Ich gebe es zu: Ich habe das neue Super-Mario-Spiel in einem Rutsch durchgespielt. Ich konnte gar nicht aufhören. Es war wie ein bunter Trip. Ich hüpfte durch hübsch animierte Welten, sammelte Gegenstände ein, traf alte Freunde aus dem Mario-Universum und konnte einfach nicht aufhören, bis ich die Prinzessin wieder aus den Klauen von Ewigbösewicht Bowser befreit hatte.
Aber sind wir mal ehrlich: Prinzessin Peach kann wirklich nicht die Hellste sein. Denn nun zum etwa tausendsten Mal hat sie sich wieder von Erzschurke Bowser entführen lassen. Dieser will sie jetzt sogar ehelichen und steckt sie in ein schickes Hochzeitskleid. Aber anstatt dem Monster mal die Leviten zu lesen, muss wieder der Klempner ran. Und ja, er wird im neuen Videospiel explizit als Klempner bezeichnet. Auch wenn Big N ihn nun offiziell nicht mehr so nennt. Kurz: Der narrative Anteil ist für Liebhaber epischer Geschichten schon eine kleine Frechheit. Auch wenn die Story von der naiven Prinzessin, die entführt wird, zeitlos sein mag – ein bisschen mehr wäre schön gewesen. Aber item, hören wir auf mit der Motzerei.
Wo Super Mario draufsteht, ist halt auch Super Mario drin. War so, ist so, bleibt so. Die kunterbunten Welten sind diesesmal aber grösser und offener als bei den Vorgängern. Das bedeutet, dass das Ziel eigentlich immer gleich bleibt, nur den Weg dorthin darf man sich selber aussuchen. Konkret: Um von dem jeweiligen Reich mit seinem Zylinder-Ballonflugzeug wegzufliegen, um Bowser zu verfolgen, benötigt die Maschine eine bestimmte Anzahl an Mond-Münzen. Diese bekommt man nicht nur, wenn man grössere Gegner, also Endbosse bodigt, sondern die blinkenden Objekte der Begierde sind überall in den einzelnen Abschnitten gut bis sehr gut versteckt.
Generell gibt es in diesem neuen Abenteuer sehr, sehr viel zu entdecken. Münzen, Monde, Geheimgänge, alternative Klamotten und Kopfbedeckungen, witzige Minispiele, versteckte Levels und viele kuriose Figuren, die auf ein Schwätzchen warten. Die Königreiche, die alle eine bestimmte Thematik besitzen, sind vollgestopft mit Dingen. Und es gibt da auch Welten (nein ich werde nicht spoilern!), wo einem einfach die Kinnlade runterfällt. Das sind dann diese Wow-Momente, wo man einfach nur stehen bleibt und sinniert, wie um alles in der Welt diese verrückten, genialen japanischen Gamedesigner auf diese Ideen kamen. Applaus!
Es ist ohnehin die Liebe zum Detail, die überall spürbar ist. Nicht nur die Liebe zur Super-Mario-Franchise, sondern generell die Liebe zum Medium Videospiel, die immer und überall aus dem Bildschirm kommt. Und lustig ist das Ganze auch noch. Das Grinsen brachte ich kaum mehr aus meinem Gesicht. Wenn sich Mario den verbrannten Hintern hält und schreiend herumrennt, er spontane Tanzeinlagen startet oder wenn man den Controller einfach mal liegen lässt und zusieht, wie sich der Schnauzträger ohne Interaktion des Spielers benimmt. Göttlich.
Super Mario sah übrigens noch nie so gut und so knackig aus. Alles wirkt so plastisch und man möchte alle Dinge am liebsten anfassen. Vor allem in diesem herrlichen Schlemmerland-Level möchte man von allem kosten. Das ist ebenfalls eine hohe Kunst der japanischen Programmierer. Niemand anders schafft es in Videospielen die Spielerin und den Spieler so hungrig zu machen. Allgemein ist die Optik ein Fest für die Augen und man kann sich an den verschiedenen Königreichen kaum satt sehen. Aber nicht nur die Augen leuchten, auch die Ohren freuen sich. Die Begleitmusik verschafft diese verträumten Audiowerke, die sofort ins Ohr gehen. Man summt mit und wippt mit den Beinen.
Der neue (heimliche) Star in diesem Videospiel ist Marios Mütze, die ein Eigenleben erhalten hat und nun zum ständigen Begleiter wird. Man kann zwar immer noch vereinzelt auf die Gegner draufspringen, aber in erster Linie kommt jetzt die Mütze zum Einsatz, die geworfen werden kann, um sowohl Gegner als auch Objekte zu zerstören. Kommt sie jedoch mit den Gegnern in Berührung, findet vereinzelt eine Verwandlung statt. Es kommt zu einer Verschmelzung und Super Mario ist plötzlich ein Fisch mit Schnauz, eine Raupe mit Schnauz oder ein Steinwesen, ebenfalls mit Schnauz. Dadurch bekommt der Latzhosenträger neue Fähigkeiten, die nötig sind, um im Spiel weiter voranzukommen oder versteckte Monde zu finden.
Eines der vielen Highlights sind diese wunderschönen 2D-Abschnitte. Das bedeutet, dass in einigen Arealen die 3D-Optik in die klassische 2D-Optik aus den 80er-Jahren wechselt. Dann bewegt man den ersten Pixelmario durch pixelige Welten, zerstört dabei pixelige Gegenstände und hüpft auf pixelige Gegner. Auch die Musik wird angepasst und schicke Retro-Mucke kommt aus den Lautsprechern. Solche Spielszenen, die leider zu kurz sind, erfreuen vor allem diejenigen Spielerinnen und Spieler, die mit dem ersten «Super Mario Bros.»-Spiel aufgewachsen sind.
Nach der Hauptgeschichte ist übrigens noch lange nicht Schluss. Hat man die Geschichte nach zirka zehn Stunden durchgespielt, warten noch andere Überraschungen, die hier aber nicht verraten werden sollen. Nur so viel: Wer nach der doch eher kurzen Story noch nicht genug hat, bekommt noch ganz viel Inhalt, um sich auszutoben. Auch die Spielzeit ist sehr dehnbar. Will man zum Beispiel alle Geheimnisse entdecken oder alle Monde in einem Reich sammeln, bevor man die Prinzessin retten möchte, können noch viele Stunden mehr auf das Konto verbucht werden. Ein Umfangmonster wie das letzte Zelda-Abenteuer «Breath of the Wild» ist «Super Mario Odyssey» aber nicht geworden.
Fazit: Nachdem ich die Geschichte zu Ende gespielt hatte, war ich traurig. Denn ich wollte noch viel mehr von diesem Spiel. Ich hatte einfach noch nicht genug. Als ich jedoch bemerkte, dass nach der Story noch ganz viel auf mich wartet, war ich wieder glücklich und habe die etwas schwache Geschichte schnell vergessen. «Super Mario Odyssey» hat viele Wow-Momente, sprüht nur so vor Liebe und kuriosen Einfällen. Dazu muss man den japanischen Entwicklern einfach die Hände schütteln. Für das nächste Abenteuer wünsche ich mir dann doch etwas mehr Geschichte. Trotz zeitloser Thematik, die zu simple Dreiecksbeziehung zwischen Mario, Peach und Bowser hätte definitiv etwas frischen Wind verdient.
«Super Mario Odyssey» ist ab Freitag exklusiv erhältlich für die Nintendo Switch.