Einen Tag nach dem Verlust der strategisch wichtigen Stadt Kirkuk haben sich Iraks Kurden aus weiteren Gebieten zurückgezogen. Die Peschmerga-Kämpfer überliessen weitere Ölfelder den irakischen Streitkräften. Zudem verliessen sie den jesidischen Ort Sindschar.
Die irakischen Streitkräfte brachten nach Militärangaben alle Ölfelder der staatlichen North Oil Company im Gebiet Kirkuk unter ihre Kontrolle. Nach der Einnahme der Ölfelder Baba Gurgur, Dschambur and Chabbas am Vortag rückte das Militär auch in die Fördergebiete Bai Hasan und Awana ein, die in den Händen der Peschmerga-Kämpfer gewesen seien.
Bereits am Montag hatten die Kurden praktisch ohne Widerstand die Stadt Kirkuk aufgegeben. Die gleichnamige Provinz gehört zu den ölreichsten im Irak. Damit haben die Kurden innerhalb von zwei Tagen fast alle Gebiete verloren, in die sie 2014 eingerückt waren. Dabei handelt es sich um umstrittene Regionen, auf die die Kurden und Iraks Zentralregierung gleichermassen Anspruch erheben.
Die kurdischen Peschmerga hatten die Region Kirkuk im Juni 2014 unter ihre Kontrolle gebracht, nachdem die irakische Armee vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geflohen war. International wurden die Peschmerga für ihre Rolle im Kampf gegen den IS gelobt, doch blieb ihre Kontrolle über Kirkuk und andere Gebiete ausserhalb der Autonomieregion umstritten.
Die irakische Armee sowie verbündete schiitische Milizen hatten ihren Vormarsch auf Kirkuk am Montag auf Befehl von Ministerpräsident Haidar al-Abadi begonnen. Damit reagierte die Zentralregierung auf Pläne der Kurden, sich vom Rest des Landes abzuspalten.
Diese hatten sich in einem Referendum vor drei Wochen mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Bagdad lehnt einen eigenen kurdischen Staat jedoch genauso ab wie die Nachbarn Türkei und Iran.
Zurückhaltende Reaktionen
Der Westen, der sowohl die irakische Regierung als auch die Peschmerga im Kampf gegen den IS unterstützt, reagierte zurückhaltend. Das US-Militär erklärte, seine Kommandanten im Irak drängten beide Seiten, eine Eskalation zu vermeiden.
Das Aussenministerium in Washington erklärte, die USA seien für eine friedliche Koexistenz der Zentralregierung und der regionalen Regierung auf der Grundlage der irakischen Verfassung. Präsident Donald Trump sagte zu Reportern: «Wir ergreifen nicht Partei.»
Bei vielen Kurden im Nordirak machte sich danach Enttäuschung über die mangelnde Unterstützung Washingtons breit. Die Peschmerga-Kämpfer galten bisher als einer der wichtigsten Verbündeten des Westens im Kampf gegen die IS-Miliz.
Der Verlust der Ölfelder Avana und Bai Hassan ist für die Kurden schmerzlich, da sie von hier aus Öl über eine Pipeline in die Türkei exportieren. Wegen des niedrigen Ölpreises und des Kampfes gegen den IS ist die Wirtschaft in Iraks Kurdengebieten ohnehin geschwächt.
Rückzug aus Sindschar
Eine schiitische Miliz verdrängte am Dienstag die Peschmerga aus Sindschar. Die Stadt wird von Angehörigen der religiösen Minderheit der Jesiden bewohnt. Augenzeugen berichteten, zahlreiche jesidische Familien seien aus Angst vor den anrückenden regierungstreuen Milizen aus der Stadt in Richtung der kurdischen Autonomiegebiete geflohen.
Die IS-Miliz hatte 2014 in Sindschar einige ihrer schlimmsten Gräueltaten verübt. Die folgende Massenflucht ins Sindschar-Gebirge trug mit zur Intervention der USA bei.
Auch in Dschalaula und anderen Städten der Provinz Dijala hissten die Regierungstruppen die irakischen Fahne, wie ein örtlicher Behördenvertreter sagte. Demnach zogen sich die Peschmerga kampflos auf ihre Positionen zurück, die sie vor Juni 2014 gehalten hatten. Der Rückzug der kurdischen Einheiten ist das erklärte Ziel der Zentralregierung. (sda/dpa/afp/reu)