Die Pressekonferenz im Zürcher Walcheturm beginnt mit einer Schelte: «Journalisten haben willfährig an einer Kampagne teilgenommen von Leuten, die eine andere Asylpolitik wollen, als wir haben», setzt Regierungsrat Mario Fehr an. Er sei überzeugt, sagt der Sicherheitsvorsteher, dass eine Asylpolitik, die von einer Mehrheit gewollt werde, den konsequenten Vollzug brauche.
Die Asylpolitik Fehrs hatte in den vergangenen Monaten für Knatsch gesorgt: Der linke Flügel der SP und die Jungpartei kritisierten die Eingrenzungsmassnahmen in den Notunterkünften (NUKs). Vereine wie Solinetz und Sans Papiers Zürich prangerten die «unhaltbaren» Zustände und das «sukzessive verschärfte» Vorgehen gegen Nothilfeempfänger in den NUKs an. Auslöser war eine neue Massnahme: Nothilfebezüger müssen sich morgens und abends in der NUK melden. Sonst wird ihnen die Nothilfe von 8.50 Franken nicht ausbezahlt.
Fehr, der die Pressekonferenz zusammen mit dem Chef des Migrationsamtes, Urs Betschart, und dem Chef des Kantonalen Sozialamtes, Ruedi Hofstetter, hält, fährt mit der Medienschelte fort, ehe er sich um die Kritik kümmert. Es gebe fünf Zentren für abgewiesene Asylsuchende, zwei seien unterirdisch und drei oberirdisch, «falls Sie mal ein anderes Bild wollen in der Zeitung (als die Bunker, Anm. d. Red.).»
Dann präsentiert der Sicherheitsvorsteher Zahlen: 658 abgewiesene Asylsuchende seien es aktuell. Diese Zahl ist über die letzten fünf Jahre markant gesunken. «Der Status der Abgewiesenen ist der schlechtestmögliche», sagt Fehr. Man habe deshalb ein Interesse daran, dass möglichst wenige davon betroffen seien. Von diesen 658 Personen seien 315, also knapp die Hälfte, in den NUKs. Die anderen befänden sich in Gemeinden (177), Durchgangszentren (43) oder dem Gefängnis (121).
Fehrs Beispiel: Von den abgewiesenen algerischen Asylbewerbern sind drei Viertel straffällig und über die Hälfte ist im Gefängnis. «Nur damit sie nicht zu sozialromantisch hier rauslaufen.»
Von den 315 Personen in den NUKs wiederum seien 162 nicht von Eingrenzungsmassnahmen (Haft, Rayonverbot) betroffen, 54 seien straffällig und eingegrenzt, 99 nicht straffällig aber eingegrenzt. Präsenzkontrollen müssen sich alle zwei Mal täglich stellen, nur in den Familienunterkünften Adliswil und Egg reiche eine Präsenzkontrolle. Die Begründung dafür: Es habe solche gegeben, die ausserhalb übernachtet hätten. Diese hätten keinen Anspruch auf die Nothilfe, weil sie offenbar Hilfe von Drittpersonen bekämen. «Wer nicht zur Arbeit erscheint, kriegt auch keinen Lohn», sagt Fehr. «Wir nehmen nichts weg, wir geben einfach nichts.»
Fehr hält an seinem Regime fest: Wer straffällig geworden sei, solle eingegrenzt werden dürfen, wer eine Rückkehrbestimmung habe, solle eingegrenzt werden dürfen, und überhaupt dürfe man auch eingrenzen, um den Druck auf die Abgewiesenen zu erhöhen. «Wir machen das, weil sie sonst nicht ausreisen», so Fehr.
«Aber was ist mit jenen», fragt eine Journalistin, «die schon über 10 Jahre da sind, sich nichts zuschulden kommen lassen haben? Warum werden auch diese eingegrenzt?» Wenn es eine Möglichkeit gebe, diese Menschen zu legalisieren, dann mache man das, antwortet Fehr. Und die nicht straffälligen grenze man ein, weil man damit hoffe, «dass sie schneller gehen». Algerien und Marokko seien nun mal einfach keine Asylländer.
Auf die Anschlussfrage, warum eine Tibeterin in Adliswil eingegrenzt werde, obwohl sie nicht straffällig sei, reagieren die drei Behördenvertreter ungehalten. Fehr: «Sie wissen bei aller Kompetenz, dass wir nicht jeden Fall kennen.» Ausserdem habe da immer das Staatssekretariat für Migration die Entscheidungsmacht.
Noch forscher reagiert Fehr auf die Frage eines Journalisten, wie viele Eingrenzungsverweise angefochten worden seien. «Das finde ich eine uninteressante Zahl», sagt Fehr knapp. Der Journalist hakt nach: «Sie sagen nicht, wie viele angefochten wurden?». Fehr: «Wir sind nicht das Bundesamt der Statistik.» Die meisten der angefochtenen Verfügungen würden darauf zurückgehen, dass am Anfang viele Leute, die nicht straffällig geworden seien, auf ihre Gemeinden eingegrenzt worden seien. Das habe man geändert. Der Journalist lässt trotzdem nicht locker: «Sie wissen nicht, wie viele Klagen es gab.». Fehr: «Wir finden es unerheblich.» Der Journalist: «Sie wollen nicht sagen, wie viele Klagen es gab.» Fehr: «Wir finden es einfach unerheblich.» Und da, am Ende, knickt Fehr dann doch ein bisschen nach: «Wir tragen das noch nach.» (dwi)