Gericht verurteilt TÜV im Brustimplantate-Skandal zu Schadenersatz

Gericht verurteilt TÜV im Brustimplantate-Skandal zu Schadenersatz

20.01.2017, 16:36

Der TÜV Rheinland ist in Frankreich im Skandal um mangelhafte Brustimplantate zur Zahlung von 60 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt worden. Das Handelsgericht im südfranzösischen Toulon sprach am Freitag jeder der 20'000 Klägerinnen 3000 Euro zu.

Das deutsche Prüfunternehmen, das den Herstellungsprozess der minderwertigen Implantate der Firma PIP zertifiziert hatte, kündigte umgehend Berufung an.

Der Skandal um die französische Firma Poly Implant Prothèse (PIP) war 2010 bekanntgeworden: PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezial-Silikon mit billigerem Industrie-Silikon befüllt. Die Kissen reissen leichter und können Entzündungen auslösen.

Weltweit wurden zehntausenden Frauen PIP-Implantate eingesetzt. Der TÜV hatte das Herstellungsverfahren bei PIP zertifiziert, nicht aber die Silikonkissen selbst kontrolliert.

Bereits im November 2013 verurteilte das Handelsgericht von Toulon den TÜV zur Zahlung von Schadenersatz an 1700 betroffene Frauen und an mehrere Händler. Das Gericht hielt dem TÜV vor, gegen seine «Kontroll- und Aufsichtspflichten» verstossen zu haben.

Früheres Urteil aufgehoben

Das Berufungsgericht im südfranzösischen Aix-en-Provence hob das Urteil aber 2015 auf und erklärte, der TÜV habe seine Kontrollpflichten erfüllt und «keinen Fehler» begangen.

Trotzdem verurteilte das Handelsgericht den TÜV nun in einem Verfahren mit deutlich mehr Klägerinnen erneut zu Schadenersatz. Die genaue Höhe des Schadenersatzes soll laut der Gerichtsentscheidung noch auf Grundlage von Expertisen festgelegt werden. Der TÜV soll aber bereits vorläufige Beträge in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro zahlen.

Der TÜV kritisierte das Urteil scharf: «Das Handelsgericht Toulon verkennt und ignoriert die eindeutigen Feststellungen des Berufungsgerichts (von Aix-en-Provence) in diesem Fall», erklärte TÜV-Anwältin Cécile Derycke.

«Vor diesem Hintergrund ist es unverantwortlich, die Zahlung vorläufiger Beträge zuzusprechen und das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Wir werden das vor dem Berufungsgericht angreifen.»

Der TÜV hat stets betont, selbst von dem Implantatehersteller getäuscht worden zu sein. Tatsächlich wurde PIP-Gründer Jean-Claude Mas in zwei Prozessen des Betrugs an den betroffenen Frauen und am TÜV schuldig gesprochen. (sda/afp/dpa)

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