Europawahl-Prognose: Grosse Parteienfamilien verlieren Mehrheit

Europawahl-Prognose: Grosse Parteienfamilien verlieren Mehrheit

26.05.2019, 21:40

Die Christ- und Sozialdemokraten werden nach erheblichen Verlusten bei der Europawahl erstmals nicht mehr in der Lage sein, alleine eine Mehrheit im EU-Parlament zu stellen. Liberale, grüne und rechte Parteien gewannen deutlich hinzu.

Das geht aus der ersten Parlamentsprognose zur Europawahl hervor. Unter den 751 Abgeordneten des künftigen EU-Parlaments wird die christdemokratische Europäische Volkspartei nach dieser Prognose auf 173 Sitze kommen, 43 weniger als bisher. Die Sozialdemokraten kämen demnach auf 147 Mandate (minus 38).

Die Liberalen liegen bei 102 Mandaten, wenn die Mandate für die Partei des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mitgezählt werden (plus 33). Dahinter kommen die Grünen mit 71 Sitzen (plus 19). Die Linke verliert fünf Sitze und kommt auf 42.

Die bisher drei rechtspopulistischen und nationalistischen Fraktionen kommen zusammen auf 171 Sitze, 16 mehr als bisher. Es wird allerdings erwartet, dass Fraktionen sich neu sortieren und womöglich noch weitere Parteien für eine Allianz hinzugewinnen.

GroKo in Berlin erschüttert

Vier Tage lang konnten mehr als 400 Millionen Menschen bei der Europawahl ihre Stimme abgeben. In Deutschland endete der Urnengang bitter für die grosse Koalition: Union und SPD verzeichneten ihre bislang schlechtesten Ergebnisse bei einer Europawahl.

Laut Hochrechnungen von ARD und ZDF mussten sie deutliche Verluste hinnehmen. Die Union landete bei knapp 29 Prozent. Die SPD fiel auf unter 16 Prozent und damit hinter die Grünen auf Platz drei. Die Grünen fuhren mit etwa 21 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl ein.

Die AfD blieb hinter ihren Erwartungen zurück, erzielte aber mit knapp unter elf Prozent der Stimmen gut drei Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. FDP und Linkspartei kamen jeweils auf etwa 5.5 Prozent.

Rechtspopulisten in Frankreich vorn

In Frankreich wiederholten die Rechtspopulisten von Marine Le Pen ihren Sieg bei der Europawahl in einem äusserst knappen Rennen gegen die Partei von Präsident Emmanuel Macron. Le Pens Rassemblement National (RN) kam laut ersten Prognosen auf rund 24 Prozent der Stimmen, während Macrons Partei La République en Marche etwa 22 bis 23 Prozent erzielte.

Auf Platz drei landeten überraschend die Grünen vor den konservativen Republikanern von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Bei der letzten Europawahl 2014 war Le Pens Partei - damals hiess sie noch Front National - mit 24.9 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft in Frankreich geworden.

Macrons Partei wurde erst 2016 gegründet und stellte sich am Sonntag erstmals einer Europawahl. Die einstmals regierenden Sozialisten kamen den Prognosen zufolge nur auf rund sechs bis sieben Prozent.

Kurz mit fulminantem Sieg

In Österreich wurde die Europawahl vom Ibiza-Skandal und dem daraus folgenden Bruch der Regierungskoalition aus konservativer ÖVP und der rechtspopulistischer FPÖ überschattet. Die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz ging nun als klarer Sieger aus dem Urnengang hervor.

Sie holte laut Prognosen mit 34.5 Prozent mehr als sieben Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren. Der fulminante Sieg stärkte Kurz unmittelbar vor einem geplanten Misstrauensantrag gegen ihn im nationalen Parlament massiv.

Der FPÖ schadete dagegen das Enthüllungsvideo um ihren zurückgetretenen Parteichef Heinz-Christian Strache: Sie hatte vor dem Skandal in Umfragen bei 24 Prozent gelegen und kam letztlich auf 17.5 Prozent.

Die sozialdemokratische SPÖ konnte nicht von den innenpolitischen Turbulenzen profitieren und lag mit 23.5 Prozent weit hinter der ÖVP. Die Grünen kamen auf 13.4 Prozent und die liberalen Neos auf acht.

Orban deutlich vorn

Die rechtspopulistische Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban fuhr nach ersten Umfragen einen haushohen Sieg ein. Sie kam demnach auf 56 Prozent der Stimmen, nachdem sie bei der Europawahl 2014 mehr als 51 Prozent erzielt hatte.

Weit abgeschlagen dahinter lagen die oppositionellen Sozialisten von der MSZP und die Demokratische Koalition mit jeweils zehn Prozent der Stimmen. Erst danach folgte die rechtsradikale Jobbik-Partei, die 2014 noch auf Platz zwei in Ungarn gelegen hatte. (sda/dpa)

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