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Wie Lula Trump ausgetrickst hat

Wie Lula Trump ausgetrickst hat. Fotomontage zeigt Lula Da Silva rechts und Donald Trump links. Lula lacht, Trump schaut resigniert
Bild: watson/keystone
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Wie Lula Trump ausgetrickst hat

Der US-Präsident musste seine Strafzölle gegen Brasilien abblasen. Seine Pechsträhne geht weiter.
25.11.2025, 13:5925.11.2025, 13:59

Jair Bolsonaro, der ehemalige Präsident von Brasilien, sitzt im Knast. Ein Gericht hat ihn zu einer Gefängnisstrafe von 27 Jahren verurteilt, weil er nach seiner Abwahl wie Trump einen Putschversuch organisiert hatte. Bis zum Antritt seiner Strafe durfte Bolsonaro sich noch in seiner Villa aufhalten. Er musste jedoch eine Fussfessel tragen. Am vergangenen Freitag wollte er diese jedoch mit einem Lötkolben entfernen. Offenbar war sein Plan, in die nahe gelegene amerikanische Botschaft zu flüchten, um danach Asyl in den USA zu beantragen. Dieser Plan ist geplatzt.

Es gibt eine plausible These, dass Donald Trump in diesen Plan eingeweiht war. Er hat nicht nur seine Strafzölle gegenüber Brasilien mit dem Prozess gegen Bolsonaro begründet, er hat auch in einem Interview erklärt, er habe kurz vor dem missglückten Fluchtversuch noch mit dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten telefoniert und werde diesen wohl bald persönlich treffen. Als er stattdessen von der Verhaftung Bolsonaros erfuhr, war er sichtlich überrascht und enttäuscht. «Ich denke, das ist sehr schlimm», erklärte er.

FILE - Brazil's former President Jair Bolsonaro stands at the entrance of his home where he is under house arrest in Brasilia, Brazil, Tuesday, Sept. 2, 2025. (AP Photo/Luis Nova, File)
Brazil Bo ...
Wieder im Knast: Jair Bolsonaro, der ehemalige Präsident von Brasilien.Bild: keystone

Falls Trump über Bolsonaros Fluchtversuch informiert gewesen ist, wäre das ein weiterer Eintrag mehr auf seiner endlosen Skandalliste. Wie auch immer, eine erneute Niederlage muss Trump auf jeden Fall verbuchen. Denn auch die Strafzölle gegen Brasilien hat er zum grössten Teil wieder abgeblasen, nicht aus Einsicht, sondern aus politischer Notwendigkeit.

Ökonomisch waren diese Zölle ohnehin Blödsinn. Brasilien ist eines der wenigen Länder, das mit den USA ein Handelsdefizit ausweist. Die 50 Prozent Strafzölle auf Kaffee und Rindfleisch – die wichtigsten Exporte Brasiliens in die USA – waren deshalb nie gerechtfertigt, und sie wurden zu einem Bumerang für Trump, und zwar in jeder Hinsicht.

Weil die meisten in den USA gerösteten Bohnen aus Brasilien stammen, wurde der Kaffee für die Amerikaner innert kürzester Zeit um mehr als 40 Prozent teurer. Auch der Preis für Rindfleisch sprang in die Höhe. Weil Kaffee und Rindfleisch ein wichtiger Teil des Lebenskonsums des Durchschnittsamerikaners sind, und weil die «Erschwinglichkeit»-Krise derzeit das heisseste innenpolitische Thema ist, musste Trump nachgeben.

epa12546336 Brazilian President Luiz Inacio Lula da Silva speaks after receiving an Honorary Doctorate from the Pedagogical University, in Maputo, Mozambique, 24 November 2025. Brazilian President Lul ...
Machtkampf gewonnen: Lula, der aktuelle Präsident von Brasilien.Bild: keystone

Das Resultat ist eine Niederlage für Trump auf der ganzen Linie: Sein Kumpel Bolsonaro muss seine Gefängnisstrafe frühzeitig antreten, die Strafzölle sind weitgehend wieder vom Tisch, Luiz Inácio Lula da Silva, der Präsident Brasiliens, ist so beliebt wie nie und kann frohlocken: «Trump muss begreifen, dass wir ein souveränes Land sind.»

Dabei hat der US-Präsident schon in den letzten Wochen schwere Schlappen einstecken müssen. Bei der Abstimmung zum Gesetz über die Freigabe der Epstein-Files haben ihm zum ersten Mal die Republikaner im Kongress die Gefolgschaft verweigert. Marjorie Taylor Greene, einst die innigste Unterstützerin Trumps, hat unter Absingen wüster Lieder ihren Rücktritt erklärt.

Und weil die «Affordability»-Krise vor allem auch die MAGA-Basis in Nöte bringt, musste Trump Zohran Mamdani, den neu gewählten Bürgermeister von New York, nicht nur im Oval Office empfangen, sondern ihn auch zum Entsetzen der Republikaner und der konservativen TV-Moderatoren in den höchsten Tönen preisen. Der Comedian Jimmy Kimmel witzelte gar, den Fox-News-Star Sean Hannity habe man deswegen mindestens sechsmal neu starten müssen.

Trumps Pechsträhne geht auch dieser Woche unvermindert weiter. Eine Richterin hat gestern verfügt, dass das Verfahren gegen den ehemaligen FBI-Direktor James Comey und gegen Letitia James, die Oberstaatsanwältin des Bundesstaates New York, eingestellt werden muss. Der Grund: Die vom Justizministerium auf Geheiss des Präsidenten eingesetzte Staatsanwältin sei verfassungswidrig im Amt gewesen. (Die grusligen juristischen Details ersparen wir uns, okay?)

FILE - FBI Director James Comey gestures as he speaks on cyber security at the first Boston Conference of Cyber Security at Boston College, March 8, 2017, in Boston. (AP Photo/Stephan Savoia, File)
Ja ...
Muss wohl kein Strafverfahren mehr befürchten: James Comey, der ehemalige FBI-Direktor.Bild: keystone

Selbst das konservative «Wall Street Journal» konnte sich deswegen einen spöttischen Seitenhieb gegen das Weisse Haus nicht verkneifen. Es titelte: «The Gang That Couldn’t Indict Straight», eine Anspielung auf die in den USA beliebte Redewendung: Die Bande, die nicht geradeaus schiessen kann.

Weitere aktuelle Trump’sche Peinlichkeiten gefällig? Hier sind sie:

  • DOGE, das mit Brimborium angekündigte Sparprogramm von Elon Musk, wurde in diesen Tagen still und heimlich eingestellt. Ausser unnötigem Leid, vor allem für die Ärmsten in Afrika, hat es gar nichts gebracht. Die USA geben derzeit noch mehr aus als unter Joe Biden.
  • Der unter starkem russischem Einfluss entstandene und von Trump als ultima ratio verkündete Friedensvertrag für die Ukraine ist wahrscheinlich bereits tot. Er ist mittlerweile von Aussenminister Marco Rubio und den Ukrainern so weit abgeändert worden, dass ihn Wladimir Putin wohl nicht akzeptieren wird.
  • Die Deportationen von illegalen Migranten wird – wie von Ökonomen vorausgesagt – zum wirtschaftlichen Problem. Hauptsächlich die Landwirtschaft leidet.
  • Der Crash der Kryptowährungen wird ebenfalls der Regierung angelastet. «Bitcoin ist vor allem ein Trump-Ding geworden», stellt Paul Krugman in seiner Kolumne auf Substack fest. «Der Bitcoin-Preis ist in die Höhe geschnellt, nachdem Trump die Wahlen gewonnen hatte. Sein jüngster Schwächeanfall hängt mit den politischen Rückschlägen von Trump zusammen.»

Bisher ist es Trump gelungen, die politischen Rückschläge jeweils rasch wieder auszubügeln. So erholten sich die Aktienkurse nach dem Mini-Crash Anfang April rasch wieder. Auch die unschöne Trennung von Elon Musk hat kaum Spuren hinterlassen. Nun aber wird der Präsident von der Binsenwahrheit «It’s the economy, stupid» eingeholt. Die «Erschwinglichkeits»-Krise ist kein schlechter Witz, sondern eine Tatsache, welche die Amerikaner täglich am eigenen Leib erleben, und für die es keine einfache Lösung gibt.

Die Regierung befindet sich daher in einer Zwickmühle. Um die Inflation zu bändigen, dürfen die Leitzinsen nicht gesenkt werden. (Dazu ist ohnehin die Notenbank zuständig.) Tiefere Zinsen sind jedoch nötig, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Zudem sind die von der künstlichen Intelligenz versprochenen hohen Steigerungen der Produktivität bisher genau das geblieben: Versprechen.

«Das heisst, dass sich die Trump-Regierung in einer Position befindet, in der ihre langfristige Politik unpopulär ist, während man für die kurzfristigen Probleme – Inflation, Jobs, Hypothekarzinsen und die Industrie – keine Lösungen anbieten kann», stellt der konservative Kolumnist Ross Douthat in der «New York Times» fest. «Das ist die Position eines politischen Verlierers – und, früher oder später, einer lahmen Ente.»

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Trump empfängt Putin in Alaska
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Trump empfängt Putin in Alaska

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WurschtChäsSalat
25.11.2025 14:13registriert November 2025
Lula hatte das einzig Richtige gemacht, als er gegen Trump nicht eingeknickt ist und Grösse bewahrt hat - sollte ein Vorbild für andere sein!
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Overton Window
25.11.2025 14:06registriert August 2022
Hoffentlich ist das keine "Pechsträhne", sondern der beginn eines freien Falls mit hartem Aufprall.
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Viva Svizzera
25.11.2025 14:18registriert März 2023
Freue mich über alles, dass dem Orangen schadet.
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