der zwischen 1974 und 1983 geborenen Frauen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes über 30 Jahre alt. Bei den zwischen 1934 und 1943 geborenen Frauen war es nur rund ein Drittel.
Verantwortlich dafür sind längere Ausbildungszeiten, das spätere Eingehen von festen Partnerbeziehungen und die Tatsache, dass Frauen stärker erwerbstätig sind. Besonders für Frauen hat sich das Zeitfenster für eine Familiengründung verengt. Damit einher geht eine Zunahme bei der medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Jährlich werden um die 2000 Kinder nach In-vitro-Befruchtung geboren.
Ehe kein Auslaufmodell
Wer Kinder bekommt, geht auch häufig die Ehe ein. Bei Eltern ab 35 Jahren liegt der Anteil an Verheirateten unter den Paaren mit gemeinsamen Kindern bei über 90 Prozent. Zwar hat die Ehe ihre Monopolstellung als Lebens- und Familienform eingebüsst, aber von einer Abwertung der Ehe könne nicht die Rede sein. Europaweit weist die Schweiz immer noch einen der tiefsten Anteile an ausserehelichen Geburten auf.
Patchwork- oder Regenbogenfamilien kommen vor, aber sie seien weniger verbreitet als es in Medien und in der politischen Diskussion häufig dargestellt werde. Der Bericht spricht von einem «moderaten Trend zur Pluralisierung von Familienformen». Häufiger als früher wachsen Kinder mit bi-nationalen oder ausländischen Eltern auf.
In der Arbeitswelt haben Mütter aufgeholt. War 1980 erst rund ein Drittel aller verheirateten Mütter mit minderjährigen Kindern erwerbstätig, waren es 2014 gut 75 Prozent der Mütter mit Kleinkindern bis 6 Jahren. Bei Müttern mit Schulkindern (7-14 Jahre) waren es 84 Prozent. Die Mehrheit von ihnen arbeitet allerdings teilzeit. Väter besetzen seltener Teilzeitstellen, auch wenn der Trend leicht ansteigend ist.
Kinderbetreuung vor allem Frauensache
Am häufigsten teilen sich Eltern die Erwerbsarbeit so auf, dass der Vater sich vollzeitlich beruflich engagiert und die Mutter teilzeitlich. Dies ist bei 49 Prozent der Eltern von Kleinkindern bis 3 Jahren und bei 57 Prozent der Eltern von 4- bis 12-jährigen Kindern der Fall.
Dass Eltern beide teilzeitlich arbeiten und sich die Kinderbetreuung zu gleichen Stücken aufteilen, wird zwar oft als ideale Form genannt. Praktiziert wird es in Schweizer Familien aber noch selten. Frauen leisten weiterhin deutlich mehr Haus- und Familienarbeit als Männer, besonders in ländlichen Kantonen. Dennoch engagieren sich Väter heute stärker in der Familie als früher.
Häufiger als früher wird auch die institutionelle Kinderbetreuung genutzt. Gut 41 Prozent der Kleinkinder bis 3 Jahre gehen in eine Krippe, wenn auch selten für eine intensive Betreuung von 30 Wochenstunden oder mehr, wie der Familienbericht festhält.
Dem Bundesrat ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein besonderes Anliegen. Mit speziellen Förderinstrumenten will er die Kosten der Kinderdrittbetreuung senken und das Angebot besser auf die Bedürfnisse der Eltern abstimmen. Auch die Beseitigung der Heiratsstrafe bei der Bundessteuer ist geplant.
Ein bedeutsames Armutsrisiko sei die Familiengründung zwar nicht, heisst es im Bericht weiter. Dennoch sei bekannt, dass Familien mit drei und mehr Kindern sowie allein lebende Mütter deutlich häufiger von Armut betroffen sind als andere Familien. Gemäss Sozialhilfestatistik 2014 wurden bei 54 Prozent aller Sozialhilfebeziehenden Kinder mitunterstützt. 29 Prozent der Sozialhilfebezüger sind unter 18-jährig.
Einkommensschwache Familien erhalten zudem Krankenkassenprämienverbilligungen, Ausbildungsstipendien und in einigen Kantonen bedarfsabhängige Familienergänzungsleistungen. Durch dieses sozialpolitischen Transferleistungen wir die Armutsquote bei allein lebenden Eltern laut dem Bericht um fast zwei Drittel reduziert.
Der Familienbericht 2017 geht zurück auf ein Postulat der ehemaligen Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz (CVP/SG). Bereits 1982 und 2004 hatte sich ein Bericht mit der Situation der Familien befasst. (sda)